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Inzidenzen, (Intensiv-)Bettenbelegungen, COVID-19-Virus(varianten), eine Durchimpfungsrate von 90 %, nicht zuletzt die Omikron-Variante sind seit Monaten aus dem Wortschatz der medialen Berichterstattung über die omnipräsente und themenbestimmende COVID-19-Pandemie kaum wegzudenken.
authors: Andreas Lopatka-Sint, Günther Leissler
Ausgangspunkt für folgenden Newsletter und die näheren Ausführungen ist die in Österreich seit Monaten diskutierte COVID-19-Impfpflicht und der dazu seit Dezember 2021 vorliegende Begutachtungsentwurf1 zum COVID-19-Impfpflichtgesetz (COVID-19-IG). Das Begutachtungsverfahren hat einen neuen Rekord an (überwiegend kritischen) Stellungnahmen gebracht.2 Diese außerordentlich kritische Resonanz zur allgemeinen Impfpflicht in Österreich hat offensichtlich Spuren hinterlassen; der jüngste Gesetzesentwurf (in der Fassung eines gesamtändernden Abänderungsantrags)3 und in weiterer Folge der gestrige Gesetzesbeschluss des Nationalrats weichen vom Begutachtungsentwurf in wesentlichen Punkten ab.
Die wesentlichen praxisrelevanten Änderungen im vorliegenden Gesetzesbeschluss zur Einführung einer allgemeinen COVID-19-Impfpflicht umfassen
Der gestrige Gesetzesbeschluss im Nationalrat zum COVID-19-IG wird Anfang Februar nach seiner Behandlung im Bundesrat in Kraft treten. Geplantes Außerkrafttreten der COVID-19-Impfpflicht ist mit 31.01.2024 angesetzt.
Anhand folgender Kriterien wird der Gesetzesentwurf zum gestrigen Nationalratsbeschluss hier strukturiert dargestellt:
Dem lebendigen Entstehungsprozess vom COVID-19-IG geschuldet wird hier anhand desselben Aufbaus der Begutachtungsentwurf fürs leichtere Verständnis des nunmehr vorliegenden Gesetzesbeschlusses skizziert.
Abschließend werden hier folgende Fragen zur COVID-19-Impfpflicht beantwortet:
[1] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP.
[2] parlament.gv.at; orf.at; orf.at.
[3] AB 1312 BlgNR 27. GP Gesetzestext.
Das COVID-19-Impfpflichtgesetz (COVID-19-IG)[1] soll Anfang Februar 2022 in Kraft und mit Ablauf von 31.01.2024 außer Kraft treten. Während seiner Geltung wird das Gesetz laufend auf seine Verhältnismäßigkeit (Eignung, Erforderlichkeit, Angemessenheit) geprüft. Dafür ist ein begleitendes Monitoring und Berichtspflichten durch Fachexperten an den Nationalrat, Gesundheitsminister und die Bundesregierung vorgesehen. Zudem ist der Gesundheitsminister nach einem Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats zu Verordnungen ermächtigt, das gesamte COVID-19-IG oder einzelne seiner Teile auf Sachverhalte nicht anzuwenden.[2] Ferner kann jederzeit der Bundesgesetzgeber ein früheres Außerkrafttreten beschließen.
[1] COVID-19-IG idF AB 1312 BlgNR 27. GP (fortan: COVID-19-IG).
[1] § 19 COVID-19-IG.
Als Ziel des COVID-19-IG ist (weiterhin) das Erreichen und Aufrechterhalten einer Durchimpfungsrate von 90%, um das Infektionsgeschehen nachhaltig zu stabilisieren und die Viruszirkulation zu reduzieren, ausgegeben. Neuerdings sprechen die Gesetzesmaterialien [1] (angesichts der kritisierten Verhältnismäßigkeit der COVID-19-Impfpflicht) davon, dass
[1] AB 1312 BlgNR 27. GP 13 ff.
Nach dem Gesetzesentwurf [1] zum COVID-19-IG ist die Schutzimpfung gegen COVID-19 eine Schutzimpfung bestehend aus einer Impfung oder mehreren Impfungen mit einem
gegen COVID-19.[2]
Demnach kann eine Impfserie (nur) aus einer Impfung bestehen.
Die zentral zugelassenen Impfstoffe werden nicht (mehr) aufgelistet, sondern als zentral durch die Europäische Kommission nach Empfehlung der Europäischen Arzneimittelagentur zugelassene Impfstoffe beschrieben.[3] Sie sind auf der Website des Gesundheitsministeriums zu veröffentlichen. Aktuell sind Impfstoffe von BioNTech/Pfizer, AstraZeneca, Janssen, Moderna und Novavax (bedingt) zentral zugelassen.
Anerkannte Impfstoffe gegen COVID-19 sind Impfstoffe, denen nach einer Verordnung des Gesundheitsministers eine den zentral zugelassenen Impfstoffen vergleichbare epidemiologische Wirksamkeit und Sicherheit zuerkannt wird. In der Verordnung sind Impfintervall, Anzahl und allenfalls Kombinationen von Impfstoffen als Voraussetzung für die Erfüllung der Impfpflicht zu regeln.[4] Hinsichtlich des Umfangs der Impfpflicht ist erforderlichenfalls zwischen zentral zugelassenen und anerkannten Impfstoffen zu unterscheiden.[5] Folglich beruhen Regeln zu anerkannten Impfstoffen auf Verordnungen des Gesundheitsministers, die nach einer Anhörung des Nationalen Impfgremiums und einem Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats erlassen werden.[6]
[1] COVID-19-IG idF AB 1312 BlgNR 27. GP (fortan: COVID-19-IG).
[2] § 2 Z 2 COVID-19-IG.
[3] § 2 COVID-19-IG, AB 1312 BlgNR 27. GP 17 f.
[4] § 4 Abs 3 COVID-19-IG.
[5] § 4 Abs 4 COVID-19-IG.
[6] § 18 COVID-19-IG.
Von der Impfpflicht sind nach § 1 COVID-19-IG (nunmehr) grundsätzlich Personen ab vollendetem 18. Lebensjahr erfasst, die im Bundesgebiet einen aufrechten Wohnsitz haben oder über eine Hauptwohnsitzbestätigung verfügen. Eine Impfung wird bereits ab dem vollendetem viertem Lebensjahr empfohlen, jedoch gesetzlich aufgrund der geringeren Krankheitslast in der Altersgruppe bis zum vollendetem 18. Lebensjahr nicht vorgeschrieben.[1]
Das COVID-19-IG stellt auf den aufrechten Wohnsitz (ausreichend Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen) nach § 1 Abs 6 Meldegesetz (MeldeG) und setzt damit keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet voraus. Damit sollen 24-Stunden-Betreuer und Wochenpendler erfasst sein.
