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23 May 2022
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AUSBAUPLAN Österreich setzt auf Wasserstoff, doch der rechtliche Rahmen fehlt

Investitionen in grünen Wasserstoff sollen in den kommenden Jahren massiv ausgebaut werden. Zum Teil sind die Gesetze unzureichend oder fehlen überhaupt

Geht es nach der österreichischen Bundesregierung sowie der EU, sollen bereits in den nächsten Jahren massive Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft fließen. Hintergrund: Einerseits kann Wasserstoff zur Substitution fossiler Energieträger eingesetzt werden. Andererseits kann Wasserstoff nicht nur aus fossilen Quellen wie insbesondere Erdgas, sondern auch mittels Elektrolyse, also der Aufspaltung von Wasser durch Strom, gewonnen werden. Durch den Einsatz von erneuerbarem Strom, die Nutzung der Abwärme sowie die Verwendung des Wasserstoffs in emissionsintensiven Sektoren wie Verkehr, chemischer oder Stahlindustrie kann ein bedeutender Beitrag zur Dekarbonisierung geleistet werden.

Wo der Wasserstoff für diese ambitionierten Pläne herkommen soll, ist Gegenstand intensiver Diskussionen. Der Ukraine-Krieg zeigt allerdings, dass Importabhängigkeiten vermieden werden sollten. Bereits vor Ausbruch des Kriegs legte die Europäische Kommission ihre Wasserstoffstrategie vor, nach der in der EU bis 2030 jährlich bis zu zehn Millionen Tonnen Wasserstoff durch Elektrolyseure erzeugt werden sollen. Im nationalen Energie- und Klimaplan wird für 2030 eine Erzeugung von circa 28.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr als Ziel angegeben. Daneben laufen derzeit bereits Untersuchungen, wie bestehende Infrastruktur für Transport und Verteilung von Wasserstoff genutzt werden kann.

Rechtsunsicherheit erschwert Investitionen

Die geplante "grüne" Wasserstoffwirtschaft auf den Boden zu bringen ist derzeit aber noch schwierig. Aus wirtschaftlicher Sicht spielen dabei die Gestehungskosten für erneuerbaren Wasserstoff eine große Rolle, die eng an den Strompreis gekoppelt sind. Gleichzeitig laufen die Anstrengungen, "erneuerbaren" Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten zu können, nur langsam an. Um die ambitionierten Zielpfade einzuhalten, wären etwa höhere Emissionszertifikatpreise und Förderungen sowie eine verbindliche Grüngasquote erforderlich.

Neben wirtschaftlichen Hemmnissen stehen der raschen Umsetzung der Wasserstoffwirtschaft große Rechtsunsicherheiten entgegen. Das europäische und auch das österreichische Recht unterstellen, dass Gas grundsätzlich aus fossilen Quellen gewonnen und nicht mittels Elektrizität hergestellt wird. Wasserstoff kann aber sowohl aus Elektrizität gewonnen werden als auch (in die umgekehrte Richtung) zur emissionsfreien Elektrizitätserzeugung eingesetzt werden. In einer Wasserstoffwirtschaft kommt es somit zu einer engen Verflechtung zwischen Gas- und Elektrizitätswirtschaft. Ähnlich wie im Rahmen der Gas- und Strommarktliberalisierung vor 20 Jahren wird daher diskutiert, wer Elektrolyseure, Wasserstoffspeicher und Wasserstoffleitungen errichten und betreiben darf. Die Frage, welche genauen Kriterien der Strom für die Erzeugung von "erneuerbarem" Wasserstoff erfüllen muss, ist ebenfalls noch nicht geklärt.

Genehmigungsverfahren unpassend

Auch das Anlagengenehmigungsrecht erschwert die Umsetzung von Wasserstoffprojekten: Nach dem Unionsrecht unterliegt die Herstellung von Wasserstoff grundsätzlich dem strengen Regime der Industrieemissionsrichtline (IE-RL), das auf eine laufende Verringerung von Schadstoffemissionen ausgerichtet ist. Da die Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse aber kaum Schadstoffemissionen verursacht, geht der Zweck dieses Regimes völlig verloren. Erst kürzlich hat es die Europäische Kommission im Rahmen eines Novellenvorschlags für die IE-RL verabsäumt klarzustellen, dass die Wasserelektrolyse nicht unter dieses Regime fällt.

Auf nationaler Ebene fehlt immer noch die (längst überfällige) Verfahrenskonzentration. Für Wasserstoffprojekte unterhalb der UVP-Schwellen müssen daher oft fünf oder mehr Genehmigungen bei unterschiedlichen Behörden eingeholt werden. Weitere "Dauerbrenner" sind etwa die personelle Verstärkung der Behörden sowie die Verfahrensbeschleunigung.

Schließlich sind bei energiewirtschaftlich sinnvoller Anlagenauslegung weitere Rahmenbedingungen, wie insbesondere die Seveso-Richtlinie, zu beachten. Deren strenge Abstandsregelungen kommen bereits seit über 25 Jahren und trotz bedeutender Fortschritte in der Sicherheitstechnik ab einer Lagerung von nur fünf Tonnen Wasserstoff zur Anwendung. Zum Vergleich: Diese Menge reicht gerade einmal für circa 20 Tankvorgänge bei Wasserstoffzügen oder circa 110 Tankvorgänge bei Wasserstoff-Lkws.

Technische und energiewirtschaftliche Herausforderungen

Herausforderungen aus technischer Sicht betreffen insbesondere die Technologieauswahl für die Wasserstofferzeugung (unterschiedliche Arten von Elektrolyseanlage) sowie – mangels Standards – die Konfiguration von Wasserstofftankstellen. Weitere maßgebliche Unsicherheiten für Anlagenerrichter und -betreiber sind einerseits die Stromversorgung und andererseits der noch schwer einschätzbare künftige Wasserstoffabsatzmarkt. Gerade die erwähnten Unsicherheiten bei den Anforderungen an den für "erneuerbaren" Wasserstoff benötigten Strom und der Grüngasquote sind für einigermaßen belastbare Mengenprognosen – und damit die energiewirtschaftlich optimale Auslegung der Erzeugungs- und Speicheranlagen – von hoher Bedeutung.

Neben den technischen und (energie-)wirtschaftlichen Herausforderungen sind es somit insbesondere Rechtsunsicherheiten, die die Umsetzung einer Wasserstoffwirtschaft in Österreich derzeit erschweren. Sowohl der europäische als auch die nationalen Gesetzgeber sind daher gefordert, rasch geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Zielpfande einigermaßen einzuhalten. (Andreas Burger, Daniel Jakob, Christoph Cudlik, 23.5.2022)

Andreas Burger ist Technischer Geschäftsführer der Tiwag – Next Energy Solutions sowie Teamleiter Neue Technologien bei Tiwag – Tiroler Wasserkraft AG, Daniel Jakob ist Projektleiter bei der Tiwag – Tiroler Wasserkraft AG. Christoph Cudlik ist Rechtsanwalt bei Schönherr mit Fokus auf öffentliches Recht und Schwerpunkt Umwelt- und Energierecht.

This article was first published on DerStandard, 23.05.2022
author: Andreas Burger, Daniel Jakob, Christoph Cudlik

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