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Die Tschechische Republik hat sich in den letzten Tagen unter die Länder eingereiht, in denen das tägliche Leben verhältnismäßig markant nicht nur durch das eigentliche Auftreten des Coronavirus SARS CoV-2, der die Krankheit COVID-19 verursacht („Coronavirus“), eingeschränkt ist, sondern insbesondere durch die Krisenmaßnahmen der öffentlichen Verwaltung, die im Kampf gegen dessen Ausbreitung ergriffen wurden. Zu den ersten gehörte die zweiwöchige Quarantänepflicht, die allen Personen auferlegt wurde, die ab dem 7. März aus Italien zurückkehrten. Es folgten am 10. März die Einschränkung für künstlerische, sportliche, kulturelle, religiöse und andere öffentliche Veranstaltungen, bei denen sich zur gleichen Zeit an einem Ort mehr als 100 Personen versammeln (jetzt nur noch bis 30 Personen), und die Schließung der Schulen am 11. März.
Anschließend beschloss die tschechische Regierung die Verhängung des Notstands[1] für 30 Tage, in denen sie laut dem Krisengesetz über Sondervollmachten verfügt und z.B. tschechischen juristischen Personen und auch Personen, die sich dauerhaft auf tschechischem Gebiet aufhalten (auch Ausländern), auferlegen kann, ihr Eigentum zur Bewältigung der Krisensituation bereitzustellen oder sich an der Vorbereitung oder Realisierung von Krisenplänen zu beteiligen (sog. Aushilfspflicht). Die Regierung kann offenbar ebenfalls gegen angemessenen Ersatz die Verfügung eines jeden der sich auf tschechischem Gebiet befindet, über sein Eigentum einschränken, die Aufenthalts- und Bewegungsfreiheit dieser Ansässigen einschränken (siehe Schließung der tschechischen Grenzen und Quarantänepflicht für Rückkehrer aus Risikoländern), Versammlungen zu beschränken und nicht zuletzt auch Geschäfts- oder Unternehmenstätigkeiten zu regulieren, die die Krisenmaßnahmen gegen das Coronavirus potentiell gefährden (siehe verhältnismäßig vages Verbot des „Einzelhandelsverkaufs und des Dienstleistungsverkaufs in Geschäften“).
Die genannten einschränkenden Maßnahmen werden manchmal offenbar in Eile verabschiedet und sind anschließend den unterschiedlichsten Einflussversuchen der Lobby ausgesetzt, so dass wir meist kurz nach ihrer Verkündung Präzisierungen der Art erfahren, dass der Betrieb kleinerer Autowerkstätten oder Versanddienstleister nicht eingeschränkt wird. Ähnliche Rechtsbefugnisse im Kampf gegen das Coronavirus hat auch das Gesundheitsministerium aufgrund des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und damit unabhängig von der Ausrufung des Notstandes.
Die Regierung schloss daher Fitnesszentren, Schwimmbäder, Solarien, Saunen, Musikklubs, Bibliotheken, Galerien, Casinos und ordnete den Studenten bestimmter Fächer Pflichtarbeit an, um die Fürsorge in Sozialeinrichtungen zu gewährleisten. Restaurants durften ursprünglich zwischen 6 und 20 Uhr geöffnet haben, wurden aber anschließend ganz geschlossen. Es kam zur Unterbrechung des internationalen Bus- und Zugverkehrs und zur Schließung der meisten Geschäfte, mit Ausnahme z.B. von Lebensmittelgeschäften und Apotheken. Und schließlich wurde Quarantäne für alle Personen auf dem Gebiet der Tschechischen Republik mit Ausnahme der Wege zur Arbeit oder zum Einkauf des Grundbedarfs oder zum Besuch medizinischer Einrichtungen verhängt.
Obgleich eine Reihe von Dienstleistern ihre Geschäfte ganz schließen mussten, mussten sie im Unterschied zu anderen EU-Staaten den staatlichen Organen z.B. nicht ihre potentiell infizierten Kunden melden.
In der Tschechischen Republik gibt es nämlich auch nach Ausrufung des Notstands keine Pflicht, die es jemanden mit Ausnahme von Gesundheitsdienstleistern auferlegt, den Gesundheitszustand anderer Personen festzustellen und den Organen der öffentlichen Verwaltung zu melden. Einige unserer Kunden, die Unterkunftsdienstleistungen anbieten, waren davon angenehm überrascht, was allerdings unter dem Gesichtspunkt der ansonsten relativ strengen staatlichen Regulierung keinen großen Sinn ergibt.