[1] AB 1312 BlgNR 27. GP 17.
Eine Ausnahme von der Impfpflicht gilt bis zum Ablauf des Folgemonats nach Wegfall des Ausnahmegrunds.[1]
Von der Impfpflicht sind
Abweichende Regeln zu den bisherigen Ausnahmen von der Impfpflicht hat der Gesundheitsminister (wiederum im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats) im Fall einer Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Zulassung von Impfstoffen oder einer Änderung des Standes der Wissenschaft insbesondere hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 zu verordnen. Personen, die aus gesundheitlichen Gründen (iSd § 3 Abs 1 Z 2 COVID-19-IG) nicht geimpft werden können, sind von der Impfpflicht stets auszunehmen.
Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ausnahme aus gesundheitlichen Gründen (iSd § 3 Abs 1 Z 2 COVID-19-IG) hat der Gesundheitsminister zu verordnen.[4] Die Ausnahme umfasst jene seltenen erwartbaren Nebenwirkungen, deren (geringe) Häufigkeit aus Zulassungsstudien und Zulassungsverfahren bereits bekannt ist. Diese Ausnahme liegt daher insbesondere vor, wenn Kontraindikationen gegen Impfstoffe bestehen. Echte Kontraindikationen gegen die Impfung stellen nur sehr seltene Allergien gegen Inhaltsstoffe von Impfungen dar. Zudem gibt es Krankheitsbilder, die zur Folge haben, dass Personen vorübergehend oder dauerhaft nicht impfbar sind. Demnach sind in einer Verordnung festzulegen, (i) auf welche Krankheitsbilder die Ausnahme zutrifft und (ii) die Anzahl an Impfungen, um auf eine fehlende Immunantwort ("Non-Responder") schließen zu können.[5]
Der Nachweis einer Ausnahme für Schwangere und Personen aus gesundheitlichen Gründen (iSd § 3 Abs 1 Z 2 COVID-19-IG) ist durch eine Bestätigung einer mittels Verordnung festgelegten fachlich geeigneten Ambulanz einer Krankenanstalt für die dort in Behandlung befindlichen Patienten oder durch eine amtsärztliche oder epidemieärztliche Bestätigung zu erbringen. Die Ausnahme ist im zentralen Impfregister zu speichern.[6] Für die Ausstellung einer Bestätigung haben die betroffenen Personen die erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Genese haben ihre Infektion durch (i) einen im Register anzeigepflichtiger Krankheiten verarbeiteten molekularbiologisch bestätigten Test auf SARS-CoV-2, (ii) durch ein Genesungszertifikat iSd EpiG, (iii) eine ärztliche Bestätigung oder (iv) einen Absonderungsbescheid nachzuweisen.[7] Der Nachweis über eine (künftig) neu geschaffene Ausnahme ist durch eine amtsärztliche oder epidemieärztliche Bestätigung zu erbringen.[8]
[1] § 3 Abs 2 COVID-19-IG.
[2] Fortan erfasst als Personen, die aus "gesundheitlichen Gründen" ausgenommen sind.
[3] § 3 Abs 8 COVID-19-IG.
[4] § 3 Abs 7 COVID-19-IG.
[5] AB 1312 BlgNR 27. GP 18.
[6] § 3 Abs 3 COVID-19-IG.
[7] § 3 Abs 5 COVID-19-IG.
[8] § 3 Abs 9 COVID-19-IG.
Nach dem (neuen) Konzept des Gesetzesentwurfs als "Impfpflichtrahmengesetz"[1] ist nur der Beginn der Impfpflicht als Verwaltungsübertretung und der Rahmen für die dreistufige Durchführung und Durchsetzung der Impfpflicht gesetzlich normiert. Genaueres hinsichtlich Impfintervalle und (Erinnerungs-, Folge-, Impf-)Stichtage ist erst durch Verordnungen des Gesundheitsministers oder der Bundesregierung zu bestimmen. Die Stichtage können erst ab der technischen Verfügbarkeit bzw den technischen Möglichkeiten, einen automatisierten Datenabgleich durchzuführen, bestimmt werden.
Die Impfpflicht erfüllt, wer ab dem 16.03.2022 über einen gültigen Impfstatus gegen COVID-19 verfügt. Über einen gültigen Impfstatus gegen COVID-19 verfügt, wer sich einer Erstimpfung und – bei aus mehreren Impfungen bestehenden Schutzimpfungen – innerhalb der in einer Verordnung des Gesundheitsministers festgelegten Impfintervalle den im Rahmen der jeweiligen Impfserie erforderlichen weiteren Impfungen unterzogen hat. Dazu hat der Gesundheitsminister nach Anhörung des Nationalen Impfgremiums und im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft
erforderlichenfalls für die jeweils zentral zugelassenen oder anerkannten Impfstoffe getrennt zu verordnen.[2] Die Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums zum Impfschema werden laufend entsprechend den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Dies dient dazu, die optimale, evidenzbasierte Anwendung von Impfungen zur Eindämmung des infektionsepidemiologischen Geschehens zu ermöglichen. Es handelt sich also um einen dynamischen Prozess, und die entsprechenden Impfintervalle werden kontinuierlich den aktuellen Gegebenheiten und entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen und Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums angepasst. Bezüglich berücksichtigter Impfstoffe sowie zukünftiger, etwaiger an Virusvarianten angepasster Impfstoffe sollten aus medizinisch-fachlicher Sicht jedenfalls die zum jeweiligen Zeitpunkt seitens des Nationalen Impfgremiums empfohlenen Impfstoffe berücksichtigt werden. Die bestmögliche Verfolgung des Ziels des Gesundheitsschutzes und die Sicherstellung der durchgehenden Eignung der Maßnahme erfordern Flexibilität in der Festlegung der Gültigkeit des Impfstatus.[3]
Zur Ermittlung der impfpflichtigen Personen zwecks Erinnerung an einen ungültigen Impfstatus hat die Bundesregierung durch Verordnung einen Erinnerungsstichtag festzulegen. Am Erinnerungsstichtag und in weiterer Folge in Abständen von jeweils sechs Monaten von diesem Tag (sog Folgestichtag) hat der Gesundheitsminister Personen, die unzureichend geimpft sind, in einem Erinnerungsschreiben über ihre Impfpflicht und daran zu erinnern, dass die jeweilige Impfung ehemöglichst und spätestens bis zum sog Impfstichtag nachzuholen ist.[4] Versand oder Erhalt des Erinnerungsschreibens sollen allerdings keine Voraussetzung für eine Strafbarkeit sein. Anfragen und Beschwerden von Personen über das Erinnerungsschreiben (ua betreffend zentrales Impfregister oder Register anzeigepflichtiger Krankheiten) sind an eine (künftige) Stelle für das Datenqualitätsmanagement zu richten, die der Gesundheitsminister zu betreiben hat.[5]
Der Impfstichtag und in weiterer Folge die in Abständen von je sechs Monaten von diesem Tag gelegenen Folgestichtage dienen der Ermittlung der impfpflichtigen Personen durch einen automatisierten Datenabgleich, um Verwaltungsstrafverfahren durchzuführen. Nur sofern dies zur Sicherstellung der Erfüllung der Impfpflicht erforderlich ist, kann ein Impfstichtag durch die Bundesregierung nach einem Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats verordnet werden.[6] Die Erlassung der Verordnung liegt im Ermessen der Bundesregierung und soll anhand epidemiologischer Kriterien oder faktischer Bedingungen wie personeller Ressourcen der zuständigen Behörden eine verhältnismäßige Maßnahme darstellen. Sie unterliegt (wie weite Teile des COVID-19-IG) einer ständigen Evaluierungspflicht und hat allenfalls wieder aufgehoben zu werden.[7] Pro Jahr gibt es zwei Impfstichtage, die frühestens einen Monat nach dem Erinnerungsstichtag liegen dürfen.
