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Am 16.06.2021 wurde von der Bundesregierung der Entwurf der neuen Restrukturierungsordnung (ReO), mit der die RL (EU) 2019/1023 (RestrukturierungsRL) umgesetzt wird, beschlossen (siehe hier). Die Regierungsvorlage wird nun im Parlament behandelt und soll im Juli 2021 in Kraft treten (siehe unseren Legal Insight als Übersicht).
Der finale Gesetzesentwurf der ReO wirft auf den ersten Blick aus Gläubigersicht zwei besonders bedeutende Fragen auf: Gibt es in der Praxis überhaupt noch einen Anfechtungsschutz für Zwischenfinanzierungen und wie wird die Rechtsposition besicherter Gläubiger geschützt?
Die RestrukturierungsRL hat erkannt, dass Kreditgeber einem in Restrukturierung befindlichen Unternehmen nur dann frisches Geld geben werden, wenn sie nicht die Anfechtung dieser Finanzierung in einer späteren Insolvenz befürchten müssen. In Umsetzung der RestrukturierungsRL ist im neuen § 36a IO für im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens bzw -plans gewährte Zwischenfinanzierungen und neue Finanzierungen ein partieller Anfechtungsschutz vorgesehen, sollte das Restrukturierungsverfahren scheitern und später ein Insolvenzverfahren eröffnet werden.
Im Ministerialentwurf der ReO vom 23.02.2021 wurde die Anfechtbarkeit von Zwischenfinanzierungen und neuen Finanzierung nach § 31 Abs 1 Z 3 IO (mittelbare Nachteiligkeit) wegen Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der insolvenzrechtlichen Überschuldung des Schuldners zur Gänze ausgeschlossen. Auch wenn aus Sicht der Restrukturierungspraxis ein weitergehender Schutz des "Fresh Money" wünschenswert gewesen wäre (eine Anfechtung aufgrund anderer Anfechtungstatbestände oder Kenntnis bzw fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit sollte weiterhin möglich sein), adressierte der Ministerialentwurf zumindest ein in der Praxis besonders heikles Problem der Unsicherheit von Fortbestehensprognosen, die Teil der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung sind.
In der nun vorliegenden Regierungsvorlage wurde der ohnedies eng gehaltene Anfechtungsschutz völlig ausgehöhlt: Nach dem (auch sprachlich misslungenen) § 36a IO gilt der Anfechtungsschutz nicht, wenn dem Gläubiger Zahlungsunfähigkeit bekannt ist. Unter "Zahlungsunfähigkeit" ist gemäß § 67 Abs 2 IO auch insolvenzrechtliche Überschuldung zu verstehen. Der Anfechtungsschutz nach § 36a IO gilt daher auch dann nicht, wenn der neue Geldgeber Kenntnis von einer insolvenzrechtlichen Überschuldung des Unternehmens hat. Damit wird der Zweck des Anfechtungsschutzes aber konterkariert: Das Restrukturierungsverfahren soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers bei Vorliegen einer "wahrscheinlichen Insolvenz" auch bereits insolvenzrechtlich überschuldeten Unternehmen zur Verfügung stehen (vgl etwa § 34 Abs 4 ReO). Natürlich haben informierte Gläubiger dann auch Kenntnis von der insolvenzrechtlichen Überschuldung. Damit greift der neu formulierte "Anfechtungsschutz" nach § 36a IO nicht, wenn im Rahmen der Restrukturierung frisches Geld gegeben wird. Dies, obwohl die Zwischenfinanzierung ohnehin von einem allenfalls bestellten Restrukturierungsbeauftragten geprüft und vom Gericht genehmigt wird. Geprüft und genehmigt, aber trotzdem nicht anfechtungsfest wird dieser Bestimmung jeder praktische Anwendungsfall genommen.
Es ist nicht bekannt, ob diese inhaltliche Änderung tatsächlich beabsichtigt war oder einem legistischen Versehen geschuldet ist (etwa weil man nur klarstellen wollte, dass eine Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit ieS möglich bleiben soll, was schon nach dem Ministerialentwurf der Fall war). Zu fordern ist die Rückkehr zur Formulierung im Ministerialentwurf und eine Klarstellung in den Erläuternden Bemerkungen. Bleibt es aber bei der derzeitigen Formulierung, ist der vermeintliche neue "Anfechtungsschutz" für Zwischenfinanzierungen für die Praxis bedeutungslos. Ein wesentlicher Vorteil des Restrukturierungsverfahrens geht verloren.
Im nun vorliegenden Entwurf wird (richtigerweise) klargestellt, dass auch die Kürzung von Forderungen (Haircut) eine zulässige Restrukturierungsmaßnahme im Rahmen des Restrukturierungsplans sein kann (§ 28 ReO). Mit rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans wird die Forderungskürzung wirksam, die Rechtsfolgen entsprechen daher dem eines rechtskräftig bestätigten Sanierungsplans (§ 39 ReO).
Während ausdrücklich geregelt wird, dass Gläubiger durch den Restrukturierungsplan nicht zur Abgabe von Vertragserklärungen (somit wohl auch Verzicht auf Sicherheiten) verpflichtet werden können (§ 39 Abs 3 ReO), soll nach dem Gesetzeswortlaut wohl eine im Restrukturierungsplan vorgesehene Kürzung von besicherten Forderungen grundsätzlich zulässig sein. Für besicherte Gläubiger ist das ein Novum. Selbst im Insolvenzrecht ist klargestellt, dass ihre Rechte von der Insolvenzeröffnung und von einem Sanierungsplan unberührt bleiben. Die ReO schweigt dazu; nur in Bezug auf Drittsicherheiten wird durch Verweis auf die Insolvenzordnung (§ 151 IO) bestimmt, dass diese unberührt bleiben. Zwar ist für besicherte Gläubiger eine eigene Abstimmungsklasse zu bilden, aber eine Überstimmung innerhalb dieser Klasse und eine Überstimmung der besicherten Klasse ist für den besicherten Gläubiger nicht ausgeschlossen. Auch das vorgesehene Korrektiv, dass (besicherte) Gläubiger im Vergleich zu einem alternativen Insolvenzverfahren nicht schlechter gestellt werden dürfen, ist für Gläubiger unbefriedigend; liegt dessen Prüfung doch in den Händen des Gerichts bzw des für die Bewertung des Sicherungsguts bestellten Sachverständigen. Es ist schwer vorstellbar, dass dieser Eingriff bei der Sicherheitenbewertung der Banken spurlos vorübergeht.
Die ReO, insbesondere die Möglichkeit eines vereinfachten Restrukturierungsverfahrens, könnte von wesentlicher Bedeutung für die zukünftige Restrukturierungspraxis sein; viele im Begutachtungsverfahren geäußerte Kritikpunkte wurden im finalen Entwurf adressiert. Zur Sicherstellung eines praxistauglichen Restrukturierungsrahmens bleibt zu hoffen, dass die erwähnten Schwachstellen des Entwurfs noch vor Inkrafttreten der ReO korrigiert werden.