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08 July 2025
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Begutachtungsentwurf des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG)

Executive Summary


Die österreichische Bundesregierung hat den (überarbeiteten) Begutachtungsentwurf für das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) vorgelegt. Fairness bei Strompreisen, Ausbau und Stabilität der Netze und das weitere Vorantreiben der Energiewende durch den Ausbau erneuerbarer Energien sind wesentliche Zielsetzungen des ElWG. Im Zent-rum stehen dabei die Einführung des "Energy Sharing" als flexible Ergänzung zu Ener-giegemeinschaften und die gesetzliche Verankerung neuer Marktrollen wie des "aktiven Kunden", wodurch Endverbraucher umfassend Rechte und Pflichten im Bereich Ei-genversorgung und gemeinsamer Nutzung von Strom erhalten. Zudem wird der Peer-to-Peer-Handel ("P2P") zwischen Endkunden rechtlich abgesichert.


Besonders relevant sind darüber hinaus die neuen regulatorischen Rahmenbedingungen für bestehende und künftige Energiegemeinschaften, die neuen Vorgaben zur Absiche-rung wirtschaftlicher Risiken von Lieferanten, die verschärften Strafbestimmungen (ua Einführung einer Unternehmensstrafbarkeit bei REMIT-Verstößen) und die spezifischen Netzentgeltregelungen. Damit schafft das ElWG einen modernen regulatorischen Rah-men, der dezentrale, gemeinschaftliche und erneuerbare Energieprojekte stärkt, aber zugleich aufgrund weitreichender behördlicher Ermessensspielräume verfassungsrechtli-che Fragen aufwirft.

 

1           Einleitung

 

Am vergangenen Freitag, den 04.07.2025, hat die österreichische Bundesregierung den überarbeiteten Entwurf des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes ("ElWG") in eine vierwöchige Begutachtung geschickt. Beim ElWG handelt es sich um die umfassendste Reform des Strommarkts seit zwei Jahrzehnten. Ziel des Gesetzes soll es sein, langfristig für mehr Fairness bei den Strompreisen zu sorgen und die Netze durch moderne Vorgaben für Einspeisung und Verbrauch stabiler zu machen. Zudem soll das ElWG den Ausbau erneuerbarer Energien erleichtern und so die Energiewende beschleunigen, während es gleichzeitig mehr Planungssicherheit für Investitionen schaffen soll. Das ElWG soll das aktuell geltende Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 ("ElWOG") ablösen.

Im Folgenden werden ausgewählte Kernaspekte des ElWG näher beleuchtet. Konkret werden vorgesehene Änderungen hinsichtlich Energiegemeinschaften ("EG"), Energy Sharing, Marktrollen, Abrechnungspunkte, Risikomanagement der Lieferanten, Netzentgeltregelungen (für Energiespeicher) und Verwaltungsstrafverfahren unter die Lupe genommen.

 

2           Abrechnungspunkte & Risikomanagement der Lieferanten

 

2.1       Abrechnungspunkte und EAG-Marktprämienförderung

Im ElWG werden statt den in bisherigen Entwürfen vorgesehenen "virtuellen Zählpunkten" sog "Abrechnungspunkte" eingeführt.

Netzbenutzer haben künftig das Recht auf einen zusätzlichen Zählpunkt ("Abrechnungspunkt") zur Erfassung der in den Betriebsmitteln ihrer Anlage (das sind Stromerzeugungsanlagen bzw ‑einheiten, Energiespeicheranlagen und Verbrauchsanlagen bzw -einheiten) erzeugten und verbrauchten Energiemengen. Netzbenutzer dürfen für Abrechnungspunkte separate Stromlieferverträge abschließen. Zählpunkte, denen aus dem Netz entnommene bzw eingespeiste Energiewerte zuzuordnen sind, müssen Bilanzgruppen zugeordnet sein.

§ 6 Abs 1 Z 2a ElWG definiert den Abrechnungspunkt als einen Zählpunkt, der Energiewerte von Betriebsmitteln in der Anlage eines Netzbenutzers messtechnisch oder rechnerisch erfasst, Abrechnungszwecken sowie der Marktkommunikation dient und durch eine Zählpunktnummer eindeutig einem Netzbenutzer und einer Bilanzgruppe zuordenbar ist.