Bis zu einem Impfstichtag haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts die Einhaltung der Impfpflicht stichprobenartig zu kontrollieren.[8] Erst durch den automatisierten Datenabgleich an einem Impfstichtag und an dessen Folgestichtagen wird eine durchgängige Kontrolle der Impfpflicht ermöglicht. Daraus folgt ein dreistufiger Ablauf:
Als Nachweis für die Erfüllung der Impfpflicht[11] gilt
Zusätzlich zu dieser stichprobeartigen Kontrolle der Einhaltung der COVID-19-Impfpflicht, hat die Bundesregierung, sobald die technischen Voraussetzungen für einen automatisierten Datenabgleich mit dem Melderegister, dem zentralen Impfregister und dem Epidemiologischen Meldesystem erfüllt sind, einen Erinnerungsstichtag festzulegen. Am Erinnerungsstichtag und seinen Folgestichtagen wird mittels Datenabgleich ermittelt, wer zum jeweiligen Stichtag noch nicht mit den vorgesehenen Impfungen im zentralen Impfregister erfasst wurde. Daran anknüpfend hat der Gesundheitsminister in einem postalischen Erinnerungsschreiben alle Personen, die ihre Impfpflicht nicht erfüllen, darüber und über die Schutzimpfung gegen COVID-19 und einschlägige Beratungsangebote zu informieren. Zusätzlich wird darauf hingewiesen, Ausnahmegründe von den dazu befugten Ambulanzen, Amts- oder Epidemieärzten ins zentrale Impfregister eintragen zu lassen. Genesene Personen erhalten für 180 Tage ab dem Tag der Probennahme des positiven PCR-Tests kein Erinnerungsschreiben.
[1] Laut VK Kogler (https://orf.at/stories/3244309/).
[2] § 4 Abs 4 COVID-19-IG.
[3] AB 1312 BlgNR 27. GP 20 f.
[4] §§ 2, 5, 8 COVID-19-IG.
[5] § 7 COVID-19-IG.
[6] § 9 COVID-19-IG.
[7] AB 1312 BlgNR 27. GP 28 f.
[8] § 15 Abs 1 COVID-19-IG.
[9] Vgl zum Nachweis von Ausnahmengründen obigen Pkt "Ausnahmen von der Impfpflicht".
[10] § 11 Abs 1 COVID-19-IG.
[11] § 2 Z 9 COVID-19-IG.
1. Grundsätze der Strafbarkeit nach dem COVID-19-IG
zu bestrafen.
2. Sonderfall Impfstrafverfügung
[1] § 12 COVID-19-IG.
[2] § 10 Abs 2 COVID-19-IG, AB 1312 BlgNR 27. GP 29.
[3] AB 1312 BlgNR 27. GP 29, 31.
[4] § 11 Abs 1 COVID-19-IG.
[5] § 1 Abs 2 COVID-19-IG.
[6] § 10 Abs 3 COVID-19-IG.
[7] AB 1312 BlgNR 27. GP 32.
[8] § 13 COVID-19-IG, AB 1312 BlgNR 27. GP 31.
[9] § 42 VwGVG.
[10] AB 1312 BlgNR 27. GP 30 f.
[11] § 11 Abs 2 COVID-19-IG.
[12] Dazu genauer Teil "Eckpfeiler des Begutachtungsentwurfs über das COVID-19-Impfpflichtgesetz".
Ziel des COVID-19-Impfpflichtgesetz (COVID-19-IG) ist das Erreichen und Aufrechterhalten einer Durchimpfungsrate von 90%, um das Infektionsgeschehen nachhaltig zu stabilisieren und die Viruszirkulation zu reduzieren.[1] Der Begutachtungsentwurf war unter den Voraussetzungen der bereits dominierenden Omikron-Variante (grundrechtlich) zu beurteilen. Die parlamentarischen Materialien gingen zum Stand Dezember 2021 hingegen noch von der damals vorherrschenden Delta-Variante aus.[2] Damit wird klar, wie punktuell nachfolgend skizzierter einfach-gesetzlicher Rahmen über eine Impfpflicht in der Dynamik der vorherrschenden Pandemie zu bewerten war.
Nach dem Begutachtungsentwurf soll das COVID-19-IG mit Anfang Februar 2022 in Kraft und mit Ablauf vom 31.01.2024 außer Kraft treten und damit für ca zwei Jahre gelten.
[1] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 8 f.
[2] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 9.
Die Schutzimpfung gegen COVID-19 ist eine aus mehreren Impfungen bestehende Impfserie mit einem
gegen COVID-19.[1]
Unter einem zentral zugelassenen Impfstoff ist ein Impfstoff zu verstehen, der in einem zentralen Verfahren durch die Europäische Arzneimittelagentur zugelassen wurde (BioNTech/Pfizer, AstraZeneca, Janssen, Moderna).[2] Eine (dreiteilige) Impfserie ist für zentral zugelassene Impfstoffe festgelegt.