Allerdings registrieren wir hier neu mögliche strafrechtliche Konsequenzen für konkret Infizierte, weil das Coronavirus vor Kurzem in das Verzeichnis ansteckender Krankheiten aufgenommen wurde, deren Verbreitung eine Straftat darstellt, wobei das ähnliche Virus SARS bereits seit langem in dieser Liste figuriert, während aber überraschenderweise das verwandte MERS fehlt. Man kann sich ebenfalls vorstellen, dass die im Strafverfahren tätigen Organe bei der Ermittlung von Straftaten auch von Unternehmern oder deren Beschäftigten die Mitarbeit als Zeugen verlangen können, wenn diese etwas wissen können, z.B. über Handlungen konkreter infizierter Personen. Die vorsätzliche Verheimlichung relevanter oder gar die Angabe falscher Informationen bedeutet für den betreffenden Zeugen, dass er sich dem Risiko des Freiheitsentzugs mit einer Obergrenze des Strafmaßes von zehn Jahren aussetzt.
Einigen Unternehmern ist es sicher schon in den Sinn gekommen, ob sie sich dank der Coronavirus-Pandemie der Erfüllung einer Vertragspflicht entziehen könnten, die sie zu sehr belastet, oder ob ihnen nicht umgekehrt droht, dass ihre ausschlaggebenden Lieferanten die Erfüllung verweigern könnten.
Diese Hoffnungen bzw. Befürchtungen stehen allgemein im Raum, wenn auch in begrenztem Maße, denn das tschechische Recht kennt tatsächlich das Institut der Verpflichtungen, die aufgrund höherer Gewalt nicht erfüllbar sind. Das Bürgerliche Gesetzbuch enthält deren genaue Definition nicht, aber üblich fällt ein unvorhersehbarer Umstand darunter, dessen Folgen (seien diese auch zeitweilig) nicht verhindert werden konnten. Da die Weltgesundheitsorganisation das Coronavirus wirklich als sich schnell ausbreitende Pandemie bezeichnet hat, kann es offensichtlich als höhere Gewalt im oben aufgeführten Sinne bezeichnet werden.
Die betreffende Partei wird allerdings nachweisen müssen, dass sie sich auch in den drei Monaten, in denen die Massenmedien begannen, regelmäßig über diese Krankheit zu informieren, nicht auf die Auswirkungen z.B. für ihre Arbeitnehmer vorbereiten konnte. Umgekehrt wird die Gegenpartei offenbar einwenden, dass ein rechtzeitiger Einkauf von Schutzmitteln und das Ergreifen der entsprechenden Maßnahmen die Ausbreitung des Coronavirus beim betroffenen Unternehmer hätte ganz verhindern können.
In einer argumentativ besseren Position werden also zum Beispiel Restaurantbesitzer oder Betreiber von Fitnesszentren sein, deren Betrieb die Regierung ohne Hinsicht darauf einstellte, ob sie sich selbst irgendeine Verfehlung zuschulden kommen ließen oder ob die Krankheit selbst in ihrem Betrieb überhaupt auftrat. Dieses Hindernis darf jedoch nicht erst in der Zeit entstehen, in der die betreffende Vertragspartei bereits in Verzug ist. Das Coronavirus kann also nicht rückwirkend zur Vertuschung einer Vertragsverletzung verwendet werden, zu der es vor seiner Auswirkung auf den konkreten Unternehmer kam.
Aufgrund möglicher Unklarheiten haben einige aufgeklärte Unternehmer diese Frage vertraglich geregelt, und zwar durch klare Definition der Situationen, die sie als höhere Gewalt ansehen. Jetzt sollten sie daher keine Zweifel daran haben, ob sie die Erfüllung ihrer Pflichten zurecht mit Verweis auf das Auftreten einer ansteckenden Krankheit ablehnen können. Wenn der Vertrag in dieser Richtung schweigt, ist die betreffende Partei nicht ganz von ihrer Pflicht befreit, aber sie muss keinen Schadenersatz für eine verspätete Erfüllung bezahlen. Das vertraglich aufgeführte Erlöschen der Pflicht kann allerdings vereinbart werden, und auch aus diesem Grund ist dieses Vorgehen jetzt bei Vertragsabschlüssen mit Partnern aus Risikogebieten zu empfehlen.
