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Der Nationalrat hat unter anderem im Zuge der COVID-19-Gesetzgebung mehrere gesellschaftsrechtliche Maßnahmen im Rahmen eines sog. gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes (COVID-19-GesG) beschlossen.
Gemäß COVID-19-GesG können Versammlungen von Gesellschaftern und Organmitgliedern von Gesellschaften1 auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt werden. Zur Abhaltung solcher Versammlungen sollen jene Kommunikationsmittel eingesetzt werden, die möglichst hohe Qualität der Willensbildung gewährleisten. Details zu virtuellen Versammlungen sind in Durchführungsverordnung (COVID-19-GesV) geregelt. Die Maßnahmen gemäß COVID-19-GesG bzw COVID-19-GesV sind zeitlich bis 31.12.2020 begrenzt.
Ziel dieser Gesetzgebung ist, in den Zeiten der COVID-19-Pandemie ein physisches Zusammentreffen von Gesellschaftern und Organmitgliedern zu vermeiden und gleichzeitig die Beschlussfähigkeit von Gesellschaftern und Leitungs- und Aufsichtsorganen zu erhalten. Im Folgenden werden die Neuerungen des COVID-19-GesG bzw der COVID-19-GesV dargestellt und auf die Frage eingegangen, inwiefern die geplanten Maßnahmen eine Erleichterung für die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen bzw von Sitzungen der Organmitglieder darstellen und welche technischen Kommunikationsmittel eine möglichst hohe Qualität der Willensbildung gewährleisten.
Die COVID-19-GesV trifft die Regelungen darüber, welche technischen Kommunikationsmittel eine "möglichst hohe Qualität der Willensbildung" gewährleiten. Nach dieser Verordnung sind virtuelle Aufsichtsratssitzungen bzw virtuelle GmbH-Generalversammlungen zulässig, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Sitzung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Zweiweg-Verbindung in Echtzeit besteht. Dabei muss es jedem Teilnehmer möglich sein, sich zu Wort zu melden und an Abstimmungen teilzunehmen. Diese Voraussetzungen erfüllen die meisten gängigen Video-Konferenzsysteme.2
Falls einzelne, höchstens jedoch die Hälfte der Teilnehmer nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung mit der virtuellen Versammlung verfügen oder diese Mittel nicht verwenden können oder wollen, so ist es auch ausreichend, wenn die betreffenden Teilnehmer nur akustisch mit der Versammlung verbunden sind. Auch bloß akustisch Zugeschaltene gelten in jeder Hinsicht als Teilnehmer, weshalb sie zB auch bei der Feststellung eines allfälligen Präsenzquorums mitzuzählen sind. Es wäre also möglich, zB bei technischen Problemen, einen Teilnehmer nur via Telefon dazuzuschalten.3
Die Gesellschaft ist für den Einsatz von technischen Kommunikationsmitteln nur insoweit verantwortlich, als diese ihrer Sphäre zuzurechnen sind. Das bedeutet, dass die Gesellschaft nicht für unkontrollierbare, technische Gebrechen (zB Serverausfall) haftet. Bei solchen technischen Gebrechen wird aber die Gesellschaft die Versammlung unterbrechen müssen, um den betroffenen Teilnehmern einen neuerlichen Verbindungsaufbau zu ermöglichen.
Obwohl eine virtuelle Aufsichtsratssitzung weder im AktG noch im GmbHG ausdrücklich vorgesehen ist, waren bereits vor dem COVID-19-GesG nach herrschender Ansicht Aufsichtsratssitzungen per qualifizierter Videokonferenz (zB per Microsoft Skype for Business) zulässig. Anderes galt Generalversammlungen einer GmbH: diese mussten vor COVID-19-GesG zwingend physisch abgehalten werden, wenn die Teilnahme eines Notars erforderlich war (zB Verschmelzungen oder Satzungsänderungen). War das nicht der Fall, war strittig, ob Generalversammlungen auch im Wege einer (qualifizierten) Videokonferenz abgehalten werden konnten und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.
Das COVID-19-GesG bzw die COVID-19-GesV bringen diesbezüglich gewisse Erleichterungen und schaffen auch Rechtsklarheit: Die Durchführung einer virtuellen Aufsichtsratssitzung bzw einer virtuellen Generalversammlung einer GmbH ist jedenfalls zulässig, wenn die oben dargestellten technischen Voraussetzungen erfüllt sind.4 Da der Begriff der "Versammlung" weit zu interpretieren ist, sind auch Foren mit anderen Bezeichnungen erfasst. Das bedeutet, dass auch Versammlungen von (vertraglichen) Beiräten oder Syndikaten unter diese Regeln fallen.
