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Austria: Fragen, Antworten und Praxisbeispiele zu den COVID-19 Sonderverfahrensvorschriften für Verwaltungsbehörden, VwG, VwGH und VfGH (einschließlich Update zum 4. COVID-19-Gesetz)
Aus Anlass der aktuellen COVID-19 Epidemie hat der österreichische Gesetzgeber knapp eine Woche nach dem 1. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/12) ein weiteres Sammelgesetz (2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/16, in Kraft getreten am 22.03.2020) beschlossen.
Vor dem Hintergrund örtlicher und personenbezogener Quarantänemaßnahmen und damit einhergehender krankheits- und maßnahmenbedingter Ausfälle von Amtsträgern und Betroffenen wurde ein eigenes Bundesgesetz über Sonderverfahrensvorschriften für Verwaltungsbehörden, Verwaltungsgerichte, Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof (Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, kurz COVID-19-VwBG) erlassen.
Mit diesen Sonderverfahrensvorschriften sollen trotz der derzeitigen Epidemie die rechtsstaatlich erforderlichen Verfahren sichergestellt werden und durch die ausgelösten Einschränkungen im Einzelfall kein Nachteil verbunden sein.
Mit dem 4. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/24) hat der österreichische Gesetzgeber das COVID-19-VwBG erstmals novelliert. Das Sonderfristenrecht ist dabei rückwirkend ab 22.03.2020 korrigiert, klargestellt und ergänzt worden. Damit ist ein einheitliches Inkrafttreten aller Vorschriften im COVID-19-VwBG weiterhin gewährleistet.
Die im Folgenden gestellten Fragen samt Antworten und den beschriebenen Praxisbeispielen sollen eine erste Orientierungshilfe bieten, um die Auswirkungen der Sondervorschriften des COVID-19-VwBG auf den eigenen Fristenlauf abschätzen zu können. Die Praxisbeispiele können eine konkrete Prüfung der Fristen im Einzelfall nicht ersetzen. Jede Frist ist stets anhand des konkreten Einzelfalls zu prüfen!
In anhängigen Verfahren vor den Verwaltungsbehörden (VwBeh), auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze AVG, VStG oder VVG (zumindest teilweise oder subsidiär) anzuwenden sind, werden alle verfahrensrechtlichen Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (am 22.03.2020) fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, unterbrochen (§ 1 Abs 1 COVID-19-VwBG).
Die Fristenunterbrechung gilt sinngemäß auch für Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (VwG), wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist (§ 6 Abs 1 COVID-19-VwBG). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll dies auch für Verfahren zutreffen, in denen die BAO anzuwendendes Verfahrensrecht ist.
Auf Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist die Fristenunterbrechung ebenso sinngemäß anzuwenden (§ 6 Abs 2 COVID-19-VwBG).
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Fristenunterbrechung auch für das von der VwBeh durchzuführende Vorverfahren (zB 2-monatige Frist für Beschwerdevorentscheidung, 2-wöchige Frist für Vorlageantrag) und für ein Vorverfahren, das von einem VwG durchgeführt wird, gelten.
Von der Fristenunterbrechung nicht erfasst sind
Eine Frist wird dann nicht unterbrochen, wenn die Behörde dies nach sorgfältiger Abwägung aller Umstände im jeweiligen Verfahren ausspricht (§ 1 Abs 3 COVID-19-VwBG). In diesem Fall hat sie gleichzeitig eine neue angemessene Frist festzusetzen (§ 1 Abs 2, § 6 COVID-19-VwBG).
Wichtige Änderungen durch 4. COVID-19-Gesetz:
Beispiel 1: Die Baubehörde hat dem Projektwerber einen Verbesserungsauftrag erteilt. Da die Baubehörde das AVG subsidiär anzuwenden hat und es sich um eine verfahrensrechtliche Frist handelt, ist die behördliche Verbesserungsfrist unterbrochen.
Beispiel 2: Die Behörde hat den Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren aufgefordert, sich fristgerecht schriftlich zu rechtfertigen. Im Verwaltungsstrafverfahren hat die Behörde das VStG (und das AVG subsidiär) anzuwenden. Die Behörde hat im anhängigen Verwaltungsstrafverfahren für die Stellungnahmefrist die Fristenunterbrechung zu berücksichtigen.
