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Die Neuheitsschonfrist im EU-Designrecht bietet DesignerInnen ein Sicherheitsnetz: Wenn Sie Ihr Design bis zu 12 Monate vor der Anmeldung eines Unionsdesigns öffentlich teilen (zB ein Prototyp, in der Werbung oder auf einer Messe), verlieren Sie nicht Ihr Recht auf Registrierung. Dies gibt DesignerInnen die Möglichkeit, ihr Design vor der formellen Anmeldung auf dem Markt zu testen, ohne dass die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart dem Designschutz entgegenstehen.
Bislang war unklar, ob die veröffentlichte Version des Designs mit der später zur Registrierung angemeldeten Designversion identisch sein oder denselben Gesamteindruck vermitteln musste, um sich auf die Neuheitsschonfrist berufen zu können.
Am 12.03.2025 entschied das Europäische Gericht in der Rechtssache T 66/24 (Lidl v EUIPO/Liquidleds), dass Identität nicht immer erforderlich ist: In diesem Fall wurde ein Antrag auf Nichtigerklärung gegen ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster auf Grundlage zweier Designs erhoben, die vor dem Anmeldetag des angegriffenen Designs offenbart worden waren. In seinem Urteil klärte das EuG, dass die Ausnahmeregelung für die Neuheitsschonfrist gemäß Art 7 Abs 2 GGV nicht erforderte, dass das frühere Design identisch mit dem angegriffenen Design war. Es genügte, dass es denselben Gesamteindruck wie das angegriffene Design erweckte.
Das bedeutet, DesignerInnen können – bspw basierend auf Feedback während der Entwicklung und einer Testphase – Anpassungen an Designs vornehmen und sich dennoch auf die Neuheitsschonfrist berufen, solange das endgültig zur Registrierung angemeldete Design denselben Gesamteindruck erweckt wie die ursprünglich veröffentlichte Version.
Obwohl das Urteil des EuG im Ergebnis zu begrüßen ist, vermischt der Wortlaut des neuen Art 7 Abs 2 UGV die Anforderungen der "Identität" und "denselben Gesamteindruck" in einer Satzstruktur – ohne zu unterscheiden, welcher Maßstab für das Schutzerfordernis der Neuheit und welcher für die Eigenart gilt (obschon dies sich bereits aus Art 5 und 6 UGV ergibt). Dies führt zu einem systematischen Spannungsverhältnis, das in der Praxis zu Unsicherheiten führen kann.
Autorin: Birigt Kapeller-Hirsch
Birgit
Kapeller-Hirsch
Counsel
austria vienna