Für Versammlungen, die die Mitwirkung eines Notars bedürfen (zB eine Generalversammlung über die Abänderung des Gesellschaftsvertrags) gilt zudem, dass die Beurkundungen auch ohne persönliche Anwesenheit des Notars und zwar „unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit“ vorgenommen werden können (siehe § 90a NO).
Die Entscheidung, ob eine virtuelle Aufsichtsratssitzung durchgeführt werden soll und welche Verbindungstechnologie dabei zum Einsatz kommt, ist grundsätzlich von dem Aufsichtsratsvorsitzenden zu treffen. Ob und in welcher Form eine virtuelle Generalversammlung einer GmbH stattfinden soll, obliegt grundsätzlich der Geschäftsführung als einladendes Organ. Bei diesen Entscheidungen sind neben den Interessen der Gesellschaft (zB an einem geregelten Ablauf der Versammlung) auch die – bekannten oder mutmaßlichen – Interessen der Gesellschafter (zB deren technische Ausstattung) zu berücksichtigen. In der Einberufung der virtuellen Aufsichtsratssitzung bzw der virtuellen Generalversammlung ist anzugeben, welche organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an der virtuellen Versammlung bestehen. Idealerweise unterstützt die Gesellschaft ihre Gesellschafter bei der Einrichtung der organisatorischen und technischen Voraussetzungen. Aus praktischer Sicht wäre ein Testlauf zu empfehlen, damit die Versammlung zumindest aus technischer Sicht reibungslos ablaufen kann.
Die Aktiengesellschaft konnte bereits nach geltendem AktG die Teilnahme von Aktionären an der Hauptversammlung im Weg elektronischer Kommunikation sowie eine entsprechende Ausübung von Aktionärsrechten ermöglichen, sofern die Satzung der AG den Vorstand dazu ermächtigt. Möglich ist die Satellitenversammlung oder Fernteilnahme und sogar die Stimmabgabe auf elektronischem Weg. Allerdings haben nur sehr wenige AGs in ihrer Satzung die Möglichkeit von Satellitenversammlungen, Fernteilnahme oder Fernabstimmung vorgesehen. In der Praxis wurde von der virtuellen Hauptversammlung auch kein Gebrauch gemacht, weil die technischen Vorsausetzungen mit einer großen Anzahl elektronisch zugeschalteter Aktionäre aus vielen Ländern nicht verlässlich zu schaffen sind. Ferner kann die Satzung nach geltendem AktG die Abstimmung per Brief ermöglichen. Auch diese Option findet sich nur vereinzelt in Satzungen.
Das COVID-19-GesG bzw die COVID-19-GesV bringen auch hier gewisse Erleichterungen: Zunächst ist eine virtuelle Hauptversammlung auch ohne entsprechende Satzungsregelung möglich. Ferner ist es gemäß COVID-19-GesV für die virtuelle Hauptversammlung einer AG ausreichend, wenn eine Teilnahmemöglichkeit an der Versammlung von jedem Ort aus mittels einer akustischen und optischen Verbindung in Echtzeit besteht, wobei der einzelne Aktionär dem Verlauf der Versammlung nur folgen kann, aber auf andere Weise in die Lage versetzt wird, während der Versammlung Wortmeldungen (Fragen, Beschlussanträge) abzugeben und an Abstimmungen teilzunehmen. Auch hier gilt: Falls einzelne, höchstens jedoch die Hälfte der Aktionäre nicht über die technischen Mittel für eine akustische und optische Verbindung mit der virtuellen Versammlung verfügen oder diese Mittel nicht verwenden können oder wollen, so ist es auch ausreichend, wenn die betreffenden Aktionäre nur akustisch mit der Versammlung verbunden sind. Ergänzend sind die Bestimmungen über die Fernteilnahme (§ 102 Abs 3 Z 2 AktG) und die Fernabstimmung (§ 102 Abs 3 Z 3 AktG und § 126 AktG) sinngemäß anzuwenden.
In der Einberufung der virtuellen Hauptversammlung ist – genauso wie bei der Einberufung einer Generalversammlung – anzugeben, welche organisatorischen und technischen Voraussetzungen für die Teilnahme an der virtuellen Hauptversammlung bestehen. Wenn diese Informationen in der Einberufung der Hauptversammlung noch nicht enthalten sind, so ist es ausreichend, wenn diese Informationen ab dem 21. Tag vor der Hauptversammlung bereitgestellt werden und dies in der Einberufung angekündigt wird. Hat eine AG die Einberufung ihrer Hauptversammlung bereits vor der Kundmachung der COVID-19-GesV im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (dh vor dem 08.04.2020), so reicht es, wenn diese Informationen ab dem 14. Tag vor der Hauptversammlung bereitgestellt werden.
