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16 Dezember 2025
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Kärntens Energiewende: Beschleunigung für wenige, Stillstand für den Rest?

Die Kärntner Landesregierung hat eine weitreichende Sammelnovelle[1] in Begutachtung geschickt, die einen Paradigmenwechsel für den Ausbau erneuerbarer Energien einleitet. Im Fokus stehen dabei ausschließlich Technologien wie Windkraft und Photovoltaik; die für Kärnten traditionell dominante Wasserkraft ist von den Beschleunigungsmaßnahmen nicht umfasst.

Die Novelle, die EU-Vorgaben zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren[2] umsetzen und (großteils) am 21.02.2026 in Kraft treten soll, ist das Ergebnis eines politischen Kompromisses[3] und hat weitreichende Konsequenzen: Sie ersetzt die bisherige standortoffene Projektentwicklung durch ein rigides System, das eine Zwei-Klassen-Gesellschaft für Energieprojekte schafft.

1 Die neue Logik: Flächensteuerung und starre Fristen

Um die Beschleunigung zu erreichen, reformiert der Gesetzgeber das System grundlegend. Kern des Entwurfs sind Anpassungen in der Raumordnung, ergänzt um einen straffen verfahrensrechtlichen Rahmen:

  • Zentrale Flächensteuerung: Mit den neuen §§ 7a bis 7c Kärntner Raumordnungsgesetz (K-ROG) setzt Kärnten eine europaweit vorgegebene Entwicklung um. Die Entscheidung über das "Ob" und "Wo" von Erneuerbaren wird von der Einzelfallprüfung hin zu einer Steuerung über zentral festgelegte Beschleunigungsgebiete verlagert.
  • Straffung der Genehmigungsverfahren: Parallel dazu führt das Kärntner Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (K-ElWOG) vorgegebene maximale Verfahrensdauern ein, die ab der Feststellung der Vollständigkeit der Unterlagen durch die Behörde gelten.
    • In Beschleunigungsgebieten: 12 Monate für Neuanlagen und 6 Monate für Repowering-Projekte.
    • Außerhalb von Beschleunigungsgebieten: 24 Monate für Neuanlagen und 12 Monate für Repowering.
    • PV auf künstlichen Strukturen: Eine "Fast Lane" von nur 3 Monaten.

Bei Fristablauf wird eine Genehmigungsfiktion eingeführt.

2 Die kritischen Punkte: Was die Novelle für Projektwerber wirklich bedeutet

Diese neue Logik schafft auf den ersten Blick Klarheit, doch bei genauerer Analyse zeigen sich erhebliche Hürden und eine klare Umverteilung von Chancen.

Für Windenergieanlagen (WEA) über 5 kW legt die Novelle vier Beschleunigungsgebiete direkt im Anhang zum Gesetz fest: Soboth/Lavamünd, Steinberger Alpe, Bärofen, Peterer Alpe. Diese ausgewiesenen Zonen für Windkraft, die sich mit Standorten decken, an denen bereits Projekte in Betrieb, genehmigt oder in Planung sind, stellen mit nur 0,077 % der Landesfläche[4] einen verschwindend geringen Anteil dar. Außerhalb dieser vier Beschleunigungsgebiete sind WEA nicht mehr zulässig, was den Marktzugang für neue Akteure faktisch unterbindet. Die Konsequenz ist erheblich: Die ohnehin bereits zurückhaltenden nationalen Ausbauziele für Kärnten (0,89 TWh[5]) werden mit den geplanten Zonen (rd 0,4 TWh[6]) klar verfehlt. Für bestehende Anlagen außerhalb wird das Repowering auf eine maximale Nabenhöhenerhöhung von 30 % gekappt – eine Bremse, die den energiewirtschaftlich sinnvollen Tausch gegen moderne, leistungsstärkere Anlagen vielfach faktisch verunmöglicht.

Für andere erneuerbare Technologien wie PV-Freiflächen schafft die Novelle unterschiedliche Verfahrensgeschwindigkeiten. Sie ersetzt die allgemeine Sechsmonatsfrist des Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) durch deutlich längere, spezifische Maximalfristen (12 bzw 24 Monate). Der Gesetzgeber bietet dafür einen Tausch an: Eine längere Wartezeit gegen die (theoretische) Sicherheit einer durch Genehmigungsfiktion erstmals wirksam sanktionierten Höchstdauer. Ob dieser Tausch für Entwickler vorteilhaft ist, wird die Praxis zeigen. Solange die Landesregierung keine Beschleunigungsgebiete ausweist, bleiben Projekte im 24-Monats-Regime und damit von der eigentlich angestrebten Hauptbeschleunigung ausgeschlossen.

