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Am 12.01.2024 ist der Entwurf des neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG-Entwurf) in Begutachtung gegangen. Das ElWG wird das in die Jahre gekommene ElWOG 2010 ersetzen. Das ElWG ist eine "kleine" Revolution, weil es ua bestehende Marktrollen wie jene des Stromlieferanten neu definiert und bislang nur faktisch existierende Marktteilnehmer (zB Aggregatoren) gesetzlich reguliert. Der Strommarkt wird dadurch und durch viele andere im ElWG vorgesehenen Änderungen neu strukturiert. Eine große Chance, aber auch Herausforderung für alle Marktteilnehmer.
Die voraussichtlichen Gewinner: Industrie- und Gewerbebetriebe und alle sonstigen neuen Marktteilnehmer, die mit dezentralen Erzeugungsanlagen wie Wind- und PV-Anlagen sowie innovativen Businessmodellen wie Aggregationskonzepten an der Energiewende aktiv und – idealerweise auch gewinnbringend – teilnehmen wollen. Mit "härteren" Zeiten haben hingegen REMIT-Adressaten zu rechnen: Die Strafen für Verstöße werden empfindlich erhöht und es kommt im ElWG erstmals zu Strafbarkeit von Unternehmen im Bereich des Marktmissbrauchs.
Mit dem ElWG wird ua die RL (EU) 2019/944 (StrombinnenmarktRL 2019) umgesetzt. Das ElWG geht mit einer Vielzahl von Änderungen einher, ua
Der Begriff des Versorgers, unter den nach der bestehenden Rechtslage (ElWOG 2010) jede Person fällt, die Elektrizität verkauft, findet sich im ElWG-Entwurf nicht mehr. Damit scheidet die Marktrolle des Versorgers aus dem Elektrizitätsrecht aus. Das ist grundsätzlich erfreulich, zumal gerade jene Unternehmen, die keine etablierten Stromversorger sind (wie zB Industrie- und Gewerbebetriebe), idR kein Interesse daran haben, zu einem Stromversorgungsunternehmen zu werden. Nach der geltenden Rechtslage ist die Qualifikation als Stromversorgungsunternehmen auch bei Eigenversorgungskonzepten fast unvermeidbar, obwohl hier der VwGH mit seiner Entscheidung zu E-Ladestationen insoweit eine gewisse Entspannung brachte, als aus dieser Entscheidung der Grundsatz abgeleitet wurde, dass der Stromverkauf "hinter dem Zählpunkt" (zB im Rahmen von gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen gem § 16a ElWOG 2010) nicht als "Versorgung" gilt.
Der Begriff des Lieferanten wird im ElWG vollkommen neu definiert und diese Definition bringt weitreichende Änderungen mit sich: Bislang war, von einzelnen Ausnahmen betreffend gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen und Energiegemeinschaften abgesehen, Lieferant jede Person, die Elektrizität einem Dritten zur Verfügung stellt. Damit wird nach derzeitiger Rechtslage praktisch jede Person zum Stromlieferanten, wenn er Strom Dritten – zB im Wege des Verkaufs von Überschussstroms – zur Verfügung gestellt hat. Zwar schien auch hier das VwGH-Erkenntnis zu E-Ladestationen eine Klarstellung und Erleichterung dahingehend gebracht zu haben, dass Lieferungen außerhalb des öffentlichen Netzes nach Ansicht des VwGH keine Lieferantenstellung begründen. Dennoch war und ist die Begründung der Lieferantenrolle in der Praxis bei vielen dezentralen Stromerzeugungsprojekten ein "Show-Stopper". So scheiterte ein Peer-to-Peer-Handel zwischen Marktteilnehmern von vornherein an der unvermeidbaren Begründung der Lieferantenrolle. Nach dem ElWG-Entwurf ist der Lieferant nunmehr eine Person, die Elektrizität verkauft, wobei nunmehr nicht nur der Verkauf über gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen und Energiegemeinschaften, sondern auch der Verkauf Peer-to-Peer und der Verkauf über Direktleitungen vom Lieferantenbegriff ausdrücklich ausgenommen werden. Damit sollte es insb für Industrie und Gewerbe, aber auch für Immobilienentwickler und Private leichter werden, Eigenversorgungskonzepte in Kombination mit dem Verkauf von Überschussstrom umzusetzen.