Abrechnungspunkte unterscheiden sich von Zählpunkten iSv § 6 Abs 1 Z 174 ElWG dahingehend, dass Zählpunkte als "Einspeise- bzw Entnahmestelle" bezeichnet werden, Abrechnungspunkte hingegen nicht. UE kann es sich bei Abrechnungspunkten dennoch um Einspeise- bzw Entnahmestellen handeln. Dafür spricht, dass Abrechnungspunkte Energiewerte messtechnisch erfassen und am Bilanzgruppensystem teilnehmen. Mit dem Bilanzgruppensystem soll sichergestellt werden, dass die Einspeisung elektrischer Energie in das Netz der Entnahme aus dem Netz entspricht. Daher kann argumentiert werden, dass auch Abrechnungspunkte eine Einspeise- bzw Entnahmestelle bilden, wenn sie einer Bilanzgruppe zugeordnet sind.

EAG-Marktprämien werden als Zuschuss für (i) vermarkteten, (ii) tatsächlich in das öffentliche Netz eingespeisten und (iii) mit Herkunftsnachweisen versehenen Strom aus erneuerbaren Quellen gewährt. Fraglich ist, ob Abrechnungspunkte diese Anforderungen erfüllen. Dafür spricht, dass Abrechnungspunkte Erzeugungswerte messtechnisch erfassen, über eine eigene Zählpunktnummer verfügen und an Bilanzgruppen teilnehmen können. Sie ermöglichen daher eine eigenständige Vermarktung sowie Messung der in das öffentliche Netz eingespeisten Strommengen. UE können an das öffentliche Netz angeschlossene Anlagen mit eigenem Abrechnungspunkt in der Herkunftsnachweisdatenbank registriert werden, weil sämtliche für die Registrierung erforderlichen Angaben (ua zur Zählpunktnummer) gemacht werden können. Vor diesem Hintergrund scheint eine Teilnahme an Ausschreibungen im Rahmen des EAG bzw der Abschluss gesonderter Förderverträge mit Abrechnungspunkten zulässig.

Da EAG-Marktprämien nur für den in das öffentliche Netz eingespeisten Strom ausgezahlt werden, ist fraglich, ob auch für "hinter" einem Zählpunkt liegende Abrechnungspunkte Marktprämien gewährt werden. Im Hinblick auf Hybridparks könnte argumentiert werden, dass es zu Abweichungen zwischen den Zählwerten, den mit einer privaten Netzanschlussanlage verbundenen Abrechnungspunkten und den mit dem öffentlichen Netz verbundenen Zählpunkten kommen kann, weil innerhalb der Anschlussanlage eines Erzeugungsparks Netzverluste, Eigenverbrauch der Erzeugungsanlagen sowie Messabweichungen auftreten können. Diese Problematik wird uE über das zwischen Netzbenutzern und Netzbetreibern zu vereinbarende Messkonzept gem § 103 ElWG aufgelöst. Nach dieser Bestimmung sind Abrechnungspunkte konkreten Anlagenteilen zuzuordnen und Methoden zur Zuweisung von Energie innerhalb der Anlage festzulegen. Dadurch wird bspw eine korrekte Zuordnung von Herkunftsnachweisen zu einzelnen Betriebsmitteln einer Anlage ermöglicht. Die Regulierungsbehörde hat zudem Vorgaben für Messkonzepte festzulegen, mit denen sichergestellt wird, dass die Bilanz aller Zählwerte in jedem Abrechnungsintervall dem Austausch mit dem öffentlichen Netz (Einspeisung oder Entnahme) entspricht. Im Hinblick auf Abrechnungspunkte soll gewährleistet werden, dass jede aus dem Netz bezogene und eingespeiste Energie eindeutig zuordenbar ist und Doppelverrechnungen ausgeschlossen sind.

Zusammengefasst ist davon auszugehen, dass der Abschluss gesonderter Förderverträge bzw ein Bezug von EAG-Marktprämien mit Abrechnungspunkten zulässig ist.

 

2.2       Risikomanagement der Lieferanten

Lieferanten, die Endkunden beliefern, sind künftig zur Ausarbeitung und Umsetzung von Absicherungsstrategien gegen wirtschaftliche Risiken durch Großhandelsmarktveränderungen verpflichtet. Regelungszweck ist eine Absicherung des Stromportfolios der Lieferanten, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit ihrer Kundenverträge und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Gleichzeitig sollen die von den Kurzfristmärkten ausgehenden Preissignale aufrechterhalten werden. Die Bestimmung dient der Umsetzung von Art 18 EBM-RL. Die Absicherungsstrategien können Instrumente wie Termingeschäfte oder PPAs umfassen.