Beispiel 3: Die zuständige Baubehörde ordnet dem Eigentümer unter Androhung einer Ersatzvornahme an, technische Baumängel an seinem Gebäude fristgerecht zu beheben. Die Mängel werden unzureichend behoben, die Baubehörde veranlasst die Ersatzvornahme. Auf das (Vollstreckungs-)Verfahren ist zumindest subsidiär das VVG anwendbar. Die behördliche Mängelbehebungsfrist ist zudem eine verfahrensrechtliche Frist, für die die vorgesehene Fristenunterbrechung gilt.
Beispiel 4: Die VwBeh verlautbart das Gesuch, den Betrieb einer neu zu errichtenden Apotheke zu bewilligen. Inhaber öffentlicher Apotheken sowie betroffene Ärzte können nun innerhalb von längstens sechs Wochen Einsprüche gegen die Neuerrichtung geltend machen. Später einlangende Einsprüche werden nicht mehr in Betracht gezogen. Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiellrechtliche Frist, die nicht von der sondergesetzlichen Fristenunterbrechung erfasst ist und damit nicht unterbrochen wird. Die Einsprüche sind unverändert binnen sechs Wochen geltend zu machen.
Generell bedeutet die Unterbrechung einer Frist, dass diese nach dem maßgeblichen Unterbrechungszeitraum neu zu laufen beginnt.
Mit dem COVID-19-VwBG wurde ein Unterbrechungszeitraum vom Inkrafttreten des Gesetzes, also vom 22.03.2020, bis einschließlich 30.04.2020 bestimmt. Damit sind verfahrensrechtliche Fristen bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen. Sie beginnen im Anschluss neu zu laufen. Die Unterbrechung tritt ohne Zutun des Einzelnen ein.
Es gelten unter Rücksichtnahme auf die gesetzliche Unterbrechung der Fristen weiterhin die allgemeinen Fristenberechnungsregeln. Mit dem 4. COVID-19-Gesetz hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass
Beispiel 1: Die VwBeh verkündet den Bescheid am 06.04.2020 mündlich. Eine Verfahrenspartei muss innerhalb von drei Tagen nach der Verkündung (eigentlich spätestens bis 09.04.2020) eine Ausfertigung verlangen. Durch die gesetzliche Fristenunterbrechung beginnt für die Partei die Frist zur Aufforderung ab 02.05.2020 neu zu laufen und endet erst am 05.05.2020.
Beispiel 2: Eine behördlich festgelegte verfahrensrechtliche Frist (zB ein Verbesserungsauftrag iSd UVP-G) wurde mit einem Monat festgesetzt und beginnt mit 23.03.2020. Diese Frist endet am 23.04.2020. Durch die gesetzliche Fristenunterbrechung beginnt die Monatsfrist ab 01.05.2020 neu zu laufen und endet erst am 01.06.2020.
Beispiel 3: Eine 6-wöchige behördliche Frist beginnt am 03.04.2020 und endet am 15.05.2020. Durch die gesetzliche Fristenunterbrechung beginnt die 6-wöchige Frist am 01.05.2020 neu zu laufen und endet erst am 12.06.2020.
Beispiel 4: Eine 2-wöchige Berufungsfrist beginnt am 06.03.2020 und endet am 20.03.2020. Da die Frist bis zum Inkrafttreten des COVID-19-VwBG (22.03.2020) bereits abgelaufen ist, kommt die vorgesehene Fristenunterbrechung bis 30.04.2020 nicht in Frage.
Beispiel 5: Eine 4-wöchige Bescheidbeschwerdefrist an ein VwG beginnt am 24.02.2020 und endet am 23.03.2020. Die Frist war bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes (22.03.2020) noch nicht abgelaufen. Durch die gesetzliche Fristenunterbrechung beginnt die 4-wöchige Bescheidbeschwerdefrist ab 01.05.2020 neu zu laufen und endet erst am 29.05.2020.
Hinweis: Nach den COVID-19-Gesetzen gelten für bestimmte Rechtsbereiche (zB Telekommunikations-, Arbeits-, Abgaben-, Finanzstrafrecht) abweichende Stichtage (insb 13.03., 16.03.2020) für Ausgleichsmaßnahmen (wie Fristenunterbrechung oder -hemmung).