Das ElWG begründet den Rechtsrahmen für den Peer-to-Peer-Handel. Unter Peer-to-Peer ist der Verkauf von erneuerbarer Elektrizität auf Grundlage eines Vertrags mit vorab festgelegten Bedingungen für die automatische Abwicklung und Abrechnung der Transaktion zu verstehen (Stichwort: Blockchain). Durch den Peer-to-Peer Handel wird es künftig möglich sein, nicht selbst verbrauchte Elektrizität am Strommarkt gewinnbringend zu verkaufen, ohne dadurch zum Lieferanten werden. Denkbar sind zB langfristige Abnahmeverträge für Überschussstrom, der zB von einer größeren PV-Freiflächenanlage eines Gewerbebetriebs erzeugt wird. Zu beachten ist, dass der Peer-to-Peer-Handel ausschließlich für Eigenversorger zugelassen wird.
Der mit dem ElWG-Entwurf ebenfalls neu eingeführt Aggregator, das ist eine Person, die Erzeugungs- und/oder Verbrauchskapazitäten zusammenführt, um sie gebündelt im Auftrag von Endkunden und Stromerzeuger zu kaufen oder zu verkaufen, könnte insb für den Peer-to-Peer-Handel eine wesentliche Rolle spielen.
Das ElWG enthält noch weitere wichtige neue Definitionen und Marktrollen: Der Eigenversorger, der hinter dem Zählpunkt erneuerbare Elektrizität zur Eigenversorgung erzeugt und nicht eigens verbrauchten Strom an Dritte sowohl in als auch außerhalb des öffentlichen Netzes verkaufen darf. Und die neu definierte Tätigkeit des Stromhandels, der im Gegensatz zur geltenden Rechtlage nicht schon beim (bloßen) Verkauf von Elektrizität in Gewinnabsicht, sondern künftig erst dann vorliegt, wenn Elektrizität zum (ausschließlichen) Zweck des Wiederverkaufs gekauft wird. Die neue Definition entspricht dem allgemeinen Begriffsverständnis offenkundig besser. "Kleinere" Marktteilnehmer, die sich mit ihren dezentralen Erzeugungsanlagen primär selbst versorgen, werden daher künftig keine Sorge mehr haben, durch den (gewinnorientierten) Verkauf von Überschussstrom zum Stromhändler zu werden.
Direktleitungsprojekte, bei denen eine Erzeugungsanlage direkt mit einem Stromabnehmer verbunden wird und eine Nutzung des öffentlichen Netzes nicht erforderlich ist, scheiterten in der Praxis oftmals an den vom VwGH entwickelten (technischen) Kriterien, die erfüllt sein müssen, um eine Leitung als eine – von der Regulierung weitgehend ausgenommene – Direktleitung zu qualifizieren. So darf es bislang keine Verbindung zwischen Direktleitung und öffentlichem Netz geben, weil andernfalls Strom aus dem öffentlichen Netz über die Direktleitung oder umgekehrt von der Erzeugungsanlage produzierter Strom aus der Direktleitung ins öffentliche Netz gelangen könnte, was nach der Rsp des VwGH unzulässig ist. Der ElWG-Entwurf sieht nunmehr eine Erleichterung von Direktleitungen dahingehend vor, dass für den Eigenbedarf der Erzeugungsanlage Strom aus dem Verteilernetz bezogen werden darf. Zudem darf von der Stromerzeugungsanlage Strom über die Direktleitung an den Abnehmer bzw die Verbrauchsanlage transportiert und von dort aus nicht verbrauchter Strom (Überschussstrom) in das öffentliche Netz eingespeist werden. Zur Umsetzung dieses neuen Direktleitungskonzepts muss ein Zählpunkt je Energierichtung vergeben werden, wobei dieser dem Betreiber der Erzeugungsanlage zugeordnet werden kann. Das bedeutet, dass der Betreiber der Erzeugungsanlage den Überschussstrom durch Abschluss entsprechender Abnahmeverträge selbst vermarkten und dafür den Netzanschluss und Netzzugang des Vertragspartners (PPA-Partner) verwenden kann. Letzteres ist nach geltender Rechtslage unzulässig, wird aber nunmehr durch das ElWG legitimiert werden.