Lieferanten haben ihre Absicherungsstrategien der Regulierungsbehörde zu übermitteln. Sie sind verpflichtet, ihre Lieferverpflichtungen und Preiszusagen sowie die korrespondierende Energiebeschaffung auf Großhandelsebene, jeweils getrennt nach angebotenen Produkten, darzulegen. Darüber hinaus müssen sie eine Liquiditätsvorschau vorlegen, die die wirtschaftliche Tragfähigkeit ihrer Geschäftsmodelle zur Belieferung von Endkunden belegt.

Zur Überwachung und Prüfung der Absicherungsstrategien kann die Regulierungsbehörde Stresstests durchführen und sie wird ermächtigt, Anpassungen der Absicherungsstrategien mit Bescheid vorzuschreiben, wenn diese nicht geeignet sind, das Risiko von Auswirkungen allfälliger Änderungen des Stromangebots auf Großhandelsebene abzufedern. Werden die Absicherungsstrategien nicht binnen einer bestimmten Frist angepasst, hat die Regulierungsbehörde die Firmennamen betroffener Lieferanten zu veröffentlichen (naming and shaming).

Fraglich ist, ob die gesetzlichen Vorgaben zur Absicherungsstrategie, die den Maßstab einer regulierungsbehördlichen Überprüfung bilden, dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG entsprechen. Grds sind Regelungen, die das Verwaltungshandeln nicht hinreichend genau bestimmen, sondern diesen einen zu großen Spielraum belassen, verfassungswidrig. Der Gesetzgeber muss bestimmen, nach welchen Kriterien regulierungsbehördliches Ermessen auszuüben ist, um den Anforderungen des Art 18 B-VG zu entsprechen. Da § 43a ElWG keine Vorgaben hinsichtlich konkreter Absicherungsstrategien bzw -instrumente trifft und sich in Abs 1 Z 1 leg cit auf allgemeine Ziele beschränkt, zu deren Erreichung eine Vielzahl an Handlungsoptionen offenstehen, ist der Regulierungsbehörde bei der Überprüfung von Absicherungsstrategien ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Im Hinblick auf mögliche Absicherungsinstrumente wird dieser Ermessensspielraum lediglich durch die in Art 18a der EBM-RL demonstrativ aufgezählten Instrumente wie Termingeschäfte oder PPAs eingeschränkt.

Der weitgehende Ermessenspielraum der Regulierungsbehörde wirft auch Bedenken im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz betroffener Lieferanten auf, weil auch den Rechtsschutzinstanzen gesetzliche Maßstäbe zur Geeignetheit von Absicherungsstrategien in Bezug auf wirtschaftliche Risiken durch Großhandelsmarktveränderungen fehlen.

Fraglich ist, warum das ElWG Mechanismen zur Anpassung von Absicherungsstrategien und zur Veröffentlichung von Firmennamen vorsieht, obwohl diese Regelungen über die Anforderungen des Unionsrechts hinausgehen. Im (unverbindlichen) ErwGr 18 der Richtlinie (EU) 2024/1711 wird festgehalten, dass das Vorhandensein geeigneter Absicherungsstrategien durch allgemeine Vorschriften gewährleistet werden kann, die überwacht werden, ohne dass eine spezifische Überprüfung der Strategien einzelner Versorger (Lieferanten) vorgenommen wird. Stresstests und Berichterstattungsanforderungen könnten laut Erwägungsgrund Instrumente zur Beurteilung der Absicherungsstrategien sein.

Zusammengefasst wirft die Ermächtigung zur Vorschreibung von Anpassungen der Absicherungsstrategien verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art 18 B-VG auf, weil unklar ist, unter welchen Voraussetzungen solche Strategien zur Absicherung von Stromportfolios geeignet sind.

 

3           Energy Sharing & Neue Marktrollen

 

Mit dem ElWG soll die Möglichkeit für Endkunden eingeführt werden, auf vertraglicher Basis oder über Gründung einer Rechtsperson selbst erzeugte erneuerbare Energie mit anderen Endkunden zu teilen (gemeinsame Energienutzung – "Energy Sharing").

