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22 March 2020
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Baustellen in Zeiten der Coronakrise

Kein Betretungsverbot von Baustellen als Betriebsstätte

Die vom Gesundheitsminister auf Grundlage des COVID-19 Maßnahmengesetzes erlassene Verordnung BGBl II 96/2020 enthält ein Betretungsverbot nur für Kundenbereiche von Betriebsstätten des Handels und von Dienstleistungsunternehmen. Bauarbeiten sind aber Produktionsleistungen (Bauwerkverträge) und weder Handel noch Dienstleistung. Es bedarf daher für den Weiterbetrieb von Baustellen auch keiner expliziten Ausnahme von Baustellen unter § 2 dieser Verordnung.

Nach ganz einhelliger Auffassung gilt diese Verordnung nicht für Baustellen und ist eine Baustelle keine gemäß § 1 dieser Verordnung zu schließende Betriebsstätte.

Kein Verbot des Betretens öffentlicher Orte für den Weg zur Baustelle

Das mit der Verordnung BGBl II 98/2020 erlassene Betretungsverbot öffentlicher Orte gilt zwar auch für Bauarbeiter und hat damit auch Auswirkungen auf die in Ausführung befindlichen Bauvorhaben. Mit Wirksamkeit zum 20.03.2020, 00.00 Uhr, hat der Gesundheitsminister die Verordnung BGBl II 98/2020 mit den Verordnungen BGBl II 107 und 108/2020 abgeändert.

Die Baustelle als Erfüllungsort eines Bauwerkvertrags ist "Ort der beruflichen Tätigkeit" im Sinne des § 2 Z 4 der Verordnung BGBl II 98/2020, sodass eine Ausnahme vom Betretungsverbot öffentlicher Orte gegeben ist.

Die Tätigkeit auf der Baustelle darf unter der Voraussetzung erbracht werden, dass am konkreten Einsatzort auf der Baustelle zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, sofern nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Die Beschränkung, wonach am Ort der beruflichen Tätigkeit zwischen den Personen ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden kann, gilt somit nur dann, wenn nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann.

Kann das Infektionsrisiko durch Schutzmaßnahmen (z.B. durch das Tragen von Masken, durch die Anweisung, regelmäßig Hände zu waschen, etc) minimiert werden, muss daher der Mindestabstand von 1 m am Ort der beruflichen Tätigkeit nicht eingehalten werden. Daher dürfen und können auf Baustellen auch alle Arbeiten verrichtet werden, bei denen ein Mindestabstand von 1 m nicht eingehalten werden kann.

Das COVID-19-Maßnahmengesetz wurde am 21.03.2020 geändert (BGBl I 16/2020) und gibt dem Gesundheitsminister nunmehr die Möglichkeit, Betretungsverbote auch für Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu erlassen. Damit kann jetzt ganz allgemein für jede Arbeitsstätte, Baustelle und Auswärtige Arbeitsstelle ein Betretungsverbot verhängt werden. Damit ist nunmehr auch für die Bauwirtschaft ein Betretungsverbot möglich. Sollte eine solche Verordnung erlassen werden, muss die Situation neu beurteilt werden.

Auswirkungen auf die abgeschlossenen Werkverträge

Der Werkunternehmer hat gemäß § 1168 ABGB mangels anderer Vereinbarung nach der Sphärentheorie Anspruch auf Entschädigung für die eingetretenen Erschwernisse, wenn die Ausführung des Werks durch Umstände, die auf Seite des Auftraggebers liegen, gestört wird. Wird die Ausführung des Werks durch Umstände gestört, die der Sphäre des Werkunternehmers zuzuordnen sind, so hat dieser keinen Anspruch auf Mehrkosten oder Bauzeitverlängerung, sondern muss das Werk unverändert in der vereinbarten Bauzeit zum vereinbarten Preis erbringen. Da der Werkunternehmer einen Erfolg schuldet, werden ihm nach dem ABGB auch Umstände aus der "neutralen Sphäre", insbesondere Ereignisse höherer Gewalt, zugeordnet.