Nicht zuletzt kann die Coronavirus-Pandemie auch als eine so wesentliche Änderung der Umstände angesehen werden, dass es in ihrer Folge zu einer schwerwiegenden Benachteiligung einer der Vertragsparteien kommen könnte. Diese könnte sich auf das Recht berufen, eine Vertragsänderung zu verhandeln oder bei Gericht unter bestimmten Bedingungen eine Änderung oder Aufhebung des Vertrags anstreben. Sie muss jedoch beweisen, dass sie eine solche Änderung der Umstände nicht vernünftig voraussetzen und auch nicht beeinflussen konnte und dass diese Änderung erst nach Abschluss des Vertrags eintrat.
Wir können uns also in der Praxis vorstellen, dass zum Beispiel der Hersteller einer derzeitigen Mangelware (Mundschutz, Coronaviren-Tests)[2] oder der Hersteller von Ware, bei der es zu einem sprunghaften Anstieg der Eingangspreise kam, aufgrund dieser Bestimmung eine bestimmte Erhöhung des Kaufpreises anstreben könnte. Analog ist auch ein Druck auf die Herabsetzung der vereinbarten Preise dort zu erwarten, wo der Preis der Eingangsrohstoffe (z.B. Kraftstoffe) dramatisch zurückgeht. Diese Bemühungen können wiederum vertraglich geregelt werden, und zwar durch den völligen Ausschluss oder durch die markante Einschränkung dieser Möglichkeit (sog. Klausel „hell or high water“).
Detaillierte Informationen, die den Einfluss des Coronavirus auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber betreffen, haben Sie von uns in den vergangenen Tagen bereits erhalten, und dieser Bereich wird auch weiterhin selbständig abgehandelt und aktualisiert.
Für die Nichteinhaltung der oben aufgeführten außerordentlichen epidemiologischen Maßnahmen, die vom Gesundheitsministerium zum Schutz der öffentlichen Gesundheit angeordnet wurden, können Einzelpersonen und Organisationen Sanktionen bis zur Höhe von 3 Millionen Kronen auferlegt werden. Für die Verletzung der Krisenmaßnahmen, die von der Regierung gemäß dem Krisengesetz verabschiedet wurden, droht Privatpersonen eine Strafe bis 2 Millionen Kronen, die bei juristischen Personen auf 3 Millionen erhöht ist.
Im Hinblick auf die Einordnung des neuen Coronavirus unter die ansteckenden Krankheiten gemäß der einschlägigen Regierungsverordnung kann seine vorsätzliche oder sogar fahrlässige Verbreitung in der Tschechischen Republik (offenbar auch durch tschechische Bürger im Ausland) als Straftat mit einer Obergrenze des Freiheitsentzugs bis zu 12 Jahren angesehen werden.
Nicht zuletzt hat die Ausrufung des Notstands auch weitere strafrechtliche Auswirkungen. Die Verübung einiger Straftaten in der Zeit des Notstands wird als erschwerender Umstand angesehen, so dass den Tätern dafür strengere Strafzumessungen drohen. Es handelt sich zum Beispiel um die Straftaten der Verbreitung einer ansteckenden menschlichen Krankheit, der Gesundheitsgefährdung durch gesundheitsgefährdende Lebensmittel, um Diebstahl, Unterschlagung, Betrug oder Verbreitung einer falschen Katastrophenmeldung.
Für die Verletzung der oben aufgeführten Pflicht bei der Anordnung der Inanspruchnahme des Urlaubs droht dem Arbeitgeber eine Strafe bis zu 200 000 Kronen.
Informieren Sie sich regelmäßig auf den Seiten der tschechischen Ämter, z.B.:
Staatliche Gesundheitsbehörde auf www.szu.cz
Regierung der Tschechischen Republik auf www.vlada.cz
Gesundheitsministerium auf www.mzcr.cz
Ministerium für auswärtige Angelegenheiten auf www.mzv.cz
Ministerium für Arbeit und Soziales www.mpsv.cz
und außerdem auf den Seiten der Weltgesundheitsorganisation www.who.org
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[1] [Anm. d. Ü.: In Deutschland werden Notstände durch Sondergesetze ausgerufen, die Bezeichnung entspricht also dem tschechischen Notstand, die Rechtsform entspricht jedoch dem tschechischen Ausnahmezustand.]
1 Obgleich in dieser Richtung die mögliche Einführung einer Preisregelung für bestimmte Ware im Falle außerordentlicher Situationen auf dem Markt, wie sie das Preisgesetz ermöglicht, ein gewisses Korrektiv darstellt. Und das Finanzministerium hat im Übrigen auch bereits die Höchstpreise für Atemschutzmasken für Endverbraucher auf 175 CZK (hergestellt in der EU) und 350 CZK (hergestellt außerhalb der EU) plus USt. festgelegt.
Libuše
Dočekalová
Attorney at Law
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