Damit entsteht eine Alternative zur Erneuerbare-Energien-Gemeinschaft ("EEG"), die die Erzeugung und den Verkauf von Energie durch lokale Erzeuger ermöglicht und so die dezentrale Energieerzeugung stärkt. Die Erleichterung für die gemeinsame Energienutzung bestehe darin, dass es "nicht mehr der Gründung einer Energiegemeinschaft [bedürfe], um Energie gemeinsam nutzen bzw. teilen zu können." Zu diesem Zweck soll nunmehr das Konzept des Peer-to-Peer ("P2P") Handel implementiert werden.

Gemeinsame Energienutzung iSd § 6 Abs 1 Z 54 ElWG ist der Verbrauch, die Speicherung und der Verkauf von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen. Dabei müssen sich die Stromerzeugungsanlagen entweder in einem gesetzlich näher determinierten Nahebereich oder innerhalb der Gebotszone befinden. Zudem muss die verbrauchte oder gespeicherte Energie durch aktive Kunden, Organisatoren oder unabhängige Erzeuger im Rahmen einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage, einer EG, einer juristischen Person oder eines P2P-Vertrags ausgetauscht werden.

 

3.1       P2P-Vertrag

Die Definition für P2P-Handel der Erneuerbare Energien Richtlinie (RL [EU] 2018/2001 idgF; "EE-RL") wurde im ElWG iW übernommen. Demnach ist ein "P2P‑Vertrag" im Bereich erneuerbare Energie der "Verkauf oder die Schenkung von erneuerbarer Elektrizität zwischen Marktteilnehmern auf Grundlage eines Vertrags mit vorab festgelegten Bedingungen für die automatische Abwicklung und Abrechnung der Transaktion, die entweder direkt zwischen den Beteiligten oder auf indirektem Weg über einen dritten Marktteilnehmer, beispielsweise einen Aggregator, erfolgt." Abweichend von der RL-Definition sind auch Schenkungsverträge über erneuerbare Elektrizität mitumfasst (im Vertrag kann als Preis "null" vereinbart werden; sofern Personenidentität beim aktiven Kunden besteht, bedarf es keines Vertrags).

Es handelt sich insofern um eine besondere Form des Energiehandels zwischen Gleichgestellten ("Peers"), die ohne (professionelle) Zwischenhändler, wie bspw Energieversorgungsunternehmen, erfolgen kann.

Aus der Legaldefinition für P2P-Handel in der EE-RL und im ElWG geht nicht hervor, dass die Beteiligten die Tätigkeit nicht gewerblich ausüben dürften. Aus der Begriffsdefinition des aktiven Kunden ergibt sich lediglich, dass es sich nicht um die gewerbliche oder berufliche Haupttätigkeit handeln darf. Darüber hinaus wird festgelegt, dass der Energiehandel (i) zwischen Marktteilnehmern, (ii) auf Grundlage eines Vertrags mit vorab festgelegten Bedingungen zwecks automatischer Abwicklung und Abrechnung der Transaktion, der (iii) auch direkt zwischen den Beteiligten (oder mittelbar über dritte Marktteilnehmer) geschlossen werden kann, zu erfolgen habe.

P2P-Verträge sind nach dem ElWG "Verträge über die gemeinsame Energienutzung", die insb die Abwicklung und Abrechnung zu regeln haben. Es ist vorgesehen, dass jeder aktive Kunde berechtigt ist, zusätzlich zu seinem bestehenden Liefervertrag, an einer gemeinsamen Energienutzung mit Stromerzeugungsanlagen mit einer Maximalkapazität von bis zu 6 MW teilzunehmen, der Bezug von aktiven Kunden ist jedoch unbeschränkt möglich (Vertrag über die gemeinsame Energienutzung). Die gemeinsame Energienutzung kann nach dieser Bestimmung zwischen teilnehmenden Netzbenutzern, die Mitglieder oder Gesellschafter derselben juristischen Person sind, oder zwischen Vertragspartnern stattfinden. Klarstellend wird angeführt, dass auch aktive Kunden, die "große Unternehmen" sind, "im Nahebereich" angesiedelt sein müssen, um gemeinsam Energie nutzen zu dürfen.

Gemeinsame Energienutzung im Nahebereich liegt vor, wenn die Verbrauchsanlagen der teilnehmenden Netzbenutzer mit den Stromerzeugungsanlagen ausschließlich (i) über gemeinschaftliche Leitungsanlagen (Hauptleitungen), (ii) über gemeinschaftliche Leitungsanlagen (Hauptleitungen) mit Ausnahme der Durchleitung durch die Sammelschienen (Standortbereich), (iii) über ein Niederspannungs-Verteilernetz und den Niederspannungsteil der Transformatorstation (Lokalbereich), oder (iv) über das Mittelspannungsnetz und alle ohne Umspannung miteinander verschaltbaren Mittelspannungs‑Sammelschienen im Umspannwerk (Regionalbereich) verbunden sind.

