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05 October 2022
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EuGH-Urteil: Entgeltliches Angebot zum Beitritt in eine Gruppenversicherung stellt Versicherungsvermittlung dar

In seiner Entscheidung C-633/20 vom 29.09.2022 erkannte der EuGH jüngst, dass unter den Begriff des Versicherungsvermittlers bzw des Versicherungsvertreibers auch eine juristische Person fällt, deren Tätigkeit darin besteht, eine freiwillige Mitgliedschaft in einer zuvor von ihr bei einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten, für die sie von ihren Kunden eine Vergütung erhält und die die Kunden zur Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen berechtigt.

Im Ausgangsrechtsstreit beauftragte die Beklagte Werbeunternehmen damit, im Wege der Haustürwerbung Verbrauchern gegen Entgelt den Beitritt zu einer Gruppenversicherung anzubieten. Hierfür schloss die Beklagte selbst bei einer Versicherung einen Gruppenversicherungsvertrag mit Versicherungsschutz für Erkrankung und Unfall bei Auslandsreisen inklusive Rückholkosten ab. Die Beklage, selbst also Versicherungsnehmerin, entrichtet die geschuldeten Beiträge an die Versicherung. Die Tätigkeit der Beklagten war nicht auf den Abschluss von Versicherungsverträgen gerichtet, sondern zielte darauf ab, den Verbrauchern die Möglichkeit des Beitritts in der von ihr abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten.

Der Kläger war der Ansicht, dass es sich bei der Tätigkeit der Beklagten um Versicherungsvermittlung handelt, dafür eine gewerberechtliche Konzession erforderlich ist und klagte dementsprechend auf Unterlassung der Tätigkeit.

Der Klage wurde in erster Instanz stattgegeben, in zweiter Instanz wurde sie abgewiesen. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) stellte folgende Vorlagefrage an den EuGH:

Ist ein Unternehmen, das als Versicherungsnehmer eine Auslandsreisekrankenversicherung sowie eine Auslands- und Inlands-Rückholkosten-Versicherung als Gruppenversicherung für seine Kunden bei einem Versicherungsunternehmen unterhält, gegenüber Verbrauchern Mitgliedschaften vertreibt, die zur Inanspruchnahme der Versicherungsleistungen berechtigen, und von den geworbenen Mitgliedern eine Vergütung für den erworbenen Versicherungsschutz erhält, Versicherungsvermittler im Sinne von Art 2 Nrn 3 und 5 der Richtlinie 2002/92 (IMD-RL) und Art 2 Abs 1 Nrn 1, 3 und 8 der Richtlinie 2016/97 (IDD-RL)?

Mit dieser Frage wollte der BGH also wissen, ob unter den Begriff Versicherungsvermittler (IMD-RL) und damit den Begriff "Versicherungsvertreiber" (IDD-RL) eine juristische Person fällt, deren Tätigkeit darin besteht, eine freiwillige Mitgliedschaft in einer zuvor von ihr bei einer Versicherung abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten, für die sie von ihren Kunden eine Vergütung erhält und die die Kunden zur Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen berechtigt.

Der EuGH führte dazu Folgendes aus:

  • Voraussetzung für die Qualifikation als Versicherungsvermittler bzw als Versicherungsvertreiber sei, dass (1) die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung bzw des Versicherungsvertriebs (2) gegen Vergütung ausgeübt wird:
    1. Die Tätigkeit der Versicherungsvermittlung bzw des Versicherungsvertriebs stelle das Beraten, Anbieten, Vorschlagen oder Durchführen anderer Vorbereitungsarbeiten zum Abschließen von Versicherungsverträgen, das Abschließen von Versicherungsverträgen oder das Mitwirken bei deren Verwaltung und Erfüllung, insbesondere im Schadensfall dar (Rz 31 ff). Das Anbieten eines freiwilligen Beitritts zu einem Gruppenversicherungsvertrag sei mit diesen Tätigkeiten vergleichbar, die darauf gerichtet sind, dass Versicherungsnehmer mit einem Versicherer Versicherungsverträge abschließen. Ob dabei die juristische Person, die den Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag anbietet, selbst als Versicherungsnehmerin Partei des Gruppenversicherungsvertrags ist, sei unerheblich (Rz 45-46).
    2. Der Vergütungsbegriff umfasse gemäß Art 1 Abs 1 Nr 9 der IDD-RL alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstigen Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nicht finanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden. Dementsprechend sei es unerheblich, dass die Zahlung bei jedem Beitritt zum Gruppenversicherungsvertrag von den beitretenden Mitgliedern an die juristische Person (als VN) geleistet wird und nicht vom Versicherer in Form zB einer Provision. Daher sei das Tatbestandsmerkmal der Vergütung als erfüllt anzusehen, wenn jede Mitgliedschaft eines Kunden der juristischen Person, die den Gruppenversicherungsvertrag mit der Versicherungsgesellschaft abgeschlossen hat und in diesem Rahmen Versicherungsbeiträge an sie entrichtet, zu einer Zahlung an diese juristische Person führt. Die Aussicht auf diese Vergütung stelle ein eigenes wirtschaftliches Interesse dar, das sich von dem Interesse der Mitglieder an der Erlangung des sich aus dem betreffenden Vertrag ergebenden Versicherungsschutzes unterscheide und geeignet sei, sie zu veranlassen, auf eine große Zahl von Vertragsbeitritten hinzuwirken (Rz 41-42).
  • Aus den genannten Gründen sei der Gruppenversicherungsnehmer im Ausgangsverfahren als Versicherungsvermittler bzw Versicherungsvertreiber zu qualifizieren.

Zuletzt wies der EuGH für die genannten Tätigkeiten von Gruppenversicherungsnehmern auch ausdrücklich auf die entsprechenden Zulassungs- und Eintragungspflichten hin.

Erhält ein Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung für das Anbieten von Beitritten zur Gruppenversicherung an Dritte eine Vergütung, ist er daher als Versicherungsvermittler einzustufen. Diese Einordnung kann zur Folge haben, dass der Versicherungsnehmer nicht nur eine gewerberechtliche Berechtigung zur Ausübung der Versicherungsvermittlung benötigt, sondern auch sämtliche Informations- und Offenlegungspflichten sowie Weiterbildungsverpflichtungen eines Versicherungsvermittlers zu erfüllen hat.

Autoren: Marguerita Sedrati-Müller, Daniel Höhnl

Marguerita
Sedrati-Müller

Counsel

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