Der OGH hat im Jahre 2005 entschieden, dass das Auftreten der Infektionskrankheit SARS ein Fall von höherer Gewalt ist (OGH 4 Ob 103/05h). Wir können also durchaus davon ausgehen, dass es sich beim Auftreten des Coronavirus um einen Fall von höherer Gewalt handelt.

Daher gehen nach dem ABGB die sich aus den geltenden Regelungen ergebenden Erschwernisse zu Lasten des Werkunternehmers.

Er muss daher auf eigene Kosten durch entsprechende Schutzmaßnahmen dafür sorgen, dass das Infektionsrisiko minimiert wird und/oder der Mindestabstand von einem Meter eingehalten wird. Wenn dies möglich ist (und derzeit ist nicht zu ersehen, wieso dies nict möglich sein sollte), ist die davon konkret betroffene Leistungserbringung nicht nur nicht untersagt, sondern – wie auch sonst ohne virusbedingte Behinderungen – schlicht vertraglich verpflichtend. Die Leistungserbringung ist fortzusetzen. Es stehen dem Werkunternehmer auch keine Mehrkostenforderungen zu und er kann keine Bauzeitverlängerung verlangen.

Kann das Infektionsrisiko nicht durch entsprechende Schutzmaßnahmen minimiert werden und zusätzlich auch der Mindestabstand unter keinen Umständen sichergestellt werden, dann ist (bloß) die davon konkret betroffene Leistungserbringung untersagt. Die übrige Leistungserbringung ist fortzusetzen.

Das Risiko (die "Gefahr") und daraus resultierenden monetären und bauzeitlichen Auswirkungen trägt im Fall eines ABGB-Bauvertrags – ohne sonstige Regelungen über die Gefahrtragung – somit der Werkunternehmer.

Wenn die Werkvertrags-ÖNORMEN vereinbart sind, gilt Punkt 7.2.1 B2110, wonach der Sphäre des Auftraggebers Ereignisse zugeordnet werden, wenn diese (i) die vertragsgemäße Ausführung der Leistungen objektiv unmöglich machen, oder (ii) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und vom AN nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind. Da derzeit die vertragsgemäße Erbringung von Bauleistungen möglich ist (Einschränkungen bestehen nur im Zusammenhang, wie die Leistung zu erbringen ist, aber nicht betreffend die Leistung selbst), kommt nur Punkt (ii) in Frage. Die Coronakrise war wohl (bis auf Ausnahmefälle von erst nach dem Ausbruch abgeschlossener Bauverträge) bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbar. Es ist aber zusätzlich erforderlich, dass sie nicht in zumutbarer Weise abwendbar sind. Nun sind die Folgen der auf Grund der Coronakrise erlassenen Schutzvorschriften durchaus mit Schutzmaßnahmen (z.B. durch das Tragen von Masken, durch die Anweisung, regelmäßig Hände zu waschen, etc) und dort – wo dies in derzeit allerdings nicht vorstellbaren Fällen nicht möglich ist – mit organisatorischen Maßnahmen zur Einhaltung des Mindestabstands abwendbar. Hier kann durchaus argumentiert werden, dass dies zumutbar ist, und daher dieses Ereignis eben nicht dem Auftraggeber zugeordnet wird, sondern es bei der Risikoverteilung des ABGB bleibt. Diese Entscheidung wird man aber jeweils im Einzelfall abhängig von der Art der Baustelle und der für diese Baustelle erforderlichen Schutzmaßnahmen sich im Einzelfall genau überlegen müssen.

Die erlassenen und derzeit geltenden Verkehrsbeschränkungen und Maßnahmen entbinden daher grundsätzlich weder die Auftraggeber noch die Werkunternehmer von ihren vertraglich übernommen Pflichten. Ob der Werkunternehmer ein Recht auf Mehrkosten und Bauzeitverlängerung hat, hängt davon ab, ob im Einzelfall eine vom ABGB abweichende Regelung zur Tragung des Risikos der neutralen Sphäre Vereinbarung besteht.

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Peter
Madl

Counsel

austria vienna

co-authors