 

3.2       Neue Marktrollen

Mit dem ElWG werden verschiedene neue Marktrollen eingeführt. Diesen kommt insb iZm der gemeinschaftlichen Energieerzeugung Bedeutung zu.

Die Legaldefinition des aktiven Kunden ist äußerst sperrig. Etwas vereinfachend zusammengefasst, ist ein aktiver Kunde iSd § 6 Abs 1 Z 6 ElWG ein Endkunde oder eine Gruppe gemeinsam handelnder Endkunden, der/die Elektrizität verbrauchen, speichern oder verkaufen. Die bereits aufgrund ihrer Definition determinierten Tätigkeitsfelder aktiver Kunden werden von ihrer materiell-rechtlichen Regelung als deren Rechte bezeichnet (§ 60 Abs 1 ElWG).

Mit der Einführung dieser neuen Marktrolle soll eine Lücke geschlossen werden: Zwar war die Eigenversorgung mit elektrischer Energie durch Endkunden bisher möglich, allerdings war diese nicht gesetzlich geregelt. Mit der nunmehrigen Regelung soll klargestellt werden, welche Rechte mit der Rolle als aktiver Kunde einhergehen.

Weiters wird klargestellt, dass Haushaltskunden, die mit Stromerzeugungsanlagen mit einer Maximalkapazität von bis zu 30 kW, und alle sonstigen aktiven Kunden, die mit Stromerzeugungsanlagen mit einer Maximalkapazität von bis zu 100 kW an der gemeinsamen Energienutzung teilnehmen, weder Lieferanten noch Stromhändler sind. Aktive Kunden, die diese Schwellenwerte überschreiten, haben bestimmten Lieferantenpflichten nachzukommen, wenn kein Organisator bestellt wurde, der diese Verpflichtungen übernimmt.

Aktive Kunden können einen Organisator bestellen, dem zB die Kommunikation mit anderen Marktteilnehmern, die Abwicklung der Abrechnung, sowie die Installation und der Betrieb, einschließlich der Wartung der Anlagen übertragen werden können. Organisatoren sind den betroffenen Netzbetreibern anzuzeigen. Hinsichtlich der Strommengen, die innerhalb der gemeinsamen Energienutzung ausgetauscht werden, hat der Organisator nur die Verpflichtungen eines Lieferanten, mit Ausnahme bestimmter Vorgaben zu den Allgemeinen Lieferbedingungen und der Änderung derselben, Ratenzahlungen für Haushaltskunden und Kleistunternehmen im Fall von Nachzahlungen, sowie hinsichtlich Rechnungen und Rechnungsinformation. Sofern der Organisator mit einer Stromerzeugungsanlage an der gemeinsamen Energienutzung teilnimmt, muss er außerdem die Verpflichtungen eines Lieferanten über das Recht auf Wechsel des Lieferanten und des Aggregators sowie die dazugehörigen Verfahrensbestimmungen übernehmen.

Der Organisator, dessen Anlagen im Nahebereich angesiedelt sind, darf mit Energiespeicheranlagen und Stromerzeugungsanlagen mit einer Maximalkapazität von bis zu 6 MW an der gemeinsamen Energienutzung teilnehmen.

Im ElWG findet sich auch die Rolle der unabhängigen Erzeuger, die weder von einem Lieferanten oder Stromhändler kontrolliert werden noch Bestandteil eines vertikal integrierten Elektrizitätsunternehmens sind. Unabhängige Erzeuger haben wie aktive Kunden und Organisatoren die Möglichkeit, die verbrauchte oder gespeicherte Energie ua durch einen P2P‑Vertrag im Rahmen des Energy Sharing auszutauschen.

Als Neuerungen finden sich im ElWG auch die Rolle des Aggregators sowie das "Recht auf einen Aggregierungsvertrag". Ein Aggregator ist eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die im Bereich der Aggregierung tätig ist. Aggregierung meint dabei die Zusammenführung mehrerer Lasten von Kunden und/oder erzeugter Elektrizität, um diese gebündelt im Auftrag der Kunden und Erzeuger auf Elektrizitätsmärkten zu verkaufen oder zu kaufen.