Ordentlichen Rechtsmitteln – wie insb Bescheidbeschwerde und Berufung – kommt grundsätzlich "aufschiebende Wirkung" zu. Dadurch werden die Wirkungen des Bescheids bis zu dessen Rechtskraft aufgeschoben. Bescheidmäßig verliehene Rechte können daher erst konsumiert werden, wenn gegen den erstinstanzlichen Bescheid binnen der dafür vorgesehenen Frist kein (zulässiges) Rechtsmittel erhoben wird oder das VwG bzw die Berufungsbehörde über allfällige Bescheidbeschwerden bzw Berufungen entschieden hat.
Diese Regelung erfährt durch das COVID-19-VwBG keine unmittelbare Änderung. Die Unterbrechung der Rechtsmittelfristen hat jedoch faktische Auswirkungen auf die Konsumierbarkeit von Bescheiden:
Beispiel 1: Die 4-wöchige Bescheidbeschwerdefrist gegen einen naturschutzrechtlichen Bewilligungsbescheid beginnt am 24.02.2020 und endet am 23.03.2020. Die Frist ist bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes (22.03.2020) noch nicht abgelaufen. Durch die gesetzliche Fristenunterbrechung beginnt die 4-wöchige Bescheidbeschwerdefrist ab 01.05.2020 neu zu laufen und endet erst am 29.05.2020. Das durch die naturschutzrechtliche Bewilligung verliehene Recht ist somit grds auch am 23.03.2020 (Ende der Beschwerdefrist ohne COVID-19-VwBG) noch nicht konsumierbar.
Beispiel 2: Die 6-wöchige Revisionsfrist gegen ein Erkenntnis eines LVwG, mit dem die Erteilung einer wasserrechtliche Bewilligung bestätigt wurde, beginnt am 03.04.2020 und endet am 15.05.2020. Durch die gesetzliche Fristenunterbrechung beginnt die 6-wöchige Beschwerdefrist am 01.05.2020 neu zu laufen und endet erst am 12.06.2020. Die wasserrechtliche Bewilligung darf (unverändert) ab der Entscheidung des LVwG konsumiert werden. Die Unterbrechung der Revisionsfrist hat keinen Einfluss auf die Verbindlichkeit (bzw Konsumierbarkeit) der Bewilligung.
Mit dem 4. COVID-19-Gesetz sind neben Fristen für verfahrenseinleitende Anträge auch Entscheidungs- und Verjährfristen gehemmt.
Frist für verfahrenseinleitenden Antrag (§ 2 Abs 1 Z 1, § 6 COVID-19-VwBG):
Verjährungsfristen (§ 2 Abs 1 Z 3, § 6 COVID-19-VwBG):
Entscheidungsfristen (§ 2 Abs 1 Z 2, § 6 COVID-19-VwBG):
Trotz des vorübergehenden gesetzlichen Sonderfristenrechts ist die Behörde dazu angehalten, ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.
Die Fristenhemmung bedeutet, dass der Lauf der Frist wegen bestimmter Hemmungsgründe (hier COVID-19 Begleitmaßnahmen) zum Stillstand kommt und erst nach Wegfall der Gründe weiterläuft.
Die Fristenhemmung besteht für den Zeitraum vom Inkrafttreten des Bundesgesetzes am 22.03.2020 bis zum Ablauf des 30.04.2020. Dieser Zeitraum wird in den Fristenlauf nicht eingerechnet.
Beispiel 1: Bis zum 31.05.2020 ist ein wasserrechtlicher Wiederverleihungsantrag zu stellen, widrigenfalls das Wasserrecht erlischt. Bei der wasserrechtlichen Wiederverleihung handelt es um die Erteilung eines neuen Rechts und um einen fristgebundenen verfahrenseinleitenden Antrag. Für einen solchen Antrag gilt die gesetzlich vorgesehene Fristenhemmung. Die Antragsfrist ist daher um den Zeitraum der Fristenhemmung zu verlängern.
Beispiel 2: Ein Kind wird am 20.03.2020 geboren. Seine Eltern sollten innerhalb der (eigentlichen) gesetzlichen Schonfrist von einer Woche (bis zum 27.03.2020) die Geburt bei der Personenstandsbehörde anzeigen und damit einen verfahrenseinleitenden Antrag stellen. Diese Frist ist von der gesetzlich vorgesehenen Fristenhemmung erfasst. Der Lauf der Frist ist für die Zeitperiode vom 22.03.2020 bis 30.04.2020 gehemmt. Die Frist läuft erst wieder ab 01.05.2020 weiter.
