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Im Entwurf des ElWG ("ElWG-E") sind erstmals Bestimmungen zu geschlossenen Verteilernetzen enthalten (Vgl § 101 ElWG-E). Damit wird Art 38 RL 2019/944[1] umgesetzt. Bislang hat Österreich von dieser bereits in Art 28 RL 2009/72/EG vorgesehenen Möglichkeit einer Unterkategorie von Verteilernetzen[2] nicht Gebrauch gemacht.
Ein geschlossenes Verteilernetz ist ein Netz, mit dem in einem geografisch begrenzten Industrie- oder Gewerbegebiet oder in einem Gebiet, in dem Leitungen gemeinsam genutzt werden, Elektrizität verteilt wird, und (i) die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Netzbenutzer dieses Netzes aus konkreten technischen oder sicherheitstechnischen Gründen verknüpft sind oder (ii) mit dem Netz in erster Linie Elektrizität an den Netzeigentümer oder -betreiber oder an mit diesen verbundene Unternehmen verteilt wird.[3]
Wesensmerkmal des geschlossenen Verteilernetzes ist sohin – im Gegensatz zur öffentlichen Versorgung im regulären Netz - die Versorgung einer geschlossenen Benutzergruppe. Klargestellt wird aber, dass auch ein geschlossenes Verteilernetz als Verteilernetz gilt.[4]
Auf unionsrechtlicher Ebene wurde diese Bestimmung vorgesehen, um bestimmte Verteilernetzbetreiber von Verpflichtungen zu befreien, die bei ihm — aufgrund der besonderen Beziehung zwischen dem Betreiber und den Netznutzern — unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen würden. Als Beispiele für geschlossene Verteilernetze werden in den Erwägungsgründen Bahnhofsgebäude, Flughäfen, Krankenhäuser und Standorte der Chemieindustrie genannt.[5]
Die Ausnahmen von netzregulatorischen Bestimmungen bestehen jedoch nur in engen Grenzen. Betreiber eines geschlossenen Verteilernetzes sind lediglich von den folgenden Verpflichtungen befreit: (i) Verpflichtung, weder Eigentümer von Energiespeicheranlagen oder Ladepunkten für Elektrofahrzeuge zu sein noch diese zu errichten, zu verwalten oder zu betreiben (§ 72 und § 100 ElWG), (ii) Erstellung eines Netzentwicklungsplans (§ 95 Z 7 ElWG), (iii) Beschaffung von Flexibilitätsleistungen, Systemdienstleistungen und Netzverlustenergie (§ 95 Z 8, 9 und 18 ElWG) sowie von den Systemnutzungsentgelten (10. Teil ElWG).[6]
Andere Ausnahmen sind nicht vorgesehen! Insbesondere besteht für diese Netze keine Ausnahme vom Netzzugang (§ 83 ElWG-E). Der EuGH judizierte bereits in der Entscheidung citiworks AG, dass es für Verteilernetzbetreiber keine Ausnahme von der Verpflichtung, Dritten freien Netzzugangs zu gewähren, geben darf.[7] Auch von der allgemeinen Anschlusspflicht sind geschlossene Verteilernetze nicht befreit.[8]
Dies ist insb im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 171 Abs 4 ElWG-E relevant, wonach zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ElWG bereits bestehende Netzanschlussverhältnisse ex lege als geschlossene Verteilernetzbetreiber gelten. Bestehende Netzanschlussverhältnisse wurden bislang nicht als Verteilernetze qualifiziert und waren sohin den netzregulatorischen Bestimmungen entzogen.[9] Die nunmehrige Qualifikation als geschlossenes Verteilernetz würde ua bedeuten, dass Betreiber des Netzes Dritten Zugang zu ihrem Netz gewähren müssen. Mit anderen Worten: Aus einem bislang unregulierten Netz könnte – vorbehaltlich der Erfüllung der Kriterien für das Vorliegen eines Verteilernetzes – ein reguliertes Netz werden. Mit allen daran anknüpfenden Rechtsfolgen.
Während es in Deutschland bereits seit Längerem geschlossene Verteilernetze gibt, ist diese Bestimmung in Österreich eine Neuheit, die zahlreiche Fragen aufwirft und noch einer detaillierten Analyse bedarf. Insbesondere die Übergangsbestimmung zu bestehenden Netzanschlussverhältnissen sowie die für die Verteilernetzbetreiber geltenden Pflichten sind zu prüfen. Derzeitige Betreiber von Werksnetzen sollten prüfen, ob sie nach Inkrafttreten des ElWG unter dieses neue Regime fallen könnten und was das für sie bedeuten würde, sollte das ElWG in dieser Form in Kraft treten.
[1] RL 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.06.2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU.
[2] Ein Verteilernetz ist gem § 6 Z 140 ElWG "mehrere zusammenhängende Leitungen mit einer hohen, mittleren oder niedrigen Spannungshöhe innerhalb eines räumlich abgegrenzten bestimmten Gebiets, die der Verteilung von elektrischer Energie dienen und untereinander mit einer oder mehreren Verbindungsleitungen verbunden sind."
[3] § 101 ElWG-E.
[4] § 6 Z 140 ElWG-E, Art 38 Abs 2 RL 2019/944.
[5] Erwägungsgrund 66, RL 2019/944.
[6] § 101 Abs 2 ElWG.
[7] EuGH 22.05.2008, C-439/06, citiworks AG.
[8] § 78 iVm § 95 Z 3 ElWG.
[9] LVwG Salzburg 29.01.2018, 405-2/77/1/27-2018; Poltschak/Oberndorfer, Die Ausnahme bestehender Netzanschlussverhältnisse vom Anschlussrecht des Netzbetreibers, RdU-UT 2021/26, 112.
authors: Bernd Rajal, Nina Zafoschnig