Durch das Recht auf einen Aggregierungsvertrag sollen Endkunden die Möglichkeit erhalten, im Rahmen eines solchen Vertrags entgeltliche oder unentgeltliche Aggregierungsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Dies soll ihnen ermöglichen, die Vorteile, die mit der großräumigen Aggregierung der Erzeugung oder des Verbrauchs von Elektrizität verbunden sind, vollumfänglich nutzen. Dieser Baustein sei notwendig, um "in einem von volatilen Erzeugungstechnologien geprägten Energiesystem eine Flexibilisierung der Endverbraucher mit angemessener Vergütung der Bereitstellung von Flexibilitätsdienstleistungen zu ermöglichen." Mittelbar wird Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen durch Aggregatoren als Schnittstellen die Möglichkeit geboten, an Großhandelsmärkten teilzunehmen und durch Aggregierung zum Erhalt eines hohen Versorgungssicherheitsniveaus beizutragen.

 

4           Regulatorische Änderungen für Energiegemeinschaften – aktive Kunden und gemeinsame Energienutzung

 

Die zentrale neue Bestimmung iZm EG – dh, sowohl EEG als auch Bürgerenergiegemeinschaft (BEG) – ist § 61 ElWG, der den Titel "Gemeinsame Energienutzung" trägt. Eng verwoben mit § 61 ElWG ist § 60 ElWG, der erstmals ausdrücklich den unionsrechtlich bereits seit langem vorgesehenen sog "aktiven Kunden" nationalgesetzlich verankert.

Für EG sind die Regelungen zu aktiven Kunden und zur gemeinsamen Energienutzung von besonderer Relevanz. So gelten die Mitglieder oder Gesellschafter von EG gem § 60 Abs 2 ElWG als aktive Kunden, sofern sie entsprechend § 61 ElWG gemeinsam Energie nutzen.

 

4.1       Schwellenwerte: 30 kW, 100 kW, 6 MW

Die materiell-rechtliche Regelung zur Legaldefinition der gemeinsamen Energienutzung findet man im bereits erwähnten § 61 ElWG. Demnach ist jeder aktive Kunde – also auch jedes Mitglied/jeder Gesellschafter einer EG – berechtigt, zusätzlich zu seinem bestehenden Stromliefervertrag mit Stromerzeugungsanlagen mit einer Maximalkapazität von bis zu 6 MW an einer gemeinsamen Energienutzung teilzunehmen. Dieser Schwellenwert gilt für jeden aktiven Kunden und nicht für die gemeinsame Energienutzung insgesamt. Der Strombezug aktiver Kunden aus der gemeinsamen Energienutzung ist demgegenüber unbeschränkt möglich. Handelt es sich bei dem aktiven Kunden um ein Unternehmen, ist bei der Beurteilung der Einhaltung des Schwellenwerts auf einzelne Zählpunkte abzustellen.

Darüber hinaus sind gem § 61 Abs 6 ElWG hinsichtlich der gemeinsamen Energienutzung auch die beiden weiteren, bereits oben genannten Schwellenwerte zur Maximalkapazität der Stromerzeugungsanlagen zu beachten: 30 kW für Haushaltskunden und 100 kW für alle sonstigen aktiven Kunden. Werden diese Schwellenwerte überschritten, müssen die jeweiligen aktiven Kunden gewissen Lieferantenpflichten nachkommen, wofür sie jedoch auch einen Organisator bestellen können.

Wird hingegen der Schwellenwert von 6 MW überschritten, besteht kein Recht auf Teilnahme an der gemeinsamen Energienutzung mit dieser Stromerzeugungsanlage. Daraus folgt jedoch wohl die Pflicht zur (uneingeschränkten) Einhaltung der regulatorischen Vorgaben für die anderen Marktteilnehmer (insb des Lieferanten). Denn die im geltenden ElWOG vorgesehene Regelung, wonach das Zurverfügung-stellen von Energie innerhalb einer BEG oder EEG keine Lieferanteneigenschaft begründet (§ 7 Abs 1 Z 45 ElWOG), fehlt im ElWG.

 

4.2       Nahbereich – nun auch für Bürgerenergiegemeinschaften

Speziell BEG müssen neben den 30 kW, 100 kW und 6 MW Schwellenwerten für die Maximalkapazität der Stromerzeugungsanlagen ihrer Mitglieder zukünftig eine weitere regulatorische Schranke beachten: Ihre Mitglieder, die große Unternehmen sind, müssen (zumindest) im Regionalbereich angesiedelt sein, um gemeinsam Energie nutzen zu dürfen (§ 61 Abs 1 letzter Satz ElWG).