Auf Basis einer Verordnung des Gesundheitsministers[3] können (nachträglich) Impfstoffe, die (noch) nicht zentral zugelassen sind, als Schutzimpfung anerkannt werden, sofern ihnen eine mit zugelassenen Impfstoffen vergleichbare epidemiologische Wirksamkeit und Sicherheit zukommt. Darin sind auch die erforderlichen Impfserien und Impfintervalle festzulegen. Ferner können (sogar) Änderungen betreffend zentral zugelassener Impfstoffe, derer Impfintervalle und Impfserien, sowie Kombinationen von Impfstoffen durch den Gesundheitsminister verordnet werden.
Die Verordnungsermächtigung des Gesundheitsministers nach § 4 Abs 7 COVID-19-IG ist evident umfassend, sie ermöglicht etwa eine Gleichbehandlung (bloß) anerkannter Impfstoffe mit Impfstoffen, die (bereits) zentral zugelassen sind. Die Ermächtigung ist an ein Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats geknüpft und damit verstärkt demokratisch legitimiert. Zudem hat der EGMR bestätigt, dass auch Verordnungen als gesetzliche Grundlage (im materiellen Sinn) für Grundrechtseingriffe genügen.[4] Aus rechtsstaatlicher Sicht ist jedoch zu erwägen, dass solche gesetzesergänzenden Verordnungsermächtigungen grundsätzlich einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedürfen.[5] Eine solche ist allerdings weder gegeben noch angedacht.[6] Ferner ist die vom VfGH für grundrechtlich eingriffsintensive Verordnungen betreffend COVID-19 geforderte Dokumentationspflicht und damit die Transparenz über die Willensbildung und deren zugrundeliegende Entscheidungsgrundlagen vom Verordnungsgeber zu beachten.[7]
[1] § 2 Z 2 COVID-19-IG.
[2] § 2 Z 3 COVID-19-IG.
[3] § 4 Abs 7 COVID-19-IG.
[4] EGMR 08.04.2021 (GK), Vavřička ua gegen Tschechien, Rn 269.
[5] Vgl Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht12 (2019) Rz 600.
[6] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 14.
[7] ZB VfGH 16.06.2021, V 34/2021 ua Rn 20; 01.10.2020, V 405/2020 Rn 35 f, 45.
Von der Impfpflicht sind nach § 1 COVID-19-IG grundsätzlich Personen erfasst, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz haben oder über eine Hauptwohnsitzbestätigung[1] verfügen und
Der Begutachtungsentwurf stellt auf den Wohnsitz (ausreichend Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen) nach § 1 Abs 6 Meldegesetz (MeldeG) und setzt damit keinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet voraus. Damit sollen 24-Stunden-Betreuer und Wochenpendler erfasst sein.[3]
Spätestens mit Eintritt der Volljährigkeit gilt eine allgemeine Impfpflicht, sofern keine Ausnahmegründe nach § 3 COVID-19-IG zum Tragen kommen.
[1] § 19a MeldeG.
[2] § 173 Abs 1 ABGB; solche Entscheidungsfähigkeit (vgl dazu § 24 Abs 2 ABGB) wird gesetzlich bei mündig Minderjährigen und damit (erst) ab Vollendung des 14. Lebensjahres vermutet, vgl §§ 21, 173 ABGB. Ebenso liegt Strafmündigkeit ab Vollendung des 14. Lebensjahres zum Tatzeitpunkt vor, vgl § 4 VStG. Unpräzise bei Altersschwelle IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 11.
[3] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 11.
Eine Ausnahme von der Impfpflicht gilt bis zum Ablauf des Folgemonats nach Wegfall des Ausnahmegrunds.[1]
Von der Impfpflicht sind
Wie bereits unter Punkt 1.1 dargelegt, ist eine solche (gesetzesergänzende) Verordnungsermächtigung des Gesundheitsministers weitgehend und rechtsstaatlich bedenklich. Sofern der Schutz der öffentlichen Gesundheit und (i) die Änderung der Rechtslage oder (ii) der Stand der Wissenschaft es erfordern, kann der Gesundheitsminister Ausnahmegründe – ausgenommen § 3 Abs 1 Z 2 COVID-19-IG – streichen, ändern oder ergänzen.
Eine bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2 (Z 3) ist durch ein Genesungszertifikat, eine ärztliche Bestätigung[5] oder einen Absonderungsbescheid nachzuweisen. Näheres kann der Gesundheitsminister dazu verordnen.
Die Ausnahmegründe der Schwangerschaft, der Gefahr für Leib oder Gesundheit und der fehlenden Entscheidungsfähigkeit sind durch eine (amts-)ärztliche Bestätigung nachzuweisen.
Die Gefahr für Leben und Gesundheit soll insbesondere Fälle von Kontraindikationen gegen Impfstoffe oder Krankheitsbilder, die ein günstiges Nutzen-/Risikoverhältnis der Impfung nicht gewährleisten, erfassen. Dies betrifft die physische und psychische Gesundheit. Hiermit sind wohl auch kritische Weltanschauungen oder Überzeugungen ausreichender Ernsthaftigkeit geschützt. Eine Weltanschauung ausreichender Ernsthaftigkeit ist durch ein kritische Haltung gegenüber COVID-19-Maßnahmen auszuschließen.[6] Die Ablehnung von Impfungen aus Gesundheitsgründen ist zudem von Art 9 EMRK nicht erfasst.[7] Die Wahl des Impfstoffs, um die Gefährdung zu vermeiden, ist laut Materialien (allein) auf zentral zugelassene Impfstoffe begrenzt.[8] Der Gesundheitsminister ist zur inhaltlichen Ausgestaltung per Verordnung ermächtigt.[9]
[1] § 3 Abs 2 COVID-19-IG.
[2] Unklarheiten im Begutachtungsentwurf, vgl § 1 Abs 2, § 5 Abs 1 Z 1 und Z 2 COVID-19-IG und IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 11; anscheinend soll eine Impfpflicht erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres (wegen vermuteter Entscheidungsfähigkeit) gelten.
[3] § 3 Abs 6 iVm § 11 COVID-19-IG.
[4] § 3 Abs 6 COVID-19-IG.
