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Die Unsicherheit rund um den Brexit hält an und dürfte auch durch die Abstimmung im britischen Unterhaus am Dienstag nicht beendet werden. Angesichts dessen suchen Finanzinstitute im Vereinigten Königreich und in den EU-27-Staaten nach Lösungen, um die Kontinuität bestehender Vertragsbeziehungen auch im Falle eines No-Deal-Brexits zu wahren und die rechtlichen und regulatorischen Risiken unter Kontrolle zu bekommen. - derstandard.at/2000096087518/No-Deal-Brexit-bringt-Finanzierungsrisiken
So wurde auf EU-Ebene am 19. Dezember 2018 eine zeitlich befristete Entscheidung betreffend verschiedene Aspekte von Derivatgeschäften erlassen, die die wesentlichsten Risiken für das europäische Finanzsystem im Falle eines No-Deal-Brexits adressieren soll. Nationale Gesetzgeber in Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Schweden und Spanien haben Gesetze erlassen oder Vorhaben angekündigt, die darauf abzielen, ihre lokalen Finanzmärkte von den Auswirkungen eines No-Deal-Szenarios zu isolieren.
Bei österreichischen Unternehmen spielen die finanzielle Risiken eines Brexits im unternehmerischen Risikomanagement und in den internen Kontrollsystemen (gemäß § 82 AktG und § 22 GmbHG) bisher kaum eine Rolle. Wenn man bedenkt, dass Großbritannien der achtwichtigste Handelspartner Österreichs ist und es darüber hinaus bedeutende Finanzierungs- und Treasury-Beziehungen mit Londoner Banken und Wertpapierfirmen gibt, ist dies etwas überraschend. Laut der letzten Nationalbankstatistik hafteten Ende September 2018 knapp 4,3 Milliarden Euro an Krediten von inländischen Schuldnern gegenüber britischen Gläubigern aus.
Aus Sicht von Unternehmen, die ihre Betriebsmittel in den EU 27 finanzieren oder ihre Absicherungsgeschäfte hier betreiben, wird der Brexit kaum Auswirkungen haben. Doch je höher der Anteil britischer Banken an der revolvierenden Finanzierung und/oder den Hedging-Geschäften eines Unternehmens ist, desto akuter ist das Brexit-Problem. In einem No-Deal-Szenario verlieren diese Kreditgeber und Hedging-Gegenparteien ihre Berechtigungen, im Wege der Dienstleistungsfreiheit in Österreich tätig zu werden. Das kann bedeuten, dass sie wiederausnutzbare Kreditlinien nicht mehr zuzählen dürfen oder die Fortsetzung des Hedgings regulatorisch beschränkt wird.
Im Kreditbereich schlägt die Loan Market Association, die führende Organisation der Branche, vor, diese regulatorischen Einschränkungen durch das sogenannte Designated-Entity-Konzept anzugehen: Wenn relevante Regelungen in der Finanzierungsdokumentation enthalten sind, ist der britische Kreditgeber berechtigt – aber in der Regel nicht verpflichtet -, ein verbundenes Unternehmen aus den EU 27, das weiterhin im Wege der Dienstleistungsfreiheit Kredite nach Österreich vergeben darf, zur Teilnahme an dem betreffenden Kredit zu benennen. Ist dies vertraglich nicht vorgesehen, dann ist wohl eine Übertragung des Kreditverhältnisses auf einen österreichischen oder anderen EU-27-Kreditgeber der richtige Weg. Im Derivatebereich wird argumentiert, dass der Fortbestand bestehender Geschäfte nicht konzessionspflichtig sei, um eine Übertragung auf EU-27-Kreditinstitute oder Wertpapierfirmen zu vermeiden.
In jedem Fall können aber die Änderungen im Kreditkonsortium oder betreffend die Gegenparteien der Absicherungsgeschäfte eine Reihe von operationellen und/ oder steuerlichen Problemen aufwerfen. Eine sorgfältige Befassung mit diesen Themen wird auch Zeit in Anspruch nehmen.
Abhängig vom Umfang der Geschäftsbeziehungen mit britischen Finanzinstituten ist es höchste Zeit, dass österreichische Unternehmen diese Fragen angehen. Notwendig ist zumindest eine Worst-Case-Analyse zum Fortbestand von Finanzierungs- und Treasury-Linien.
Autor: Martin Ebner