Damit kommt es zu einem Paradigmenwechsel im Recht der EG, weil nach geltendem Recht das zentrale Unterscheidungsmerkmal von BEG und EEG ist, das für BEG – im Gegensatz zu EEG – gerade keine geografische Limitierung vorgesehen ist.

Wird dieser Vorgabe nicht entsprochen, gilt wohl dasselbe wie auch im Fall des Überschreitens des 6 MW Schwellenwerts: Die Mitglieder einer BEG, zu der auch große Unternehmen gehören, laufen Gefahr, dass sie die Pflicht zur (uneingeschränkten) Einhaltung der regulatorischen Vorgaben für die anderen Marktteilnehmer (insb des Lieferanten) trifft.

 

4.3       Übergangsfrist

Hinsichtlich des soeben Dargelegten ist zu beachten, dass die aktuell geltenden Vorgaben für EG im ElWOG, anders als der Großteil der übrigen Regelungen des ElWOG, erst zu einem späteren Zeitpunkt außer Kraft treten dürften (vgl § 180 Abs 1 ElWG). Damit korrespondiert, dass das neue Regime für EG (insb die Regelungen zur gemeinsamen Energienutzung) zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten dürften (§ 180 Abs 3 ElWG). EG wird dadurch eine Frist zur Herstellung des elektrizitätsrechtlich rechtmäßigen Zustands eingeräumt.

 

5           Netzentgeltregelungen (für Energiespeicher)

 

Alle Netzbenutzer müssen für die Erbringung aller gesetzlich vorgesehenen Leistungen der Netzbetreibern, dem Regelzonenführer und dem Bilanzgruppenkoordinator ein Systemnutzungsentgelt entrichten (§ 119 Abs 1 ElWG).
Das ElWG definiert als "Netzbenutzer" jede natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die Elektrizität in ein Netz einspeist oder aus einem Netz entnimmt (§ 6 Abs 1 Z 105 ElWG).
Wenngleich Energiespeicheranlagen vom ElWG als eigenständige Marktteilnehmer definiert werden (vgl § 6 Abs 1 Z 36 ElWG), ordnet § 82 Abs 1 ElWG an, dass sie (soweit nichts anderes bestimmt wird), je nach Energieflussrichtung, als Entnehmer oder Einspeiser zu behandeln sind und den damit zusammenhängenden Rechten und Pflichten nach dem ElWG unterliegen (§ 82 Abs 1 ElWG).

 

1.1       Netzanschlussentgelt

Das Netzanschlussentgelt deckt die Kosten für die erstmalige Herstellung oder Änderung eines Netzanschlusses (§ 122 Abs 1 ElWG) und fasst das nach dem ElWOG zu entrichtende Netzzutrittsentgelt und Netzbereitstellungsentgelt zusammen. Es ist von Entnehmern und Einspeisern pro Netzanschluss einmalig zu entrichten (§ 122 Abs 4 ElWG).

Die Höhe des Netzanschlussentgelts kann durch Verordnung festgelegt werden (§ 122 Abs 5 ElWG). Solange keine Höhe verordnet wurde, gelten für Stromerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger (wobei dem ElWG nicht zu entnehmen ist, ob auch Energiespeicheranlagen als Stromerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger gelten) folgende Pauschalen (§ 122 Abs 6 ElWG):

·                   Netzwirksame Leistung: 0 bis 20 kW | Entgelt: EUR 10 pro kW

·                   Netzwirksame Leistung: 21 bis 250 kW | Entgelt: EUR 15 pro kW

·                   Netzwirksame Leistung: 251 bis 1.000 kW | Entgelt: EUR 35 pro kW

·                   Netzwirksame Leistung: 1.001 bis 20.000 kW | Entgelt: EUR 50 pro kW

·                   Netzwirksame Leistung: > 20.000 kW | Entgelt: EUR 70 pro kW

Die Regulierungsbehörde kann bei der Festlegung des Netzanschlussentgelts auch die anteiligen Kosten für den bereits erfolgten und den notwendigen Ausbau des Netzes berücksichtigen, der für den Anschluss erforderlich ist (§ 122 Abs 3 ElWG).