[5] Fraglich, ob bei molekularbiologisch bestätigten Test auf SARS-CoV-2 (zB PCR-Test) erforderlich, vgl § 2 Z 5 iVm § 3 Abs 4 COVID-19-IG.
[6] OLG Wien 10 Ra 100/21f; Die Presse, Skepsis gegen Covid-Maßnahmen ist keine "Weltanschauung" (13.01.2022).
[7] EGMR 08.04.2021 (GK), Vavřička ua gegen Tschechien, Rn 334 f.
[8] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 13.
[9] § 3 Abs 5 COVID-19-IG.
Der Gesundheitsminister hat nach § 6 COVID-19-IG am 15.02.2022 (sog "Stichtag") und in weiterer Folge in Abständen von je drei Monaten (sog "Folgestichtag") impfpflichtige Personen, die nicht ausreichend immunisiert sind, darüber (mittels Erinnerungsschreiben) zu informieren, dass die jeweilige ausständige Impfung bis zum 15.03.2022 (sog "Impfstichtag") oder zu dem im Abstand von je drei Monaten darauffolgenden Tag (sog "Folgestichtag") nachzuholen ist.
Demnach erhält eine unzureichend immunisierte Person jeweils einen Monat vor dem jeweiligen Impfstichtag bzw Folgestichtag ein Erinnerungsschreiben. Dadurch soll ein grundrechtskonformes, verhältnismäßiges Sanktionsregime gesichert sein.[1] Eine Vorladung des säumigen Impfpflichtigen ist hingegen nicht vorgesehen.[2]
Niederschwelliges Impfen ist anzubieten, dabei ist an "Impftage" an den "Impfstraßen" zu denken.[3]
Arbeitgeber sind verpflichtet, Arbeitnehmer während der für die Schutzimpfung einschließlich der An- und Abreise erforderlichen Zeit unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeit freizustellen.[4]
Für die dreiteilige Impfserie der (bisher) zentral zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 legt § 4 Abs 1 COVID-19-IG folgendes Basis-Impfintervall (Zeitraum zwischen den einzelnen Teilimpfungen) fest:
Abweichungen von der dreiteiligen Impfserie und vom Basis-Impfintervall sind zum einen durch die besagte umfassende Verordnungsermächtigung des Gesundheitsministers[5] und zum anderen durch bestätigte Infektionen mit SARS-CoV-2[6] oder Überschreiten gewisser Zeitfenster zur vorangehenden Impfung[7] vorgesehen.
Nachweise der Erfüllung der Impfpflicht oder des Vorliegens eines Ausnahmegrunds können durch Eintragungen im zentralen Impfregister, durch Vorlage eines Impfpasses oder einer ärztlichen Bestätigung über die erfolgte Impfung erbracht werden.[8]
[1] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 13.
[2] Vgl dazu § 16 BG über Schutzimpfungen gegen Pocken.
[3] § 10 COVID-19-IG, IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 19.
[4] § 10 Abs 3 COVID-19-IG.
[5] § 4 Abs 7 COVID-19-IG.
[6] § 4 Abs 2, Abs 6 COVID-19-IG.
[7] § 4 Abs 3 – Abs 5 COVID-19-IG.
[8] § 7 Abs 2 – Abs 3 COVID-19-IG.
Das COVID-19-IG regelt eine indirekte Impfpflicht: Ein Verstoß gegen eine im Erinnerungsschreiben vorgeschriebene Impfung begründet eine Verwaltungsübertretung.
Für die Abwicklung der Verwaltungsstrafe gilt (tw abweichend vom VStG):
[1] § 7 Abs 1, § 8 Abs 1 COVID-19-IG.
[2] § 5 Abs 3 COVID-19-IG.
[3] Der Landeshauptmann kann durch Verordnung (bundeslandweit) Verwaltungsstrafverfahren an sich ziehen, § 12 Abs 2 COVID-19-IG.
[4] § 8 Abs 2 COVID-19-IG.
[5] IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 18.
[6] Vgl dazu hingegen § 45 VStG.
[7] § 49 VStG.
[8] §§ 3, 7 ff VwGVG; Art 130 ff B-VG.
[9] § 54b VStG.
[10] § 1a VVG.
[11] § 3 VVG.
[12] Arg § 8 Abs 1 ("am Impfstichtag und […] je drei Monaten") iVm § 7 Abs 1 COVID-19-IG ("begeht eine Verwaltungsübertretung").
[13] § 1 Abs 3 COVID-19-IG; IA Impfpflichtgesetz, 2173/A 27. GP 11.
Die hitzige Debatte über den Entwurf zur Impfpflicht gegen COVID-19 betrifft einen staatlichen Schutzmechanismus für die öffentliche Gesundheit durch eine allgemeine Impfpflicht. Eine solche war zuletzt (eingriffsintensiver[1]) im Bundesgesetz über Schutzimpfungen gegen Pocken[2] bis zum 31.12.1980[3] geregelt. Bereits jetzt können Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaft, Magistrat) auf Bundesebene (ua)[4] nach § 17 Abs 3 und Abs 4 Epidemiegesetz (EpiG) für einen jeweils beschränkten Personenkreis eine Impfpflicht verordnen[5] bzw bescheidförmig[6] anordnen.
