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first published on Der Standard, 25.09.2019
Die Aufhebung von Millionenstrafen für vier Manager durch den EuGH erschwert den Kampf der Behörden gegen Unterentlohnung durch die Androhung sehr hoher Strafen
Der Fall sorgte 2017 für Aufsehen: Der Maschinenbauer Andritz beauftragte die kroatische Firma Brodmont als Subauftragnehmer mit Sanierungsarbeiten an einem zerstörten Laugenkessel der Zellstoff Pöls AG. Dabei entsandte Brodmont 217 ausländische Arbeitskräfte nach Österreich.
Nach Kontrollen der Finanzpolizei verhängte die BH Murtal über alle vier Vorstandsmitglieder von Andritz Geldstrafen von je rund fünf Millionen Euro. Nach Ansicht der Behörde lag keine Entsendung, sondern eine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung vor. Andritz hätte daher die Lohnunterlagen der in Österreich beschäftigten Arbeitskräfte bereithalten und für Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) sorgen müssen.
Die extreme Höhe der verhängten Strafen ergab sich daraus, dass die Vorschriften gegen Lohn- und Sozialdumping – damals noch im AVRAG verankert, nunmehr im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) – und das AuslBG sehr hohe Strafdrohungen zwischen 1000 und 50.000 Euro vorsehen, die aufgrund des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafrecht pro Verstoß und Arbeitnehmer anfallen. Dazu kommt, dass bei einer Abweisung der Beschwerde gegen den Strafbescheid in der Berufung zwingend ein Verfahrenskostenbeitrag von 20 Prozent der verhängten Geldbuße schlagend wird – pro Vorstandsmitglied rund eine Million Euro zusätzlich.
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hegte gegen diese Regelungen Bedenken und fragte den Europäischen Gerichtshof, ob es der EU-Dienstleistungsfreiheit widerspricht. Der EuGH hat dies vor kurzem bejaht (12. 9. 2019, C-64/18 – Maksimovic): Nationale Regelungen, die bei einer Entsendung die Bereithaltung bestimmter Arbeits- und Sozialunterlagen verlangen sowie die Beschäftigung von drittstaatsangehörigen Arbeitnehmern von einer Bewilligung abhängig machen und bei Nichteinhaltung Sanktionen vorsehen, schränken die Dienstleistungsfreiheit ein.
Solche Beschränkungen können zwar durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, allerdings nur, wenn sie für die Erreichung dieser Ziele geeignet und verhältnismäßig sind. Dabei muss insbesondere die Härte der Sanktionen der Schwere des Verstoßes entsprechen.
Diese Verhältnismäßigkeit wird aber durch das auf dem Prüfstand stehende System mit seinen rigiden Strafen verletzt. Neben Mindestgeldstrafen sind es die unbeschränkte Kumulation der Strafen für jeden Arbeitnehmer, der zwingende Kostenersatz und die Ersatzfreiheitsstrafen bei Uneinbringlichkeit, die weit über das Erforderliche hinausgehen, entschied der EuGH.
Das Ergebnis des Urteils ist nicht nur, dass der Strafbescheid gegen die Andritz-Manager aufgehoben werden muss. Auch bei zukünftigen Entsendungen dürfen die Behörden und Verwaltungsgerichte keine Strafen für die Nichteinhaltung der Aufbewahrungs- und Meldepflichten nach dem LSD-BG und dem AuslBG mehr verhängen.
Damit würde aber eine wesentliche Abschreckungsfunktion des gesamten Lohndumping-Regimes wegfallen. Dieses ist zwar vor allem dazu gedacht, Entlohnungen unterhalb des Kollektivvertrags zu verhindern. Aber bisher haben die Behörden nur selten Strafen für Unterentlohnungen an sich verhängt; sie haben sich damit die mühsame Berechnungen erspart, ob der den ausländischen Arbeitskräften bezahlte Lohn dem inländischen KV entsprach.
In der Praxis schaffte es kaum ein ausländisches Unternehmen, die zahlreichen administrativen Verpflichtungen in diesen Zusammenhang, für deren Nichteinhaltung das LSD-BG die gleich hohen Strafen wie für Unterentlohnung vorsieht, lückenlos einzuhalten. Dazu kommt, dass die Behörden eine äußerst strenge Rechtsansicht hinsichtlich des Vorliegens von Arbeitskräfteüberlassung vertreten, sodass – wie bei Andritz – oftmals auch inländische Unternehmen zum Handkuss kamen.
Spannend ist die Frage, ob die vom EuGH aufgestellten Grundsätze auch für das Verbot der Unterentlohnung gelten. Dies kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Will daher der Gesetzgeber das Strafregime des LSD-BG aufrechterhalten, muss er dringendst handeln und das Gesetz an die EuGH-Judikatur anpassen. Dazu zählt etwa eine Neuregelung des Kumulationsprinzips, die bereits die vorige Bundesregierung geplant hatte.
Autor: Stefan Kühteubl
Stefan
Kühteubl
Partner
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