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Partner eines gemeinsamen Unternehmens sollten sich schon im Vorfeld darüber einigen, wie mögliche Konflikte gelöst werden sollen
Dieser Artikel erschien am 22. Dezember 2022 auf derstandard.at.
Joint Ventures haben einen enorm hohen Stellenwert in der Wirtschaftswelt, und die wirtschaftlichen Gründe für die Errichtung eines Joint Ventures sind vielschichtig. Doch worum handelt es sich eigentlich, wenn man umgangssprachlich von einem Joint Venture spricht? Darunter versteht man üblicherweise die Kooperation ("gemeinsames Wagnis/Unterfangen") zweier oder mehrerer rechtlich und wirtschaftlich unabhängiger Unternehmen zu einem gemeinschaftlichen Zweck. Und was genau bedeutet das für die Vertragspraxis?
Aus Sicht des Gesellschaftsrechts muss man in erster Linie zwischen einem vergesellschafteten Joint Venture (Equity Joint Venture) und einem rein vertraglichen Joint Venture (Contractual Joint Venture) unterscheiden. Unter dieser ersten Abgrenzungsebene gibt es noch eine Vielzahl an unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten (zum Beispiel aufgrund der Branchenzugehörigkeit), die sich nach den Verhältnissen der jeweiligen Parteien richten. Dabei ist insbesondere die Unterscheidung von Bedeutung, ob es sich um eine längerfristige strategische Zusammenarbeit oder die projektbasierte Zusammenarbeit handelt.
Gründen oder beteiligen sich die Parteien also an einer gemeinsamen Gesellschaft, spricht man von einem vergesellschafteten Joint Venture, was mitunter die "klassische Form" eines Joint Ventures darstellt. Diesfalls erfolgt die Kooperation der Parteien durch ein gemeinsam kontrolliertes und rechtlich selbstständiges Unternehmen (Gesellschaft), dessen Rechts- und Gesellschaftsform von den Gesellschaftern unter Berücksichtigung des anwendbaren Steuer- und Gesellschaftsrechts zu wählen ist. Die zumeist bevorzugte Gesellschaftsform für vergesellschaftete Joint Ventures in Österreich ist (wenig überraschend) die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
Hingegen erfolgt bei einem rein vertraglichen Joint Venture die Zusammenarbeit direkt auf Ebene der Joint-Venture-Partner (vielmals auch "Strategic Alliance" oder "Business Collaboration" bezeichnet), und es wird kein gemeinsames Unternehmen gegründet. Das hat zur Folge, dass die Parteien gegenüber Dritten direkt auftreten und auch das Risiko einer unmittelbaren Haftung tragen. Allerdings erspart man sich den administrativen Aufwand, der mit der Governance einer gemeinsam gehaltenen (Joint-Venture-)Gesellschaft zwangsläufig verbunden ist. Aus Sicht des Zivil- und Gesellschaftsrechts handelt es sich dabei regelmäßig um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) (zum Beispiel eine ARGE).
Trotz des Ziels der Zusammenarbeit kommt es in der Praxis nicht selten dazu, dass sich die Parteien nach einiger Zeit in grundlegenden Fragen über die gemeinsame Zusammenarbeit (beispielsweise den Business Plan oder Budgets) nicht einig sind und auch nach langen und erhitzten Diskussionen nicht einig werden (sog. "Deadlock"). Diesfalls ist es von Vorteil, wenn die Vertragserrichter bereits in der Gründungsphase, also wo die rosarote Brille noch nicht abgenommen worden ist, entsprechende Überlegungen anstellen.
Nicht selten wird dabei vorgesehen, dass bei Auftritt eines Dissens in der Gesellschafterversammlung eine Eskalation an ein vordefiniertes Verhandlungsgremium aus Entscheidungsträgern erfolgt, das mit entsprechendem Verhandlungspouvoir ausgestattet ist. Alternativ (oder zusätzlich) kann auch ein Mediationsverfahren (beispielsweise nach der VIAC Schieds- und Mediationsordnung) vorgesehen werden. In diesen Fällen besteht jedoch das Risiko, dass auch in derartigen Diskussionen keine Lösung gefunden werden kann, zumal dem Dissens oftmals eine Entscheidung zugrunde liegt, die zeitnah getroffen werden muss.
Handelt es sich also nicht um einen Dissens, den man beispielsweise durch ein indexiertes bzw. inflationsbereinigtes Fortschreiben sanieren kann, und kann auch im Verhandlungsgremium oder durch Mediation keine Parteieneinigung erzielt werden, stellt sich die Frage, wie mit dem Joint Venture weiter verfahren werden soll. Sind die Verhandlungspositionen der Parteien derart festgefahren und geht es in der jeweiligen Sache um eine für die Fortführung des Joint Ventures grundlegende Angelegenheit, ist das Joint Venture in der bestehenden Form augenscheinlich gescheitert. Selbstverständlich steht es den Parteien frei, sämtliche Angelegenheiten in den Verhandlungssaal eines (Schieds-)Gerichts zu tragen, doch kann ein Gericht bei reinen Ermessensentscheidungen der Geschäftsführung oftmals auch keine abschließende Entscheidung treffen.
In solchen Fällen werden in der Praxis häufig spezielle Entflechtungsklauseln (zumeist aus der angloamerikanischen Vertragspraxis) zur abschließenden Lösung derartiger Deadlocks vorgesehen, die eine Liquidation (Abwicklung) der Joint Venture Gesellschaft verhindern und die Fortführung durch einen (oder mehrere) Gesellschafter vorsehen. Dabei gibt es eine Vielzahl an Ausgestaltungsformen, die jedoch allesamt in der Regel darauf hinauslaufen, dass die Gesellschafter einander (wechselseitig) ein Angebot auf Erwerb oder Veräußerung des Geschäftsanteils des jeweils anderen an der Joint Venture Gesellschaft machen:
Entflechtungsklauseln sind möglichst konkret vertraglich festzulegen und haben zwingende Formgebote (zum Beispiel eine Notariatsaktspflicht für GmbH-Geschäftsanteile) einzuhalten, andernfalls der andere Gesellschafter die (zumindest faktische) Möglichkeit erhält, die Anteilsübertragung zu verhindern oder zu verzögern. Die Vertragsgestaltung unterliegt der Privatautonomie der Vertragsparteien.
Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Shoot-out-Klauseln existieren in Österreich weitestgehend nicht (lediglich OLG Wien, 20.04.2009, 28 R 53/09h, wonach eine "Deadlock-Vereinbarung" im GmbH-Gesellschaftsvertrag zulässig ist). In Deutschland (OLG Nürnberg, 20.12.2013; AZ 12 U 49/13) wurden derartige Klauseln weitestgehend für zulässig erachtet und eine generelle Sittenwidrigkeit verneint.
Michael
Marschall
Partner
austria vienna