Das Regeln einer allgemeinen Impfpflicht obliegt dem Bund.[7] Eine Impfpflicht stellt als unfreiwillige Behandlung (insb)[8] einen Eingriff in die grundrechtlich bzw verfassungsrechtlich geschützte körperliche Unversehrtheit[9] dar, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Die Zulässigkeit eines solchen Eingriffs ist am konkreten Impfstoff und an den Eigenheiten der Infektionskrankheit zu bestimmen.[10] Je intensiver der Eingriff, desto größer muss der Nutzen der Impfung sein. Demnach gilt eine Impfpflicht als verhältnismäßig, wenn das Risiko von Nebenwirkungen und Folgeschäden durch die Impfung gering und der Impfstoff sicher und wirksam, das Risiko einer Infektion, von Komplikationen und Todesfällen im Laufe der Krankheit dagegen groß ist.[11]
Legitime Schutzziele zur Verhinderung strafbarer Handlungen,[12] zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer haben jüngst den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) veranlasst, eine Impfpflicht von Kindern gegen Kinderkrankheiten als grundrechtskonform einzustufen.[13] Dabei räumt der EGMR den Mitgliedstaaten einen weiten[14] Ermessensspielraum ein, um einen Interessensausgleich zwischen der (privaten) Selbstbestimmung und den öffentlichen Interessen zu finden. Der EGMR betont auch die positiven Schutzpflichten eines Konventionsstaats, durch angemessene Maßnahmen das Leben und die Gesundheit jener zu schützen, die seiner Hoheitsgewalt unterstehen.[15] Wesentlich für eine grundrechtskonforme Impfpflicht sei ihre konkrete Ausgestaltung (Umfang der Pflicht, Ausnahmetatbestände für bestimmte Personengruppen, Art der Sanktionen, Rechtsschutz, Schadenersatz, Transparenz, etc), die einen verhältnismäßigen und damit zulässigen Eingriff in Grundrechte[16] gewährleistet.[17] Dabei ist auf den Vorrang gelinderer und damit (auch) freiwilliger Mittel zu achten, um eine möglichst hohe Durchimpfungsrate zu erreichen. Dazu zählen etwa Gratisimpfungen mit intensiven Aufklärungskampagnen, Impfempfehlungen mit finanziellen Anreizsystemen, finanzielle Zuwendungen ("Impfprämien"), ein Entzug von Sozialleistungen oder beschränkter Zugang zu öffentlichen Einrichtungen wie Kindergärten.[18] Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit war auch einer der maßgeblichen Punkte in der Diskussion über die Grundrechtskonformität der (indirekten) Impfpflicht in Österreich ab Anfang Februar 2022.
Im Übrigen sind geltende Impfprogramme in Österreich (unverbindliche) Empfehlungen,[19] bei denen der Bund für Schäden durch eine Schutzimpfung nach dem Impfschadengesetz[20] haftet. Seit dem 19.12.2020 fällt unter diese Entschädigungspflicht auch die Impfung gegen COVID-19.[21]
[1] Notimpfungen als AuvBZ, (auch) Freiheitsstrafe als Verwaltungsstrafe nach Vorladung, vgl dazu auch VwGH 21.02.1979, 1440/77.
[2] BGBl 1948/156.
[3] BGBl 1980/583.
[4] Wie auch Berufsgesetze und (sonstige) Regelungen im Heil- und Pflegewesen dazu Gamper, Stets umstritten – die Zulässigkeit einer Impfpflicht, DRdA-infas 2021, 249 (250).
[5] Kopetzki, Impfpflicht und Verfassung, RdM 2017/42.
[6] VfGH 02.03.2021, G 362/2020.
[7] Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG ("Gesundheitswesen").
[8] Beachte auch Recht auf Leben (Art 2 EMRK), Verbot der Folter (Art 3 EMRK), Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art 9 EMRK).
[9] Schutzbereich "Privatleben" iSd Art 8 EMRK.
[10] Dazu eingehend Krasser, Zur grundrechtlichen Zulässigkeit einer Impfpflicht, RdM 2020, 136 (136 ff).
[11] Krasser, RdM 2020, 136 (141).
[12] §§ 178 f StGB.
[13] EGMR 08.04.2021 (GK), Vavřička ua gegen Tschechien, Rn 263, 272; dabei waren allerdings langjährig erprobte Impfstoffe gegen Kinderkrankheiten betroffen (Polio, Hepatitis B, Tetanus, Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln, etc) EGMR 08.04.2021, Vavřička ua gegen Tschechien, Rn 158, 291.
[14] EGMR 08.04.2021 (GK), Vavřička ua gegen Tschechien, Rn 310.
[15] EGMR 08.04.2021 (GK), Vavřička ua gegen Tschechien, Rn 282.
[16] Art 2, Art 3, Art 8, Art 9 EMRK.
[17] EGMR 08.04.2021 (GK), Vavřička ua gegen Tschechien Rn 290 ff.
[18] Vgl Kopetzki, Minenfeld "Impfzwang", RdM 2021/241.
[19] Hiersche/K. Holzinger/Eibl, Handbuch des Epidemierechts (2020) 82 f.
[20] BGBl 1973/371 idF BGBl I 2021/210.
[21] § 1b Abs 2 Impfschadengesetz iVm Verordnung über empfohlene Impfungen (BGBl II 2006/526 idF BGBl II 2020/577).
Im COVID-19-IG ist der Verstoß gegen die Impfpflicht verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert, weitere Folgen sind darin für einen Verstoß nicht geregelt. Nachfolgend wird auf einige Aspekte hingewiesen, die mit dem Einführen einer Impfpflicht zu beachten sind.
Als Arbeitsort sind alle Orte der beruflichen Tätigkeit erfasst, sofern keine Ausnahmen nach den COVID-19-Vorschriften (wie für Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit oder "Home-Office")[1] gelten. Beim Betreten und Verweilen am Arbeitsort ist aktuell als sog Nachweis einer lediglich geringen epidemiologischen Gefahr grundsätzlich ein "3G-Nachweis" (Geimpft – Genesen – Getestet) zu erbringen, sofern ein physischer Kontakt zu anderen Personen (bei einer Durchschnittsbetrachtung)[2] nicht auszuschließen ist.[3]
Als Folge der Impfpflicht und einer damit indizierten epidemiologischen Erforderlichkeit könnte ein strengerer Nachweis in Form eines "2G-Nachweises" (Geimpft – Genesen) am Arbeitsort auferlegt werden. Ein Wechsel zu einer 2G-Nachweispflicht ist (örtlich) ausdifferenziert möglich und kann unter Bedachtnahme auf die jeweils vorherrschende epidemiologische Situation (aus verwaltungsrechtlicher Sicht) zügig jederzeit verordnet werden: Für eine bundesweite Änderung hat der Gesundheitsminister den geltenden § 11 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordung ("Ort der beruflichen Tätigkeit") auf Grundlage von § 3 COVID-19-Maßnahmengesetz[4] anzupassen. Ferner kann eine 2G-Nachweispflicht am Arbeitsort landesweit bzw bezirksweit vom Landeshauptmann oder von einer Bezirksverwaltungsbehörde verordnet werden. Dabei kommen zusätzlich regionale Differenzierungen in Betracht.[5] Schließlich können vom Arbeitgeber in begründeten Fällen (nach einer Arbeitsplatzevaluierung) über die geltende Verordnung des Gesundheitsministers hinaus strengere Nachweispflichten vorgesehen werden.[6]
Die geltenden gesundheitspolizeilichen Maßnahmen zur Verhinderung und Verbreitung von COVID-19 sehen mit Ausnahme vom Ort der beruflichen Tätigkeit den 2G-Nachweis als Regel vor. So ist bereits jetzt eine 2G-Nachweispflicht etwa für den Umgang mit vulnerablen Personengruppen (mobiles Pflegepersonal, Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen) und für Kunden bzw Gäste beim Betreten von Geschäften ("Betriebsstätten")[7], vom Gastgewerbe, von Freizeit- und Kultureinrichtungen, von gewissen Beherbungsbetrieben oder gewissen Verkehrsmitteln sowie (eigentlich) auch für einen unbeschränkten Ausgang normiert.