Sofern die Kosten für den Netzanschluss ganz oder teilweise vom Netzbenutzer selbst getragen werden, ist die Höhe des Netzanschlussentgelts entsprechend zu vermindern (§ 122 Abs 4 ElWG).

 

5.2       Beachtenswertes für Stromspeicheranlagen

Für Energiespeicheranlagen ab einer Mindestleistung von 1 MW gilt, dass sie für einen Zeitraum von 20 Jahren ab Inbetriebnahme hinsichtlich des Bezugs der zu speichernden elektrischen Energie vom Netznutzungsentgelt (§ 120 ElWG) und vom Netzverlustentgelt (§ 121 ElWG) freigestellt sind (§ 119 Abs 3 ElWG). Die Netznutzungsentgeltbefreiung gilt sohin nur bezugsseitig, nicht aber einspeiseseitig.

In den Erläuterungen zum ElWG wird dies damit begründet, dass Energiespeicheranlagen bei der Bereitstellung der für die Transformation des Energiesystems notwendigen Flexibilität eine entscheidende Rolle zukommt. Bei systemdienlichem Betrieb, zB in der Funktion von Stromspeicheranlagen als mögliches Bindeglied zwischen Erzeugern und Endverbrauchern und durch die Reduktion von Leistungsspitzen, würden sie Kosten im Netz reduzieren.

Hinsichtlich des Netznutzungsentgelts kann die Regulierungsbehörde durch Verordnung Mindestbezugswerte festlegen, die dazu dienen, den laufenden Aufwand für die Leistungsvorhaltung und die Wartung des Netzes durch den Netzbetreiber angemessen vergüten zu können, insb, wenn ein Entnehmer nur gelegentlich vom Netz Gebrauch macht (§ 120 Abs 3 Z 1 ElWG).

Grds sind alle Marktteilnehmer – daher auch Energiespeicheranlagen – an der Beschaffung von Flexibilitätsleistungen zu beteiligen (§ 131 Abs 2 ElWG). Die mit der marktgestützten Beschaffung von Flexibilitätsleistungen verbundenen, angemessenen Kosten (einschließlich der Ausgaben für die erforderlichen Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der Infrastrukturkosten) sind bei der Festsetzung der Systemnutzungsentgelte anzuerkennen, wobei allfällige Erlöse aus der Beschaffung der Entgeltbestimmung zugrunde zu legen sind (§ 131 Abs 4 ElWG).

 

6           Härtere Strafen und Einführung des Unternehmensstrafrecht im Bereich REMIT

 

Das ElWG enthält in Umsetzung von Unionsrecht, insb der Verordnung (EU) 1227/2011 über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelsmarktes ("REMIT"), auch neue – zum Teil strengere – Verwaltungsstrafbestimmungen. Die Änderungen betreffen vor allem die zuständige Behörde, die Höhe der Verwaltungsstrafen, die Strafbarkeit juristischer Personen und die Verjährung.

Für die Verhängung von Verwaltungsstrafen bei REMIT-Verstößen ist nicht mehr die Bezirksverwaltungsbehörde, sondern die Regulierungsbehörde E-Control zuständig (§ 168 Abs 5 ElWG). Für andere Verstöße gegen das ElWG sind jedoch weiterhin die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig (§ 168 Abs 4 ElWG). Weiters wurden die Verwaltungsstrafen spürbar erhöht. Bei Verstößen gegen REMIT (Marktmissbrauch) drohen Strafen von bis zu EUR 5 Mio (§ 173 ElWG). Zuvor lag die Höchststrafe bei EUR 150.000.

Eine weitere wichtige Änderung ist die Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen (§ 174 ElWG). Bisher konnten nur die vertretungsbefugten Personen einer juristischen Person – nicht aber die juristische Person selbst – für Verstöße bestraft werden. Gegen eine juristische Person kann eine Strafe verhängt werden, wenn eine Führungsperson gegen eine Verpflichtung des § 173 ElWG verstoßen hat oder wenn die mangelnde Kontrolle einer Führungsperson die Begehung durch einen anderen Mitarbeiter ermöglicht hat. Die Geldstrafe für juristische Personen beträgt bis zu 15% des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes (§ 174 Abs 3 ElWG). Darüber hinaus wird die Verfolgungsverjährungsfrist auf drei Jahre und die Strafbarkeitsverfolgungsfrist auf fünf Jahre angehoben (§ 175 Abs 2 ElWG).