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Neues zur Verarbeitung von Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer
Am Freitag, den 03. April 2020, wurde im Nationalrat das 3., 4. und 5. COVID-19-Gesetz beschlossen. Es handelt sich dabei um Sammelgesetze, mit denen in Summe knapp 100 gesetzliche Änderungen vorgenommen wurden. Datenschutzrechtliche Aspekte standen hierbei nicht im Vordergrund. Diese wurden eher in der politischen Begleitdiskussion zur Handy-Bewegungsdatenüberwachung geführt. Vielleicht war es diesem Umstand geschuldet, dass mit dem 3. COVID-19-Gesetz eine gesetzliche Änderung herbeigeführt wurde, die datenschutzrechtlich höchst relevant ist, ohne dass dies der Gesetzgeber erkannt haben dürfte.
Die Regelung
Das 3. COVID-19-Gesetz bewirkte unter anderem eine Änderung des ASVG. Konkret wurde mit § 735 ASVG eine neue Bestimmung eingeführt, welche eine vom Gesundheitsminister im Vorfeld mehrfach angekündigte Maßnahme umsetzt. Mit ihr soll verhindert werden, dass Angehörige gesundheitlicher COVID-19-Risikogruppen zur Arbeit erscheinen müssen. Umgesetzt wurde dies durch ein mehrstufiges Konzept.
Die angesprochene Regelung war in der Regierungsvorlage nicht enthalten, sie wurde per Abänderungsantrag der Regierung eingefügt. Gemäß den begleitenden Erläuterungen hierzu soll der Sozialversicherungsträger die ihm verfügbaren Daten verwenden, um Betroffene im Sinn des Schrittes (ii) zu identifizieren, zu kontaktieren und zu informieren. Der betroffene Dienstnehmer soll sich im Sinn des Schrittes (iii) selbst an seinen Vertrauensarzt wenden. Dieser soll im Sinn des Schrittes (iii) die individuelle Zugehörigkeit des Dienstnehmers zu einer Risikogruppe attestieren, ohne jedoch eine konkrete Diagnose zu stellen.
Warum ist der Datenschutz relevant?
Die DSGVO definiert Gesundheitsdaten als Daten über die körperliche oder geistige Gesundheit einer Person (Art 4 Z 15 DSGVO). Die Verarbeitung solcher Daten ist den strengen Vorgaben des Art 9 DSGVO unterworfen. Für den vorliegenden Zusammenhang relevant: Art 9 Abs 2 lit b DSGVO erlaubt die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ua um dem Betroffenen die Ausübung arbeits- oder sozialgesetzlicher Rechte zu ermöglichen, sofern dies auf Basis eines nationalen Gesetzes mit entsprechenden grundrechtlichen Garantien beruht.
Im gesagten Sinn bildet der neu geschaffene § 735 ASVG das einschlägige nationale Gesetz. Die Bestimmung dient dem Schutz gesundheitlich gefährdeter Dienstnehmer und der Absicherung ihres Entgelts. Ihre Anwendung bedingt, dass der zuständige Sozialversicherungsträger, der Dienstnehmer, sein Vertrauensarzt und sein Arbeitgeber Informationen über die Risikogruppenzugehörigkeit des Dienstnehmers austauschen. Da sich die COVID-Risikogruppen anhand medizinischer Gesundheitsparameter definieren (vgl dazu Schritt (i)), handelt es sich bei der (attestierten) Risikogruppenzugehörigkeit des Dienstnehmers zweifellos um ein personenbezogenes Gesundheitsdatum. Dies ungeachtet des Umstands, dass in den begleitenden Materialen zum Abänderungsantrag ausgedrückt wurde, dass das COVID-19-Risiko-Attest keine konkrete Diagnose beinhalten möge.
Allerdings fehlen § 735 ASVG jegliche datenschutzrechtliche Begleitvorschriften. Weder sind die Umstände geregelt, unter denen der Sozialversicherungsträger die Gesundheitsdaten des Dienstnehmers verwenden darf (Schritt (ii)), noch sind die Umstände vorgeschrieben, unter denen der Arbeitgeber dessen Gesundheitsdaten verarbeiten darf (Schritt iv). Ungeachtet seines fragmentarischen Regelungsgehalts ist § 735 ASVG dennoch als die zur Datenverarbeitung berechtigende Rechtsgrundlage anzusehen. Denn die logische Alternative würde in der Einwilligung des Dienstnehmers in die Verarbeitung seiner Gesundheitsdaten bestehen (Art 9 Abs 2 lit a DSGVO). Dies ist aber nicht mehr als eine hypothetische Überlegung. Denn eine Einwilligung, deren Verweigerung im Entfall der Entgeltfortzahlung und in einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung des Dienstnehmers münden würde, kann die unter der DSGVO geforderte Freiwilligkeit nicht erfüllen.
Wie soll sich der Arbeitgeber verhalten?
§ 735 ASVG erzeugt ein Spannungsverhältnis. Durch ihn erhalten Arbeitgeber Daten, die sie eigentlich nicht erhalten dürfen. Denn grundsätzlich ist es einem Arbeitgeber verwehrt, Kenntnis über die näheren Umstände um den Gesundheitszustand seiner Dienstnehmer zu erlangen. Genau dies wird aber verwirklicht, wenn der Arbeitgeber erfährt, ob und welchen COVID-Risikogruppen sein Dienstnehmer zugehört. Verschärft wird dieses Spannungsverhältnis durch den (situationsgeschuldet) rudimentären Rahmen des § 735 ASVG. Dem kann der Arbeitgeber allerdings durch risikominimierende Schutzmaßnahmen begegnen, wie etwa:
Unstrittig ist § 735 ASVG im Interesse des Dienstnehmers geschaffen worden. Dennoch fehlen der Vorschrift die erforderlichen datenschutzrechtlichen Begleitregelungen zum Datenschutz des Dienstnehmers. Zwar ist es nicht am Arbeitgeber gelegen, Defizite des Gesetzgebers auszugleichen. Um aber keine datenschutzrechtlichen Angriffsflächen zu bieten, und auch um Fairness gegenüber dem Dienstnehmer walten zu lassen, scheinen datenschutzrechtliche "Accountability"-Maßnahmen im Sinne der zuvor ausgeführten Überlegungen angebracht.
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Günther
Leissler
Partner
austria vienna