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Mit 30.06.2023 enden in Österreich die letzten Covid-Maßnahmen, virtuelle Versammlungen von Gesellschaften soll es aber auch in Zukunft noch geben.
Im Zuge der Covid-Gesetzgebung wurde es vorübergehend ermöglicht, Gesellschafterversammlungen virtuell abzuhalten. Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen wurden bislang immer nur für ein halbes Jahr verlängert. Ende April 2023 wurde nun ein Ministerialentwurf im österreichischen Parlament eingebracht, wonach ab 14.07.2023 virtuelle Gesellschafterversammlungen dauerhaft möglich sein sollen. Sofern der Gesetzesentwurf in der vorliegenden Form beschlossen wird, kommt in Zukunft (anders als während der Pandemie) der gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit virtuellen Gesellschafterversammlung zu. Mögliche Gestaltungsspielräume in Gesellschaftsverträgen sollten bereits jetzt geprüft und ausgenützt werden, damit auch in Zukunft noch virtuelle Gesellschafterversammlungen in der gewünschten Weise abgehalten werden können.
Die Abhaltung von virtuellen Versammlungen hat sich in der Praxis in den letzten drei Jahren bewährt und die Abhaltung von Präsenzversammlungen wurde immer mehr zur Ausnahme als zur Regel. Die Vorteile liegen auf der Hand. Versammlungen können zeitlich viel flexibler abgehalten werden und Gesellschafter können von jedem Ort der Welt teilnehmen. Eine weite Anreise von internationalen Gesellschaftern ist nicht mehr zwingend erforderlich, was den Zeitgeist trifft und ESG-Gedanken stärkt.
Der vorliegende Ministerialentwurf zur Einführung des Virtuellen Gesellschafterversammlungen-Gesetzes (VirtGesG) enthält diverse praktische Neuerungen im Vergleich zum aktuell befristet geltenden Covid-19-GesG. Das Gesetz soll auf Hauptversammlungen einer AG oder SE, Generalversammlungen einer GmbH, Genossenschaft oder SCE, Mitgliederversammlungen eines Vereins, eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (Mitgliedervertretung) oder eines kleinen Versicherungsvereins und Vereinsversammlungen einer Sparkasse anwendbar sein (der Gesetzesentwurf verwendet für alle Versammlungen gemeinsam den Begriff "Gesellschafterversammlung"). Neu eingeführt sollen moderierte und hybride Versammlungen werden, anders als im Covid-19-GesG sollen vom Gesetz jedoch keine Versammlungen von Organmitgliedern (zB Aufsichtsratsversammlungen, Vorstandsversammlungen, etc) mehr umfasst sein. Solche Versammlungen von Organmitgliedern können aber wie bisher nach allgemeinen Regeln virtuell abgehalten werden.
Die wichtigste Änderung im vorliegenden Gesetzesentwurf im Vergleich zum Covid-19-GesG ist wohl, dass virtuelle Versammlungen zukünftig nur noch auf Basis einer expliziten Regelung im Gesellschaftsvertrag möglich sein sollen. Hier besteht also konkreter Handlungsbedarf, weil die meisten Gesellschaftsverträge aktuell noch nicht ausreichend Möglichkeiten in diese Richtung vorsehen.
Eine einfache virtuelle Versammlung ist das, was bislang bereits auf Basis des Covid-19-GesG möglich war. Eine klassische Videokonferenz (wie zB über Microsoft Teams oder Zoom) erfüllt die Voraussetzungen: Es muss eine akustische und optische Zweiweg-Verbindung in Echtzeit mit den Teilnehmern möglich sein. Eine Identitätsprüfung der Teilnehmer (zB durch das Halten eines Lichtbildausweises in die Kamera) hat zu erfolgen, wenn Zweifel über die Identität eines Teilnehmers bestehen.
Im Vergleich zu einer einfachen virtuellen Versammlung ist bei einer moderierten virtuellen Versammlung eine bloße optische und akustische Übertragung in Echtzeit ausreichend (dh keine Zweiweg-Verbindung). Die Gesellschafter müssen jedoch die Möglichkeit haben, dass sie sich während der Versammlung im Wege einer elektronischen Kommunikation zu Wort melden können und ihnen muss dann vom Versammlungsleiter eine Redemöglichkeit im Wege der Videokommunikation eingeräumt werden können.
Die Möglichkeit einer moderierten virtuellen Versammlung ist für Gesellschaftsversammlungen mit einem großen Teilnehmerkreis gedacht. Die am Markt bekannten Videokonferenztools (wie zB Microsoft Teams) enthalten bereits entsprechende Funktionen, welche es ermöglichen, dass ein Organisator nur bestimmten Personen eine Redemöglichkeit einräumen kann und andere Personen erst nach expliziter Freischaltung sprechen können. Diese Funktionen dürften daher für eine moderierte virtuelle Versammlung nützlich sein.
Die Durchführung einer hybriden Versammlung soll den potenziellen Teilnehmern maximalen Spielraum geben. Eine hybride Versammlung ist eine Mischung aus einer physischen und einer virtuellen Versammlung. Den einzelnen Teilnehmern bleibt die Wahl, in welcher Form sie teilnehmen. Es muss aber zwingend für den Präsenzteil der Versammlung ein konkreter Versammlungsort festgelegt werden. Die Gesellschaft hat bei einer hybriden Versammlung auf die Gleichbehandlung der physisch anwesenden und virtuell zugeschalteten Teilnehmer zu achten.