Die Allgemeinen Netzbedingungen für Verteilernetzbetreiber (ANB), (voraussichtlich) einschließlich der Fristen für die Entscheidung über Netzanschluss- und Netzzugangsbegehren(!), werden zukünftig von der Regulierungsbehörde mittels Verordnung festgelegt, den Netzbetreibern bleibt nur ein enger Spielraum für ergänzende Bestimmungen der ANB. Der ElWG-Entwurf sieht zudem eine verschärfte Netzausbauverpflichtung von Verteilernetzbetreibern vor. Sowohl das Netzanschluss- als auch das Netzzugangsverfahren wird klarer und detaillierter geregelt, damit soll die Transparenz der Netzverfahren erhöht werden. Die Allgemeine Anschlusspflicht wird zudem auf Energiespeicheranlagen erstreckt. Neu sind auch die Regelungen für einen "flexiblen" Netzzugang für den Fall nicht ausreichender Netzkapazitäten. Erzeuger werden mit diesem Mechanismus die Möglichkeit haben, vorzeitig ans Netz zu gehen, sie müssen dafür aber vorübergehende Leistungsbeschränkungen durch den Netzbetreiber akzeptieren. Weitere Details folgen in einem gesonderten Newsletter, weil sie den Rahmen der gegenständlichen Übersicht sprengen würden.
Der (überfälligen) Umsetzung der StrombinnenmarktRL ist es geschuldet, dass in Zukunft alle Stromkunden berechtigt sein sollen, mehr als einen Stromliefervertrag zur selben Zeit zu haben. Damit wird es zB möglich, dass größere Stromabnehmer mehrere Stromlieferanten mit unterschiedlichen Stromprodukten (zB unterschiedliche Liefer- und -strukturen) zur selben Zeit haben. Das schon im Zuge der Überschusseinspeisung von Wind- und PV-Anlagen aufgeweichte Prinzip "ein Zählpunkt kann nur einer Bilanzgruppe angehören" wird dadurch vermutlich weiter zurückgedrängt, wenngleich der im ElWG enthaltene Vorbehalt des Vorliegens ausreichender "Messeinrichtungen" (Zählpunkte?) Fragen aufwirft. Dessen ungeachtet gelangt man zum Befund, dass die Abhängigkeit von einem einzelnen Stromlieferanten reduziert werden soll. So darf der Stromlieferant den Kunden weder unmittelbar (durch vertragliche Verbote) noch mittelbar (durch schlechtere Lieferkonditionen) daran hindern, Verträge über Stromdienstleistungen (zB Aggregierung udgl) abzuschließen. Der ElWG-Entwurf sieht sogar ein gesetzliches Recht auf Abschluss solcher Verträge vor (vgl § 22 ElWG-Entwurf). Die Ausgestaltung dieser Aggregierungsverträge ist kein juristisches "Neuland", sie wird aber durch das ElWG zusätzlich an Bedeutung gewinnen.
Der bisherigen Regulierungspraxis folgend, sieht das ElWG die Einrichtung virtueller Zählpunkte vor. Damit können verschiedene Stromerzeugungseinheiten, die über denselben Zählpunkt in das Netz einspeisen, messtechnisch bzw bilanziell gesondert erfasst werden, sodass die Erzeugungsmengen den einzelnen Stromerzeugungseinheiten zugeteilt werden können. Damit wird auch die Teilnahme an verschiedenen Bilanzgruppen ermöglicht. Die Begriffsdefinition "Stromerzeugungseinheit" scheint darauf hinzudeuten, dass die betreffende Einheit Teil einer "Stromerzeugungsanlage" mit bestehendem Netzanschluss sein muss, sodass es fraglich erscheint, ob virtuelle Zählpunkte auch für Stromerzeugungseinheiten eingerichtet werden können, die in Folge von Verkaufstransaktionen nicht mehr vom Netzanschlussinhaber, sondern von Dritten als Teil einer neu abgegrenzten Anlage betrieben werden. UE ist dies zu bejahen, zumal die relevante Anlagenabgrenzung weiterhin über den Netzanschlusspunkt zu erfolgen hat.
Der ElWG-Entwurf verbietet es Lieferanten künftig, diskriminierende Anforderungen, Entgelte und Verfahren für jene Endkunden vorzusehen, die sich als Eigenversorger, Peer-to-Peer-Marktteilnehmer oder Mitglied einer gemeinschaftlichen Erzeugungsanlage oder Energiegemeinschaft betätigen.