Für die Durchführung der Nachweispflicht gilt: Der (2G- bzw 3G-)Nachweis ist (vom Arbeitnehmer[8], Inhaber, Betreiber) stets mit sich zu führen, bereitzuhalten und auf Verlangen vorzuweisen. Stichprobenartige, wirksame[9] Kontrollen hat ua der Inhaber eines Arbeitsortes durchzuführen.[10] "Inhaber" ist der für den jeweiligen Arbeitsort Verantwortliche, der die Gestaltungsmöglichkeiten zur Einhaltung der Nachweiskontrollen hat.[11] Inhaber von Arbeitsorten mit mehr als 51 Arbeitnehmern haben in ihrem verpflichtenden COVID-19-Präventionskonzept auch Vorschriften zur Kontrolle von Nachweisen und zur Sicherstellung sonstiger Auflagen (zB Maskenpflicht, Mindestabstandsregeln) zu enthalten.[12] Den kontrollpflichtigen Inhabern von Arbeitsorten ist es untersagt, Nachweise und der in den Nachweisen enthaltenen personenbezogenen Daten zu vervielfältigen, aufzubewahren oder zu verarbeiten.[13] Anonymisierte Aufzeichnungen sollten diesen datenschutzrechtlichen Vorgaben genügen.
Verstöße gegen die Nachweispflicht (durch den Arbeitnehmer) und der damit zusammenhängenden Kontrollpflicht (durch den Inhaber des Arbeitsorts) stellen Verwaltungsübertretungen dar und sind mit bis zu € 500 bzw € 3.600 Geldstrafe sanktioniert.[14] Für die Kontrolle der Einhaltung der Nachweis- und ihrer Kontrollpflicht sind der Bezirksverwaltungsbehörde bzw deren Organen und über deren Ersuchen den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Bundespolizei) und Sachverständigen umfassende Befugnisse eingeräumt. Dazu zählen Überprüfungen vor Ort mit Einsichtnahme in Unterlagen, die mit der Einhaltung der Nachweispflicht in Zusammenhang stehen, Beweismittelsicherungen oder Auskunftsobliegenheiten des Inhabers einer Betriebsstätte. Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben gelinde und damit verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen, sind jedoch zu Organstrafverfügungen und Zwangsmitteln ermächtigt.[15]
Gerade für Unternehmen mit größerer Belegschaft können Verletzungen kostenintensiv werden. Aufgrund des Kumulationsprinzips ist es nicht auszuschließen, dass ein Inhaber des Arbeitsorts eine Verwaltungsübertretung und damit eine Geldstrafe pro rechtsbrüchigen Mitarbeiter zu verantworten hat und folglich Kontrollen durch die zuständigen Behörden zu einer weiter über € 3.600 übersteigenden (Gesamt-)Geldstrafe führen. Dagegen ist allerdings die Eigenart der bloß stichprobenartigen Kontrollen einzuwenden. Da keine strengen permanenten Einlasskontrollen gefordert sind, soll die zuständige Behörde Verstöße gegen die Einhaltung von Kontrollpflichten durch den Inhaber des Arbeitsorts mit einer Geldstrafe von bis zu € 3.600 pro Ort der beruflichen Tätigkeit ahnden. Auch die bisherige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu Verstößen gegen Auflagen zur Eindämmung von COVID-19 stützt die Annahme einer Strafe pro Ort.[16]
Die aktualisierten Richtlinien über die Gewährung der laufenden COFAG-Unterstützungsprogramme (insb Verlustersatz III, Ausfallsbonus III)[17] schließen einen erfolgreichen Antrag (ua) aus, sofern der Antragsteller im Betrachtungszeitraum mindestens zweimal wegen Verstöße gegen "Einlasskontrollen" rechtskräftig bestraft wurde. Die Kontrollpflichten des Inhabers eines Arbeitsorts (wie auch Kontrollpflichten im Handel) betreffen laut den rechtlichen Begründungen gerade keine Einlasskontrollen und sind damit ausgenommen.[18]
Eine Gewerbeberechtigung, die zur Ausübung aller unter die GewO fallenden Gewerbe erforderlich ist, ist von der zuständigen Behörde (befristet) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.[19] Das Gewicht des Verstoßes ergibt sich ua aus der Bedeutung des verletzten Schutzinteresses.[20] Im Falle der Kontrollpflichten von 3G- bzw 2G-Nachweisen nach den COVID-19-Maßnahmen wiegt das (öffentliche) Schutzinteresse schwer, es liegt in der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und damit (ua) im Interesse des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer, der als grundlegende arbeitnehmerschutzrechtliche Pflicht für den Arbeitgeber festgelegt ist.[21] Das Schutzinteresse trifft in Hinblick auf kontrollpflichtige Inhaber von Arbeitsorten grundsätzlich bei allen Arten des Gewerbes gleichermaßen zu. Das evidente öffentliche Schutzinteresse wird auch den hoch angesetzten Strafrahmen in § 8 COVID-19-MG bestätigt. Ein schwerwiegender Verstoß iSd GewO ist bei einem einmaligen Verstoß gegen Kontrollpflichten nur bei sehr hohem Unrechtsgehalt bzw bei einer sehr hohen Geldstrafe in Extremfällen anzunehmen. Im Übrigen kommt eine Entziehung der Gewerbeberechtigung insb bei wiederholten Verwaltungsübertretungen in Frage. Weiters gilt es zu beachten: Hat der gewerberechtliche Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer die schwerwiegenden Verstöße zu verantworten, hat die Gewerbebehörde seine Bestellung zu widerrufen.[22]
Eine Infektion am Arbeitsort bei mangelhafter Kontrolle der Nachweispflicht kann zu Regressansprüchen seitens der AUVA gegen den verantwortlichen Inhaber des Arbeitsortes aus den Behandlungskosten führen.[23]
Die Einführung eines 2G-Nachweises am Arbeitsort kommt grundsätzlich einem Beschäftigungsverbot für Ungeimpfte gleich und könnte allenfalls als Entlassungsgrund für (dauerhaft) Ungeimpfte angesehen werden. Bereits aus verfassungsrechtlichen Erwägungen (Erwerbsfreiheit) ist auf eine ausdifferenzierte, verhältnismäßige Regelung (Ansteckungsgefahr nach Tätigkeitsprofil, Übergangsbestimmungen, etc) zu achten. Aktuell ist ein (bundes-)politischer Wille zur Umsetzung einer 2G-Nachweispflicht am Arbeitsplatz nicht ersichtlich, weil das Beschäftigungsverbot Ungeimpfter einer Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen wäre, die (auch) den Entzug von Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, Mindestsicherung) zur Folge hätte.[24]
Ein Verstoß gegen die Nachweispflicht muss vom Arbeitgeber aufgrund seiner Kontrollobliegenheiten nach den gesundheitspolitischen COVID-19-Maßnahmen und seiner Fürsorgepflicht[25], die Gesundheit sämtlicher Arbeitnehmer zu schützen, berücksichtigt werden. Folgendes kommt gegenüber dem ungehorsamen Arbeitnehmer in Betracht:
[1] Vgl § 11 Abs 4, § 21 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordung (6. COVID-19-SchuMaV).