Beispiel 3: Eine 6-monatige Entscheidungsfrist einer VwBeh oder eines VwG würde am 01.06.2020 enden. Durch die gesetzliche Fristenhemmung wird der maßgebliche Hemmungszeitraum (22.03.2020-30.04.2020) in die 6-monatige Entscheidungsfrist nicht eingerechnet. Die behördliche Entscheidungsfrist wird ab 22.03.2020 ausgesetzt, läuft ab 01.05.2020 weiter und wird um die vollen Hemmungstage verlängert. Weiters verlängert sich die Entscheidungsfrist zusätzlich um weitere sechs Wochen.
Gesetzliche Zahlungsfristen bei Anonym- oder Organstrafverfügungen, die bereits vor dem maßgeblichen Zeitraum, dem 22.03.2020, zu laufen beginnen und im maßgeblichen Unterbrechungszeitraum (22.03.2020-30.04.2020) noch nicht abgelaufen sind, fallen (wohl) weiterhin unter die gesetzliche Fristenunterbrechung für verfahrensrechtliche Fristen nach § 1 COVID-19-VwBG.
Abweichendes wird nunmehr für Zahlungsfristen bei Anonym- oder Organstrafverfügungen geregelt, die erst im maßgeblichen Zeitraum (22.03.2020-30.04.2020) zu laufen beginnen (§ 2 Abs 2, § 6 COVID-19-VwBG):
Bei abgekürzten Verwaltungsstrafverfahren in Form einer Strafverfügung kommt für die 2-wöchige gesetzliche Einspruchsfrist iSd § 49 VStG die gesetzliche Fristenunterbrechung iSd § 1 COVID-19-VwBG zum Tragen. Dies gilt sowohl für ein eigentliches Fristende zur Einbringung eines Einspruchs im maßgeblichen Unterbrechungszeitraum als auch für einen Beginn der Einspruchsfrist in diesem Zeitraum.
Beispiel : Eine Radfahrerin erhält eine Organstrafverfügung oder eine Anonymverfügung.
Variante 1 (Beginn Zahlungsfrist vor 22.03.2020):
Die Radfahrerin zahlt die verhängte Strafe innerhalb der 2-wöchigen Frist bei der Organstrafverfügung bzw innerhalb der 4-wöchigen Frist bei der Anonymverfügung nicht. Die Behörde erlässt daraufhin einen Strafbescheid. Auch auf das abgekürzte Verfahren (Organstraf- oder Anonymverfügung) ist das VStG anzuwenden. Weiters ist die Zahlungsfrist eine verfahrensrechtliche Frist, für die die gesetzliche Fristenunterbrechung gilt. Das ordentliche Strafverfahren ist rechtswidrig eingeleitet worden.
Variante 2 (Beginn Zahlungsfrist zwischen 22.03.2020 und 30.04.2020):
Die Radfahrerin hat die Organstrafverfügung binnen vier Wochen (statt eigentlich binnen zwei Wochen) zu bezahlen. Die Zahlungsfrist bei der Anonymverfügung beträgt für die Radfahrerin sechs Wochen (statt eigentlich vier Wochen). Das ordentliche Strafverfahren darf nicht vor Ablauf von vier Wochen bei der Organstrafverfügung oder vor Ablauf von sechs Wochen bei der Anonymverfügung eingeleitet werden.
Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 sollen persönliche Kontakte zwischen Menschen auf das Notwendigste reduziert werden (§§ 3, 6 COVID-19-VwBG).
Verfahrenshandlungen bei Behörden, die zwangsläufig mit persönlichem Kontakt zu Beteiligten einhergehen, sollen auf das unbedingte erforderliche Ausmaß zur Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege reduziert werden. Vorrangig soll der Kontakt zu Behörden audiovisuell (dh mittels Videokonferenz) erfolgen. Dementsprechend ist auch der (mündliche) Parteienverkehr bei Behörden und mündliche Anbringen auf das Notwendigste reduziert. Eine sorgfältige Interessensabwägung zwischen der Fortsetzung des Verfahrens bzw Aufrechterhaltung der Verwaltungsrechtspflege einerseits und dem Schutz der Allgemeinheit bzw der Aufrechterhaltung eines geordneten Verwaltungsbetriebs andererseits ist vorzunehmen.
Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 sollen persönliche Kontakte zwischen Menschen auf das Notwendigste reduziert werden. Dies gilt auch für Verhandlungen, Vernehmungen, usw.
