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08 August 2025
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Neue Klarheit im Dschungel der Entscheidungen zu Wertsicherungsklauseln – Bisherige Wertsicherungsjudikatur auf dem Prüfstand

In den letzten Wochen sorgte das Thema Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen erneut für Schlagzeilen. Für neue mediale Aufregung sorgte zuerst ein Erkenntnis des VfGH vom 24.06.2025 (G 170/2024, G 37-38/2025). Dieses Erkenntnis hatte aber faktisch keine rechtlichen Auswirkungen auf den Status Quo. Im Gegensatz dazu bringt eine neue, sehr detailliert begründete Entscheidung des OGH vom 30.07.2025 (10 Ob 15/25s), die am letzten Freitag veröffentlicht wurde, tatsächlich eine beachtliche Wendung.

Erster Paukenschlag: § 6 Abs 2 Z 4 KSchG gilt nicht für langfristige Vertragsverhältnisse

Die Klägerin beanstandete die vereinbarte Wertsicherungsklausel, weil diese eine Anpassung des Mietzinses innerhalb der ersten zwei Monate nach Vertragsabschluss zulasse. Damit verstoße diese Klausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, eine Bestimmung, die auf Verbraucherverträge zwingend anwendbar ist. Dies habe die Unwirksamkeit der gesamten Wertsicherungsvereinbarung zur Folge. Die Klägerin wollte daher den gesamten Betrag, den sie aufgrund der Wertsicherungsklausel bezahlt hatte, zurück.

Bislang hatten Gerichte diese Bestimmung regelmäßig auch auf Mietverträge angewendet – viele Klauseln waren dadurch unwirksam. Auf dieser Basis wurden vielen Mietern Ansprüche auf Rückforderung von Mietzinsteilen zugesprochen. Der 10. Senat des OGH stellte nun aber klar:

§ 6 Abs 2 Z 4 KSchG ist auf langfristige Dauerschuldverhältnisse – wie etwa Mietverträge – überhaupt nicht anwendbar. Vielmehr gelte die Bestimmung nur für Verträge, die darauf ausgelegt sind, innerhalb von zwei Monaten nach Vertragsabschluss vollständig erfüllt zu sein. Eine Anwendbarkeit auf Bestandverträge, die regelmäßig auf wesentlich längere Dauer abgeschlossen werden, schließt der OGH damit aus.

Dogmatisch richtig, praktisch brisant

Die Entscheidung folgt der Logik des Gesetzes: Der Gesetzgeber wollte mit § 6 Abs 2 Z 4 KSchG kurzfristige, schnell abzuwickelnde Verträge erfassen. Für langfristige Mietverhältnisse war die Bestimmung nie gedacht.

Für die Praxis bedeutet das: Viele Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen, die Gerichte bisher wohl für unzulässig eingestuft hätten, können einer Überprüfung in einem Gerichtsverfahren nunmehr standhalten.

Zweiter Paukenschlag: Ausgangsmonat der Indexierung

Der OGH nimmt in seiner Entscheidung auch zu einem weiteren breit diskutierten Thema Stellung: Ist eine Wertsicherungsklausel automatisch unwirksam, wenn die vertraglich vereinbarte Ausgangsbasis für die Indexierung vor Vertragsabschluss liegt? Die Antwort des Höchstgerichtes: Nein, nicht zwingend.

Nachträgliche konkludente Vertragsanpassung ist möglich

In früheren Verbandsverfahren sprach der OGH aus, dass Wertsicherungsklauseln wegfallen, wenn eine Ausgangsbasis für die Wertsicherung schriftlich im Mietvertrag angeführt ist, die vor dem Vertragsabschlusszeitpunkt liegt. Praktisch ist dies relevant, weil Vermieter und Hausverwaltungen oft Mustermietverträge verwenden und dabei übersehen, die Ausgangsbasis anzupassen. Berechnet werden die Wertsicherungen aber meist entgegen der unrichtig im Vertrag festgehaltenen Ausgangsbasis dann korrekt, ausgehend vom bei Vertragsabschluss zuletzt verlautbarten Wert des betreffenden Verbraucherpreisindex (VPI). In der gegenständlichen Entscheidung kommt der OGH zu folgendem Ergebnis: Ein "offensichtlicher Irrtum" bei der vertraglich vereinbarten Indexierung ist heilbar, wenn die Vertragsparteien in der Praxis tatsächlich etwas anderes gelebt haben.

Im gegenständlichen Fall haben die Parteien den Mietvertrag im März 2021 abgeschlossen und vertraglich den Monat Mai 2017 als Ausgangsbasis für die Wertsicherung im Mietvertrag festgehalten.

Die Hausverwaltung der beklagten Vermieter hatte den Fehler jedoch erkannt und bei der Berechnung der Wertsicherung den Indexwert des VPI 2010 für Dezember 2020 als Ausgangsbasis für die Wertsicherung herangezogen, weil dies der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zuletzt verlautbarte endgültige Wert des VPI 2010 war. Die Klägerin zahlte nach der ersten so durchgeführten Indexierung ein Jahr lang vorbehaltlos die entsprechend wertgesicherte Miete.

Der OGH wertete dieses Verhalten in seiner Entscheidung vom 30.07.2025 als konkludente Zustimmung der klagenden Mieterin. Die Klägerin habe dadurch den Indexwert für Dezember 2020 als Ausgangsbasis akzeptiert und sei diese Ausgangsbasis konkludent vereinbart worden. Das macht die Klausel sohin wirksam.

Ausgangsbasis vor Vertragsabschluss nicht zwingend unzulässig

Damit stellte der OGH außerdem klar: Ein Ausgangsindex vor Vertragsabschluss ist nicht automatisch unwirksam. Gerade eine Wertsicherungsvereinbarung, die an die vor Vertragsabschluss zuletzt verlautbarte (endgültige) Indexzahl anknüpft, ist nämlich gerade nicht ungewöhnlich. Vielmehr sind derartige Vereinbarungen durchaus verkehrsüblich und damit auch in Mietverträgen zulässig.

Fazit

Die gegenständliche Entscheidung des OGH ist ein lang ersehnter Lichtblick für Vermieter und bringt eine Wende in der bisherigen Wertsicherungsjudikatur. Zu hoffen bleibt, dass auch andere Senate des OGH dieser Entscheidung folgen, da der betreffende Senat nicht als verstärkter Senat entschieden hat und daher andere Senate nicht (formell) an diese Entscheidung gebunden sind.

Umso spannender bleibt daher die Frage, ob und wie sich diese Rechtsprechung bei der Umsetzung des Regierungsprogramms in künftigen Reformen des Mietrechts niederschlägt.

authors: Constantin Benes, Laura Zobernig

Constantin
Benes

Partner

austria vienna

co-authors