Die Regelungen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des § 80 ElWOG 2010 wurden in einen neuen Abschnitt "Allgemeine Lieferbedingungen" übergeführt und inhaltlich im Wesentlichen übernommen. Der ElWG-Entwurf enthält einige Klarstellungen im Bereich der Entgeltbestimmungen, die den Endkunden betreffen. Das Gesetz räumt den Versorgern unter bestimmten Voraussetzungen das Recht ein, die vertraglich vereinbarten Entgelte einseitig zu ändern. Diese Bestimmung, die bereits im ElWOG 2010 enthalten ist, hat zahlreiche Fragen aufgeworfen, u.a. die Frage, ob die Lieferanten verpflichtet sind, Änderungen der vertraglich vereinbarten Entgelte der Regulierungsbehörde anzuzeigen. Dies vor dem Hintergrund, dass das Gesetz eine Anzeigepflicht für die Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorsieht. Demnach müssen sowohl die Allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch deren Änderungen vor ihrem Inkrafttreten der Regulierungsbehörde angezeigt werden. Bisher war unklar, ob sich diese Bestimmung nur auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auch auf die vertraglich vereinbarten Entgelte bezieht. Der ElWG-Entwurf stellt diese Frage nun klar: In § 20 Abs 2 ElWG wird festgelegt, dass die Versorger das Recht haben, vertraglich vereinbarte Entgelte für Haushaltskunden und Kleingewerbekunden mit unbefristeten Verträgen zu ändern. Über diese Änderungen müssen die Versorger die Endkunden mindestens einen Monat vor dem ersten Wirksamwerden der Änderungen schriftlich informieren. Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen der Bestimmung des § 80 Abs 2a ElWOG. Allerdings wird in den Gesetzesmaterialien nunmehr ausdrücklich festgehalten, dass die Änderung der vertraglich vereinbarten Entgelte bzw ein entsprechendes Informationsschreiben an Haushaltskunden und Kleingewerbetreibende keine anzeigepflichtige Änderung der Allgemeinen Versorgungsbedingungen iSd § 20 Abs 1 ElWG bildet.
Der ElWG-Entwurf übernimmt die Entflechtungsvorgaben für Speicherbetreiber und verbietet Netzbetreibern, Speichereigentum zu halten oder Speicher zu errichten, zu verwalten oder zu betreiben. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind Speicher, die vollständig integrierte Netzkomponenten bilden und für den Aufrechterhalt eines sicheren Netzbetriebs erforderlich sind. Der Netzbetreiber muss jedoch vorab erfolglos ein Ausschreibungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb entsprechender Speicheranlagen durchgeführt haben.
Der Entwurf des ElWG enthält auch neue - zum Teil strengere - Verwaltungsstrafbestimmungen, insb im Hinblick auf die VO 1227/2011 (REMIT). Die Änderungen betreffen vor allem die zuständige Behörde, die Höhe der Verwaltungsstrafen, die Strafbarkeit juristischer Personen und die Verjährung. Für die Verhängung von Verwaltungsstrafen bei REMIT-Verstößen ist nicht mehr die Bezirksverwaltungsbehörde, sondern die Regulierungsbehörde E-Control zuständig (§ 157 Abs 4 ElWG). Für andere Verstöße gegen das ElWG sind jedoch weiterhin die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig (§ 157 Abs 3 ElWG). Weiters wurden die Verwaltungsstrafen spürbar erhöht. Bei Verstößen gegen REMIT (zB Marktmanipulation) drohen Strafen von bis zu EUR 5 Mio (§ 162 ElWG). Zuvor lag die Höchststrafe bei EUR 150.000. Eine weitere wichtige Änderung ist die Einführung der Strafbarkeit juristischer Personen (§ 163 ElWG). Bisher konnten nur die vertretungsbefugten Personen einer juristischen Person – nicht aber die juristische Person selbst – für Verstöße bestraft werden. Gegen eine juristische Person kann eine Strafe verhängt werden, wenn eine Führungsperson gegen eine Verpflichtung des § 162 ElWG verstoßen hat oder wenn die mangelnde Kontrolle einer Führungsperson die Begehung durch einen anderen Mitarbeiter ermöglicht hat. Die Geldstrafe für juristische Personen beträgt entweder bis zu EUR 5 Mio, bis zum Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzen (sofern dieser beziffert werden kann) oder bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes (§ 163 Abs 3 ElWG). Darüber hinaus beträgt die Verfolgungsverjährung für alle Verstöße gegen das ElWG nunmehr 18 Monate (§ 164 Abs 3 ElWG).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mit dem geplanten ElWG eine wesentliche Änderung des Rechts- und Regulierungsrahmens für die österreichische Elektrizitätswirtschaft einhergehen wird. Der Trend in Richtung mehr dezentrale Erzeugung und neue Marktteilnehmer (aus den Bereichen der Industrie und Gewerbe sowie Privathaushalte) wird im ElWG fortgesetzt. Eine detaillierte Erörterung der bevorstehenden Änderungen werden wir in einer eigenen Webinar-Reihe vornehmen.
authors: Bernd Rajal, Nina Zafoschnig, Marta Krzystek, Vessela Anastassova