Solange wegen Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind mündliche Verhandlungen, Vernehmungen (ausgenommen audiovisuelle Vernehmungen) und dergleichen nur durchzuführen, soweit dies zur Aufrechterhaltung einer geordneten Verwaltungsrechtspflege unbedingt erforderlich ist. Dies gilt für VwBeh sowie sinngemäß in Verfahren vor den VwG und dem VwGH und VfGH (§§ 3, 6 COVID-19-VwBG).
Bereits anberaumte Verhandlungen sind damit aber nicht ex lege abberaumt (verschoben). Es liegt vielmehr an der zuständigen VwBeh, dem zuständigen VwG bzw dem VwGH oder VfGH, die erforderlichen Handlungen zu setzen (zB Abberaumung, oder Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel).
Als vergleichbare Verfahrenshandlungen sollen etwa auch die öffentliche Erörterung im Großverfahren (§ 44c AVG) oder formlose mündliche Befragungen von Auskunftspersonen ua möglichst abberaumt (verschoben) werden. Diese sind ebenfalls nicht ex lege abberaumt (verschoben).
Weiters ist zu beachten, dass die Durchführung einer unbedingt erforderlichen mündlichen Verhandlung oder Vernehmung gegebenenfalls auch in Abwesenheit aller anderen Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel vorgenommen werden kann. Dabei sollen technische Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung (Videokonferenz) oder ausnahmsweise Telefonkonferenzen eingesetzt werden.
Beispiel: Im Rahmen der Abnahmeprüfung eines UVP-pflichtigen Vorhabens soll von der UVP-Behörde geprüft werden, ob es der Genehmigung entspricht. Zu diesem Zweck ist für den 27.03.2020 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Geladen sind zahlreiche Personen. Die UVP-Behörde entscheidet sich statt der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit aller anderen Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel eine Videokonferenz abzuhalten.
Beendet eine Behörde infolge der Verbreitung von COVID-19 ihre Tätigkeit, so hat die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde diesen Umstand entsprechend bekanntzumachen (zB mittels Kundmachung auf deren Homepage). Sinngemäß gilt dies auch für VwG, nicht jedoch für den VwGH und VfGH (§§ 4, 6 COVID-19-VwBG).
Sind während der Unterbrechung Verfahrenshandlungen vorzunehmen, die zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens eines Beteiligten dringend geboten, hat die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten eine andere sachlich zuständige Behörde desselben Landes zur Entscheidung der Sache zu bestimmen. Im Fall der Beendigung der Tätigkeit eines VwG hat der VwGH ein anderes – möglichst sachlich zuständiges – VwG (bei einem LVwG ein anderes LVwG; beim BVwG ein LVwG) zu bestimmen.
Beispiel: Die VwBeh hat ihre Tätigkeit beendet. Eine Kundmachung der Oberbehörde findet sich im Internet. Das Verfahren ist unterbrochen. Ab diesem Zeitpunkt können nur mehr die zur Abwendung einer Gefahr für Leib und Leben, Sicherheit und Freiheit oder Abwehr eines erheblichen und unwiederbringlichen Schadens eines Beteiligten dringend gebotenen Verfahrenshandlungen vorgenommen werden. Dazu ist aber ein entsprechend begründeter Antrag bei der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde einzubringen. Diese bestimmt dann eine andere sachlich zuständige Behörde desselben Landes zur Entscheidung der Sache.
Die Rechtsschutzmöglichkeiten hängen vom Fehler und von der Phase des Verfahrens ab und sind im Einzelfall zu prüfen. Beispielsweise kann die fehlende Rücksichtnahme auf die gesetzliche Fristenunterbrechung eine Rechtswidrigkeit behördlicher Entscheidungen begründen, die im Rechtsmittelweg bekämpft werden kann.
Das COVID-19-VwBG ist eine vorübergehende gesetzliche Grundlage für die COVID-19 Begleitmaßnahmen (wie Unterbrechung von Fristen oder von Verfahren, Vorrang audiovisueller Vernehmungen). Das COVID-19-VwBG wird mit Ablauf des 31.12.2020 außer Kraft treten (§ 9 COVID-19-VwBG). Ungeachtet dessen kann das temporäre Gesetz auch nach dem 31.12.2020 rechtlich relevant bleiben (zB bei unterbrochenen Jahresfristen, die mit 01.05.2020 neu zu laufen begonnen haben).
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authors: Andreas Lopatka-Sint, Benjamin Schlatter