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26 February 2020
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Fragwürdiger Schutz vor unerwünschten Investoren

This article was first published on DerStandard, 25.02.2020

Vor allem aus Sorge vor Übernahmen aus China werden in Europa neue Kontrollen von Beteiligungen aus Drittstaaten eingeführt

 

Nach Jahren der Offenheit zieht Europa die Zugbrücken hoch: Eine neue EU-Verordnung regelt nationale Investitionsschutzverfahren.

Die USA haben sie. Deutschland hat die Regeln zuletzt verschärft: Genehmigungspflichten für ausländische Investitionen in kritische Infrastruktur. In Österreich 2012 erstmals als "Lex OMV" eingeführt, beabsichtigt die neue Bundesregierung, dem Trend zu folgen und noch stärkere staatliche Kontrollen für Investitionen aus Drittstaaten einzusetzen.

Dies soll, wie es im Regierungsprogramm heißt, kritische Industriezweige schützen und das Abwandern bestimmter Zukunftstechnologien aus dem Binnenmarkt verhindern.

Geplant ist, wohl anknüpfend an einen Entwurf der Vorgängerregierung, die Reform des Außenwirtschaftsgesetzes. Insbesondere sollen der aktuelle Schwellenwert als Auslöser für eine Genehmigungspflicht von 25 auf zehn Prozent gesenkt, der Anwendungsbereich ausgeweitet und neue Prüfkriterien festgelegt werden.

Transparent und nicht diskriminierend

Als Basis für die Reform soll eine neue EU-Verordnung (2019/252) zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen dienen, die im Herbst 2020 in Kraft treten wird. Danach werden die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet werden, nationale Investitionsschutzverfahren einzuführen.

Wenn solche bestehen oder eingeführt werden, müssen diese transparent und nicht diskriminierend ausgestaltet sein. Die eine Genehmigungspflicht auslösenden Umstände müssen für den Investor nachvollziehbar und planbar sein. Entscheidungen müssen inhaltlich durch eine Instanz überprüfbar bleiben.

Unter der EU-Verordnung gänzlich neu wird die Pflicht, die EU-Kommission und die übrigen Mitgliedsstaaten über eingeleitete Prüfverfahren zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Deren Stellungnahmen sind im Investitionsschutzverfahren angemessen zu berücksichtigen.

Es kommt daher zu einem Mitspracherecht, wenngleich die endgültige Entscheidung vorerst beim Mitgliedsstaat verbleiben wird. Die Praxis wird zeigen, wie sich die verpflichtende loyale Zusammenarbeit unter den Mitgliedsstaaten gestalten wird.

Neue Haltung in der EU

Diese neue Haltung gegenüber Investoren aus Drittstaaten bestand auf EU-Ebene nicht immer. Im Wissen um die positiven Wohlstandseffekte durch Kapitalakkumulation stand man Direktinvestitionen bis vor wenigen Jahren offen gegenüber.

Dadurch flossen noch 2015/16 weltweit die meisten Direktinvestitionen in die EU. Mangelnde Reziprozität und der Erwerb von Hochtechnologieunternehmen – etwa Kuka Robotics durch die chinesische Midea – und kritischer Infrastruktur – etwa die versuchte Beteiligung der australischen IFM am ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz – riefen allerdings Kritiker eines allzu offenen Binnenmarktes auf den Plan. Dies mündete schließlich in der vorliegenden EU-Verordnung.

Kontrollverfahren sind aber ein erheblicher Eingriff in die Privatautonomie und eine Beschränkung der Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit. Daher bedürfen derartige Beschränkungen einer sorgfältigen Begründung und Abwägung.

Dies auch deshalb, weil sich Drittstaatsangehörige auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen können, weshalb Beschränkungen – wenn überhaupt – nur in den sehr engen Grenzen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Betracht kommen.

Rechtfertigungsgründe

Der EuGH versteht darunter eine tatsächliche, hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Im Licht der neuen EU-Verordnung ordnungspolitisch vertretbar erscheinen daher Prüfverfahren bei Transaktionen, in denen Kontrolle über kritische Infrastruktur mit erheblicher Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen auf Investoren aus Drittstaaten unter (in)direktem Einfluss von staatlichen Stellen übergeht.

Rein wirtschaftliche Interessenabwägungen wie etwa eine Stärkung des Industriestandortes oder der Schutz vor einem Ausverkauf des Know-hows sind demnach noch keine tauglichen Rechtfertigungsgründe für eine Beschränkung ausländischer Investitionen.

Gewarnt sei auch vor Beschränkungen unter dem Deckmantel der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die letztlich von industriepolitischen Zielen motiviert sind. M&A-Transaktionen benötigen Planbarkeit und transparente Verfahren.

Investoren reagieren sensibel bei regulatorischen Unsicherheiten. Diese können unmittelbare Auswirkungen auf die Investitionsfreude im Land haben. Nur klare, regelbasierte und nachprüfbare Verfahren werden Verunsicherungen verhindern.

Höhere Transaktionskosten

Ob dazu das Absenken des Schwellenwerts als Auslöser für eine Genehmigungspflicht von 25 auf zehn Prozent beiträgt, ist fraglich. Mit diesem Schwellenwert ist in der Regel noch kein erheblicher Einfluss möglich. Ein niedrigerer Schwellenwert wird nur zu einem Anstieg der Transaktionskosten bei Minderheitsbeteiligungen führen, weil mögliche Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen sind.

Letztlich verhindert ein Absenken der Schwelle auch keinen mehrheitlichen Verkauf ins Ausland, zumal es zulässig ist, wenn sich mehrere voneinander unabhängige Investoren mit jeweils zehn Prozent am Unternehmen beteiligen, zusammengerechnet aber über 50 Prozent halten. So steht nach einer Analyse der Wiener Börse schon heute rund ein Viertel der gesamten ATX-Marktkapitalisierung allein im Eigentum von US-Investoren.

Zweckmäßiger erscheint es, den Schwellenwert nicht abzusenken, sondern die von einer möglichen Genehmigungspflicht betroffenen Unternehmen und Sektoren samt Prüfkriterien treffsicher zu definieren. Bestehende Unsicherheiten bei Zurechnungsregeln sollten klarer formuliert werden.

Weiters sollte die Antragspflicht an den Abschluss anknüpfen und nicht vor dem Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags erforderlich sein. Schließlich sollten zeitgebundene amtswegige Nachprüfungsverfahren vorgesehen und kurzfristige freiwillige Freigabeansuchen ermöglicht werden.

Die Bundesregierung sollte diese Maximen bei der geplanten Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes berücksichtigen. Eine bloße Umsetzung des Ministerial-Entwurfs aus der Ära der Vorgängerregierung in 2020 wäre nicht das richtige Signal für ein wirtschaftsliberales weltoffenes Österreich, das "open for business" ist.

Author: Sascha Schulz

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