Das Grundprinzip soll zukünftig sein, dass sowohl einfache virtuelle als auch moderierte und hybride Versammlungen nur nach Maßgabe und auf Basis einer expliziten Regelung im Gesellschaftsvertrag möglich sind.
Konkret sollen folgende Gestaltungsmöglichkeiten im Gesellschaftsvertrag vorgesehen werden können:
Unabhängig von der gesellschaftsvertraglichen Regelung soll im Einzelfall immer eine Vollversammlung in Präsenz möglich sein. Umgekehrt ist es noch unklar, ob virtuelle Vollversammlungen möglich sind, wenn die gesellschaftsvertraglichen Grundlagen fehlen.
Für börsenotierte Aktiengesellschaften gelten grundsätzlich die gleichen Regelungen wie für alle anderen Gesellschaften. Zusätzlich gibt es jedoch noch ein paar Sonderbestimmungen, welche vor allem kleine Aktionäre schützen sollen.
Das Frage- und Antragsrecht der Aktionäre soll schon im Zeitraum vor der Versammlung ausgeübt werden können. Die Gesellschaft hat den Aktionären dafür einen elektronischen Kommunikationsweg zu eröffnen, über den sie Fragen und Beschlussanträge spätestens am dritten Werktag oder einem vom einberufenden Organ festzulegenden späteren Zeitpunkt vor der Versammlung an die Gesellschaft übermitteln können. In der Hauptversammlung selbst können sich die Aktionäre selbstverständlich weiterhin zu Wort melden. Diese Fragen und Beschlussanträge sind den anderen Versammlungsteilnehmern durch eine Verlesung während der Versammlung oder auf andere Weise zur Kenntnis zu bringen (zB Veröffentlichung auf der Website).
Im Covid-19-GesG war vorgesehen, dass die Stellung von Beschlussanträgen, die Stimmabgabe und die Erhebung eines Widerspruchs in einer virtuellen Hauptversammlung ausschließlich durch besondere Stimmrechtsvertreter möglich ist. Die Aktiengesellschaft musste hierfür vier unabhängige Personen mit dieser Aufgabe betrauen. In Zukunft soll es weiterhin zwei solche Stimmrechtsvertreter geben, die Aktionäre sollen jedoch nicht mehr ausschließlich nur über diese Stimmrechtsvertreter ihre Rechte ausüben können. Die Stimmrechtsvertreter sollen nur noch ein freiwilliges Angebot an Aktionäre sein.
Wie auch bei Präsenzversammlungen sollen bei entsprechender Regelung in der Satzung auch bei virtuellen Versammlungen bereits Stimmabgaben vor der Versammlung auf elektronischem Weg möglich sein (beispielsweise per E-Mail oder nach Authentifizierung über das Internet). Vorweg abgegebene Stimmen müssen jedoch bis zur Abstimmung in der virtuellen Hauptversammlung stets auch widerrufen oder abgeändert werden können.
Neu eingeführt werden soll schließlich noch ein besonderes Minderheitenrecht: Aktionäre, die zusammen zumindest 10% des Grundkapitals der Gesellschaft halten, sollen verlangen können, dass die nächste ordentliche Hauptversammlung in Form einer Präsenzversammlung oder als hybride Versammlung durchgeführt wird, wenn die letzte ordentliche Hauptversammlung in virtueller Form stattgefunden hat (Hauptversammlungen nach dem Covid-19-GesG zählen hier nicht). Die 10%-Schwelle kann in der Satzung reduziert werden. Es soll dadurch vermieden werden, dass gegen den Willen von Aktionären ausschließlich virtuelle Versammlungen stattfinden.
Die Bestimmungen in Satzungen von börsenotierten Aktiengesellschaften über die Regelung von virtuellen Hauptversammlungen sind auf längstens fünf Jahre zu befristen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Entscheidung über die Art der Durchführung der Hauptversammlung periodisch von den Aktionären neu bewertet und legitimiert werden muss.
Nach dem vorliegenden Ministerialvorschlag soll das neue Virtuelle Gesellschafterversammlungen-Gesetz (VirtGesG) mit 14.07.2023 in Kraft treten. Die Begutachtungsfrist im Parlament endet am 26.05.2023.
In Zukunft soll der gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung große Bedeutung zukommen. Sofern der Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft nicht explizit virtuelle Versammlungen zulässt (was derzeit wohl nur sehr wenige Gesellschaftsverträge machen), können daher möglicherweise ab Juli 2023 keine virtuellen Versammlungen mehr abgehalten werden. Gesellschaften sollten daher früh genug ihre Gesellschaftsverträge prüfen und auch bereits bei Gelegenheit entsprechende Änderungen in Erwägung ziehen. Vor allem große Gesellschaften, welche ihre ordentliche General- bzw Hauptversammlung in diesem Jahr schon hinter sich gebracht haben, werden im nächsten Jahr möglicherweise jedenfalls eine Präsenzversammlung abhalten müssen, wenn sich bis dahin keine Gelegenheit mehr zu einer Änderung des Gesellschaftsvertrags ergibt.
author: Niklas Kerschbaumer
Niklas
Kerschbaumer
Attorney at Law
austria vienna