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Die COVID-19-Pandemie und deren wirtschaftliche Auswirkungen führten bisher zu insgesamt fünf umfassenden COVID-19 Gesetzespaketen.
Darunter finden sich ua Änderungen im Insolvenz-, Anfechtungs- und Eigenkapitalersatzrecht, mit denen die wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie adressiert werden sollen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung, weitere insolvenzrechtliche Anpassungen werden aber folgen müssen. Im Folgenden wird ein Überblick über die wesentlichen insolvenzrechtlichen Änderungen gegeben.
Verlängerte Insolvenzantragsfrist
Mit dem 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I. Nr. 16/2020, in Kraft seit 22.03.2020, hat der Gesetzgeber klargestellt, dass auch Pandemien und Epidemien unter den Begriff der Naturkatastrophe in § 69 Abs 2a IO fallen. Grundsätzlich ist bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) der Schuldner (insb dessen Geschäftsführung) verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, jedenfalls aber innerhalb von 60 Tagen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Nunmehr ist klargestellt, dass sich die Insolvenzantragspflicht auf 120 Tage verdoppelt, wenn die materielle Insolvenz durch die aktuelle COVID-19-Pandemie (mit-)verursacht wurde (sh dazu näher hier). Wie bei der "regulären" 60-Tagesfrist handelt es sich auch dabei um eine Maximalfrist: Von einem sofortigen Insolvenzantrag darf nur abgesehen werden, wenn ernsthafte und erfolgsversprechende Sanierungsbemühungen erfolgen.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung
Das nunmehr beschlossene 4. COVID-19-Gesetz, BGBl I. Nr. 24/2020, in Kraft seit dem 05.04.2020, geht hinsichtlich des Insolvenzgrunds der Überschuldung (§ 67 IO) einen Schritt weiter: Die Insolvenzantragspflicht wird, soweit die insolvenzrechtliche Überschuldung nach dem 01.03.2020 eingetreten ist, bis zum 30.06.2020 ausgesetzt. Weitere Voraussetzungen – etwa die Krise als Mitursache der Überschuldung oder das Setzen von Sanierungsmaßnahmen – bestehen dem Wortlaut nach nicht. Auch Gläubiger können in diesem Zeitraum wegen Überschuldung ihres Schuldners keinen Insolvenzantrag stellen. Liegt eine Überschuldung bei Ablauf des 30.06.2020 vor, gilt Folgendes: Es gilt die Insolvenzantragspflicht von max. 60 Tagen nach Ablauf des 30.06.2020 oder max. 120 Tage nach Eintritt der Überschuldung, je nachdem welcher Zeitraum später endet.
Während des Zeitraums von 01.03.2020 bis 30.06.2020 entfällt auch eine allfällige Haftung von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft für nach Eintritt einer insolvenzrechtlichen Überschuldung geleistete Zahlungen (§ 84 Abs 3 Z 6 AktG, sog Zahlungsverbot).
Davon unberührt bleibt die Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung bei Zahlungsunfähigkeit. Diesem Risiko soll durch die angekündigten bzw teilweise bereits implementierten staatlichen Finanzierungsmaßnahmen begegnet werden.
Folgende Hinweise und Risiken sind in diesem Zusammenhang zu beachten:
Anfechtungsrecht
Zur Vorfinanzierung von Löhnen und Gehältern bis zum Erhalt der Zahlungen iZm Kurzarbeit akzeptieren lt medialer Ankündigung österreichische Kreditinstitute die Bestätigung des AMS über die Bewilligung von Kurzarbeit als "Sicherheit" für Betriebsmittelkredite. Gesetzlich wurden mit dem 4. COVID-19-Gesetz Anfechtungsrisiken bei Überbrückungskrediten im Zusammenhang mit der COVID-19 Kurzarbeit ausgeschlossen: Die Gewährung eines Überbrückungskredits in der Höhe einer vom Kreditnehmer beantragten COVID-19 Kurzarbeitshilfe im Zeitraum von 01.03.2020 bis 30.06.2020 und dessen sofortige Rückzahlung nach Erhalt der Kurzarbeitshilfe an den Kreditgeber kann in einer späteren Insolvenz des Unternehmens nicht gemäß § 31 IO (Anfechtung wegen Kenntnis der materiellen Insolvenz) angefochten werden, wenn (i) für den Überbrückungskredit keine Sicherheit bestellt wurde und (ii) der Kreditgeber bei Kreditgewährung die Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers nicht positiv kannte. Insbesondere letztere Bedingung ist kritisch zu sehen, zB wenn die Hausbank weiß, dass keine Liquidität vorhanden ist und andere Zahlungen nicht geleistet werden können.
Zu beachten ist, dass abgesehen von der genannten Ausnahme aufgrund der weiterhin geltenden Insolvenzgründe bei Geschäftsbeziehungen mit finanziell angeschlagenen Unternehmen ein Anfechtungsrisiko bei einer späteren Insolvenz des Unternehmens besteht. Dies betrifft insb die Anfechtung wegen Kenntnis der materiellen Insolvenz, dh wenn die materielle Insolvenz des Gegenübers bekannt ist oder bekannt sein muss. Im Zusammenhang mit der Anfechtung von für den Schuldner mittelbar nachteiligen Rechtsgeschäften (§ 31 Abs 1 Z 3 IO), die bei Vorliegen eines tauglichen Sanierungskonzepts ausgeschlossen ist, geht der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien selbst davon aus, dass die Erstellung eines solchen tauglichen Sanierungskonzepts Zeit benötige und aufgrund der aktuellen Wirtschaftssituation erschwert ist.
Eigenkapitalersatzrechtliche Änderung
Als Anreiz für Gesellschafter, ihren Gesellschaften Liquidität zur Verfügung zu stellen, sieht das 4. COVID-19-Gesetz eine (über die Regelung des § 3 Abs 1 Z 1 EKEG hinausgehende) Ausnahme kurzfristiger Geldkredite von den Rechtsfolgen des EKEG vor: Kein Eigenkapital ersetzender Kredit liegt danach vor, wenn ein Geldkredit ab 05.04.2020 bis zum Ablauf des 30.06.2020 für nicht mehr als 120 Tage gewährt und zugezählt wird und für den die Gesellschaft weder ein Pfand noch eine vergleichbare Sicherheit aus ihrem Vermögen bestellt hat. Zu beachten ist, dass eine Parallelbestimmung für Kredite eines Dritten, für die ein Gesellschafter eine Sicherheit bestellt (sog Eigenkapital ersetzende Gesellschaftersicherheit, §§ 15 f EKEG), nicht besteht.
Die oben beschriebenen Änderungen finden sich im 2. Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz (2. COVID-19-JuBG) als Teil des 4. COVID-19-Sammelgesetzes, BGBl I. Nr. 24/2020.
authors: Clemens Stegner, Philipp Wetter