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Das Coronavirus stellt Unternehmen vor große Herausforderungen unterschiedlicher Art. Der eingeschränkte Betrieb, Stornierungen und das Ausbleiben von Kunden können auch bei sonst gesunden Unternehmen zu Liquiditätsproblemen führen und im Extremfall die Pflicht auslösen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Zwar hat der Staat Hilfsmaßnahmen angekündigt, die Frage ist aber, wie rasch diese Maßnahmen kommen, wie schnell sie greifen und ob sie ausreichend sind.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit der Frage, ob und inwieweit die Insolvenzantragspflicht in Ausnahmesituationen wie dem Coronavirus verlängert wird.
Update 24.03.2020: Zwischenzeitlich wurde gesetzlich klargestellt (2. COVID-19-Gesetz, BGBl Nr I 2020/16, in Kraft seit 22.03.), dass auch Epidemien und Pandemien unter den Begriff der "Naturkatastrophe" in § 69 Abs 2a IO fallen.
Liegen die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens – Zahlungsunfähigkeit und bei Kapitalgesellschaften auch die insolvenzrechtliche Überschuldung – vor, besteht gemäß § 69 Abs 2 der österreichischen Insolvenzordnung (IO) die Pflicht, ohne schuldhaftes Zögern, jedenfalls aber innerhalb von 60 Tagen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Von einem sofortigen Insolvenzantrag darf nur abgesehen werden, wenn ernsthaft Sanierungsbemühungen erfolgen, die Chancen auf Erfolg haben. Eine verspätete Antragstellung führt zu substantiellen persönlichen Haftungsrisiken für die Geschäftsführung bzw den Vorstand des Unternehmens.
Wie wirkt sich nun die durch den Coronavirus ausgelöste Pandemie auf die Insolvenzantragspflicht ist? Die schlechte Nachricht ist, dass sich dem Grunde nach an der Insolvenzantragspflicht nichts ändert. Die gute Nachricht ist, dass das Insolvenzrecht einer durch Ausnahmesituationen ausgelösten Insolvenz insoweit Rechnung trägt, als bei "Naturkatastrophen" – genannt werden im Gesetz "Hochwasser, Lawine, Schneedruck, Erdrutsch, Bergsturz, Orkan, Erdbeben oder ähnliche Katastrophen vergleichbarer Tragweite" – die 60-tägige Frist auf 120 Tage verdoppelt wird (§ 69 Abs 2a IO).
Durch Krankheiten geschaffene Ausnahmesituationen wie die nunmehrige Coronavirus-Pandemie sind in der exemplarischen Aufzählung des § 69 Abs 2a IO nicht genannt. Tatsächlich ermöglicht aber wohl schon der Wortlaut des Auffangtatbestands "ähnliche Katastrophe vergleichbarer Tragweite" eine Anwendung der 120-tägigen Frist auf durch Krankheiten geschaffene Ausnahmesituationen wie dem Coronavirus. Ausweislich der Materialien geht die Bestimmung auf die Formulierung in Art II Finanzausgleichsgesetz 1959 zurück. Angesprochen waren dort nicht Naturkatastrophen (samt beispielhafter Aufzählung) als solche, sondern Katastrophenschäden (samt den gleichen Beispielen wie heute in § 69 Abs 2a IO). Unterstellt man vor diesem Hintergrund einen üblichen Sprachgebrauch, spricht uE viel dafür, durch die nunmehrige Coronavirus-Pandemie geschaffene Ausnahmesituationen unter den Auffangtatbestand zu subsumieren. Zumindest verlangt aber der Zweck der Fristverlängerung – die Vermeidung nicht notwendiger, durch absolute Ausnahmesituationen verursachter Insolvenzen – die (allenfalls analoge) Anwendung der Bestimmung auf derartige durch Krankheiten geschaffene Ausnahmesituationen.
Alleine das Vorliegen einer durch die Coronavirus-Pandemie geschaffenen Ausnahmesituation genügt für die Verlängerung der Maximalfrist allerdings nicht. Stets ist Voraussetzung, dass die Insolvenz (also die Zahlungsunfähigkeit oder insolvenzrechtliche Überschuldung) durch die Ausnahmesituation eingetreten ist. Umgekehrt muss sie allerdings nicht alleinige Ursache der Insolvenz sein; ausreichend soll nach hM vielmehr sein, dass die Ausnahmesituation die Insolvenz mitverursacht hat. Die Testfrage lautet somit: Wäre Insolvenz auch dann eingetreten, wenn die Ausnahmesituation nicht eingetreten wäre? Bejaht man diese, fehlt es an einem Konnex zwischen Ausnahmesituation und Insolvenz. In diesen Fällen bleibt es bei der 60-tägigen Maximalfrist. Wurde die Zahlungsunfähigkeit oder insolvenzrechtliche Überschuldung hingegen durch die Pandemie bzw die zur Eindämmung getroffenen Maßnahmen ausgelöst, verlängert sich aus insolvenzrechtlicher Sicht die Zeit, die schwierige wirtschaftliche Situation in den Griff zu bekommen, auf 120 Tage. Das Haftungsrisiko für Geschäftsführung bzw Vorstand bringt es aber mit sich, in dieser Frist das Unternehmen anders zu gestionieren und etwa nur noch absolut betriebsnotwendige Zahlungen zu leisten. In dieser Phase ist daher besondere Vorsicht geboten.
Wir ersuchen Sie zu beachten, dass es sich bei dieser Information um keine abschließende Darstellung handelt und diese ein Studium der einschlägigen Vorschriften und Anordnungen nicht ersetzen kann. Manche der dargestellten Aspekte können kurzfristigen Änderungen unterworfen sein können. Wir laden Sie daher ein, unseren Informationsbereich wiederkehrend zu besuchen.
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authors: Wolfgang Höller, Clemens Stegner