Auch die Genehmigungsfiktion ist in ihrer Wirkung begrenzt. Die Regelung soll bei Fristüberschreitung zwar zu einer automatischen Genehmigung führen, hat aber zwei entscheidende Schwächen:

  • Ausnahme für UVP/NVP-ProjekteDie Fiktion greift nicht, wenn eine Umwelt- oder Naturverträglichkeitsprüfung (UVP/NVP) nötig ist. Dadurch entsteht ein praktisches Dilemma: Bleibt die zuständige Behörde untätig, wird auch die Frage der Prüfpflicht nicht geklärt. Die Genehmigung steht somit auf rechtlich unsicherem Fundament.
  • Keine Heilung von Mängeln: Selbst wenn keine UVP/NVP nötig ist, bleibt eine grundlegende Rechtsunsicherheit bestehen. Nach herrschender Lehre ersetzt das Schweigen der Behörde zwar formal den Bescheid, heilt aber keine inhaltlichen Mängel des Projekts. Eine auf diese Weise "erteilte" Genehmigung ist daher für eine Projektfinanzierung nur bedingt geeignet und bleibt gerichtlich angreifbar.[7]

3 Juristische Risiken und die nationale Dimension

Über die bereits genannten kritischen Punkte hinaus schafft der Entwurf eine Reihe rechtlicher Risiken:

  • Anfechtung vor dem Höchstgericht: Gegen die Methode der Zonenauswahl läuft bereits ein Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof.
  • Starre Gesetzesstruktur: Die Festlegung der ausgewiesenen Zonen für Windkraft direkt im Gesetz macht das System extrem starr; jede Korrektur bedarf einer politisch schwerfälligen Gesetzesänderung.
  • Eingriff in laufende Verfahren: Da eine explizite Übergangsregelung für das Elektrizitätsrecht fehlt, gilt für anhängige Verfahren zum Zeitpunkt der Entscheidung das neue Recht. Für Projekte, die nicht mehr den neuen, strengeren Standort- und Verfahrensanforderungen genügen, bedeutet dies, dass bereits getätigte, hohe Investitionen in die Planung frustriert werden könnten.

Zudem entsteht durch das geplante Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG)[8] des Bundes ein strategisches Drei-Wege-System, dessen Beherrschung für den Projekterfolg entscheidend sein wird: (i) die "Bundes-Überholspur" nach dem EABG für priorisierte Projekte, (ii) das beschleunigte Landesverfahren als Regelweg und (iii) das klassische UVP-Verfahren als "Fallback". Die strategische Ausrichtung auf den optimalen Verfahrensweg wird zur zentralen strategischen Entscheidung für den Projekterfolg.

4 Ausblick: Tempo nur mit den richtigen Grundlagen

Das Gesetzespaket ist ein Programm zur Standortsteuerung, kein reines Beschleunigungsgesetz – und für die Windkraft eine faktische Ausbaubremse außerhalb weniger privilegierter Zonen. Tempo entsteht nur dort, wo die Landkarte stimmt, die Umweltgrundlagen sattelfest sind und der Netzanschluss steht.

Die Zukunft der Energiewende in Kärnten hängt davon ab, wie schnell und rechtssicher die Landesregierung die fehlenden Beschleunigungsgebiete für PV & Co definiert und wie sich das komplexe Zusammenspiel mit dem Bund in der Praxis bewährt. Für Projektentwickler und Investoren bedeutet dies, dass die Standortwahl und eine vorausschauende Verfahrensstrategie wichtiger sind als je zuvor. Der Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, die neuen Rahmenbedingungen zu beherrschen und Projekte strategisch darauf auszurichten, um Verzögerungen zu vermeiden.


[1] Entwurf eines Gesetzes, mit dem das Kärntner Raumordnungsgesetz 2021, die Kärntner Bauordnung 1996, das Kärntner Umweltplanungsgesetz, das Kärntner Elektrizitätsleitungsgesetz und das Kärntner Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2011 geändert werden.

[2] Richtlinie (EU) 2018/2001 idF der Richtlinie (EU) 2023/2413 und der Richtlinie (EU) 2023/1791.

[3] Kompromiss im Anschluss an die Volksbefragung vom Jänner 2025; deren Formulierung wird derzeit vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) geprüft, VfGH 24.06.2025, W III 1/2025-11.

[4] IG Windkraft Österreich, Windkraft in Kärnten und Oberösterreich: Zwischen Beschleunigungs-, Ausschluss- und der restriktivsten Verbotszone Österreichs, abgerufen unter < https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20251212_OTS0157/windkraft-in-kaernten-und-oberoesterreich-zwischen-beschleunigungs-ausschluss-und-der-restriktivsten-verbotszone-oesterreichs> am 13.12.2025.

[5] Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), Integrierter österreichischer Netzinfrastrukturplan, S 177 Tabelle 36.

[6] Kapeller, Auf Druck der FPÖ: Kärnten baut kaum neue Windräder – und importiert lieber Strom aus dem Ausland, abgerufen unter <https://www.derstandard.at/story/3000000299534/auf-druck-der-fpoe-kaernten-baut-kaum-neue-windraeder-und-importiert-lieber-strom-aus-dem-ausland> am 09.10.2025.

[7] Vgl zum Grundsatz, dass die Fiktion nur die formale Bescheiderlassung, nicht aber die materielle Rechtmäßigkeit ersetzt, grundlegend Pürgy, Genehmigungsfiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, JBl 2018, 18 (23); zur Notwendigkeit des Rechtsschutzes auch gegen eine nach RED III fingierte Genehmigung siehe Handig/Rathmayer, RED III und Genehmigungsverfahren, RdW 2024, 97 (99).

[8] Ministerialentwurf betreffend Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Beschleunigung des Ausbaus von Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, deren Speicherung und Verteilung (Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz – EABG) erlassen sowie das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz geändert wird, 43/ME XXVIII. GP.

Autor: Valentin Dignös