[2] Rechtliche Begründung zur 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung 5.
[3] § 1 Abs 5 Z 5 COVID-19-MG iVm § 11 Abs 2 6. COVID-19-SchuMaV.
[4] Siehe auch § 1 Abs 5, Abs 5a, § 7 COVID-19-MG.
[5] § 7 COVID-19-MG.
[6] § 11 Abs 7 6. COVID-19-SchuMaV; Wirtschaftskammer Österreich, Stellungnahme vom 23.12.2021 zum Begutachtungsentwurf des COVID-19-IG (SpG 94-19/2021/CZ/KP) 3; eingehend Obrecht, Was in Corona-Zeiten im Arbeitsverhältnis angeordnet werden darf, RdW 2021, 709.
[7] Davon sind Betriebsstätten zur Deckung notwendiger Grundbedürfnisse des täglichen Lebens ausgenommen.
[8] Seuchenrechtlich autonomer Begriff, der alle arbeitsrechtlichen Rechtsverhältnisse (Arbeitsvertrag, Werkvertrag, [freier] Dienstvertrag, etc) erfasst; Rechtliche Begründungen zur 2. Novelle zur 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung 7 f.
[9] Keine systematischen Einlasskontrollen erforderlich, zusätzlich sind Hinweise oder sonstige Belehrungen sinnvoll, Rechtliche Begründung zur 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung 5 f.
[10] § 1 Abs 5d COVID-19-MG.
[11] AB 813 BlgNR 27. GP 2.
[12] § 11 Abs 6 6. COVID-19-SchuMaV.
[13] § 1 Abs 5d COVID-19-MG.
[14] § 8 COVID-19-MG.
[15] §§ 9, 10 COVID-19-MG; § 23 6. COVID-19-SchuMaV.
[16] ZB LVwG Tirol LVwG-2021/37/1901-7 (02.11.2021); LVwG Kärnten KLVwG-503-504/4/2021 (24.06.2021); LVwG Tirol LVwG-2021/14/0562-9 (21.06.2021).
[17] BGBl II 2021/582, BGBl II 2021/583.
[18] Vgl Rechtliche Begründung zur 3. COVID-19-Maßnahmenverordnung 5 f.
[19] § 87 Abs 1 Z 3 GewO; vgl auch LVwG Tirol LVwG-2021/25/1843-1.
[20] RV 635 BlgNR 18. GP.
[21] § 3 ASchG.
[22] § 91 Abs 1 GewO; beachte ferner für Gewerbetreibende als juristische Person § 91 Abs 2 GewO.
[23] Zischka, Antworten auf die 11 wichtigsten Fragen zu 3-G am Arbeitsplatz, PVP 2021, 291 (294).
[24] https://orf.at/stories/3243564/ (13.01.2022).
[25] § 1157 ABGB; § 3 Abs 1 ASchG.
[26] Obrecht, RdW 2021, 709 (714 f); vgl OGH 14.09.2021, 8 ObA 42/21s; OGH 14.09.2021, 8 ObA 54/21f.
Die Kontrollpflicht vom 2G-Nachweis durch den Betreiber der Betriebsstätte stellt im Handel ("Kundenbereich von Betriebsstätten") eine bloß stichprobenartige Einlasskontrolle dar.[1] Sie ist damit eine Ausnahme von sonstigen 2G-Nachweispflichten nach der 6. COVID-19-SchuMaV, die stets beim Einlass durchgehend zu kontrollieren sind. Im Handel lebensnotwendiger Geschäfte gilt jedoch die 2G-Kontrollpflicht nicht, die allgemeine Maskenpflicht im Kundenbereich ist aufrecht.[2]
Der Betreiber hat dafür zu sorgen, dass auf die 2G-Pflicht im Eingangsbereich durch entsprechende Aushänge hingewiesen wird und spätestens an der Kassa ein 2G-Nachweis des Kunden etwa durch Vorlage des Grünen Passes kontrolliert wird. Die Übertragung dieser Kontrollpflichten an das Kassapersonal ist durch die neu geschaffene Grundlage in § 6 Abs 1a 6. COVID-19-SchuMaV gedeckt, sofern der Betreiber vorab sein Personal über diese Kontrollpflichten ausreichend aufklärt. Jedenfalls haftet der Betreiber für Verstöße gegen seine Kontrollpflichten, die spätestens beim Erwerb der Ware oder Dienstleistung (von seinem Personal) zu erfüllen sind.[3]
[1] § 6 6. COVID-19-SchuMaV; Rechtliche Begründung zur 6. Novelle zur 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung 4.
[2] § 6 Abs 4 6. COVID-19-SchuMaV.
[3] Vgl § 8 Abs 4 COVID-19-MG.
Ungeimpften drohen Hindernisse bzw höhere Prämien beim Abschluss neuer Versicherungsverträge. Unabhängig von der Einführung einer Impfpflicht führt der ungeimpften Status des Versicherten zu einer Risikoerhöhung, der Versicherer könnte sich unabhängig vom Eintritt eines Versicherungsfalls vom Vertrag lösen.[1]
[1] Siehe Perner, Impfverweigerung nimmt Versicherungsschutz, Die Presse 2021/48/06 (29.11.2021).
Günther
Leissler
Partner
austria vienna