Für Hauptversammlung einer börsenotierten Gesellschaft, einer Gesellschaft im Sinn des § 10 Abs 1 Z 2 AktG oder einer Gesellschaft mit mehr als 50 Aktionären gelten Besonderheiten: Wenn Hauptversammlungen solcher Aktiengesellschaften übertragen werden (§ 102 Abs 4 AktG), so kann vorgesehen werden, dass die Stellung eines Beschlussantrags, die Stimmabgabe und die Erhebung eines Widerspruchs in der virtuellen Hauptversammlung nur durch einen besonderen Stimmrechtsvertreter erfolgen kann. Als besondere Stimmrechtsvertreter hat die Gesellschaft zumindest vier geeignete und von ihr unabhängige Personen vorzuschlagen, von denen zumindest zwei Rechtsanwälte oder Notare sein müssen. Die Kosten der besonderen Stimmrechtsvertreter trägt die Gesellschaft.
§ 1 Abs 3 der COVID-19-GesV stellt klar, dass die gesetzlichen/gesellschaftsvertraglichen Einberufungsregeln für die Durchführung von virtuellen Versammlungen nicht geändert werden, d.h. die Einberufung hat auf dem herkömmlichen Weg zu erfolgen (zB bei der GmbH: durch eingeschriebenem Brief, sofern der Gesellschaftsvertrag keine andere Form vorsieht).
Durch die COVID-19-GesV wurde klargestellt, dass es durch die Neuerungen zu keinerlei Einschränkungen von bereits bisher bestehenden Möglichkeiten kommt, Abstimmungen auf sonstige Weise (zB durch Umlaufbeschluss) durchzuführen. Nach wie vor Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH auch schriftlich im Umlaufwege gefasst werden, soweit gesetzlich oder gesellschaftsvertraglich nicht eine Generalversammlung abzuhalten ist.
Im Rahmen der COVID-19 Gesetzgebung wurde zudem beschlossen, dass Rechtsgeschäfte, Erklärungen oder eine rechtserhebliche Tatsachen, die zur Wirksamkeit der Form eines Notariatsakts oder einer sonstigen öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde bedürfen (zB notarielle Protokolle und notarielle Beglaubigungen), zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 die für die Errichtung der Urkunde erforderlichen notariellen Amtshandlungen unter sinngemäßer Anwendung der Regelungen über die digitale GmbH Gründung die wir zum ersten Mal in Österreich durchführen durften,5 auch unter Nutzung einer elektronischen Kommunikationsmöglichkeit vorgenommen werden können.
Nach dem COVID-19-GesG stellt es keine Verletzung der Pflicht zur quartalweisen Abhaltung von Aufsichtsratssitzungen dar, wenn aufgrund von COVID-19 die Durchführung von Aufsichtsratssitzungen bis zum 30. April 2020 nicht möglich ist.
Weiters wurde durch das COVID-19-GesG die acht-Monatsfrist § 104 Abs 1 AktG bzw des § 35 Abs. 1 Z 1 GmbHG für die Abhaltung einer ordentlichen Haupt- bzw Generalversammlung auf zwölf Monate verlängert. Die Verlängerung ist bis 31.12.2020 befristet.
Zwar drohen im Fall der durch die COVID-19-Krise bedingten Nicht-Abhaltung einer Haupt- bzw Generalversammlung innerhalb der acht-Monatsfrist des § 104 Abs 1 AktG bzw des § 35 Abs. 1 Z 1 GmbHG keine gravierenden rechtlichen Konsequenzen (später gefasste Beschlüsse sind wirksam; keine Haftung für die verspätete Dividendenauszahlung, wenn kein Verschulden des Vorstands; auch das Firmenbuchgericht wird wohl eine Verschiebung als gerechtfertigt ansehen), dennoch schafft die Verlängerung der Frist für die Abhaltung einer ordentlichen Haupt- bzw Generalversammlung auf zwölf Monate Rechtssicherheit.
Ferner sollen die Erleichterungen für die Aufstellung des Jahresabschlusses sowie jener Unterlagen der Rechnungslegung, die innerhalb der für die Vorlage des Jahresabschlusses geltenden Fristen vorzulegen sind, gelten: Wenn es den gesetzlichen Vertretern einer Kapitalgesellschaft, dem Vorstand einer Genossenschaft oder dem Leitungsorgan eines Vereins infolge der COVID-19-Pandemie nicht möglich ist, die in § 222 Abs 1 UGB, § 22 Abs 2 GenG, § 21 Abs 1 VerG oder § 22 Ab. 1 oder Abs. 2 VerG genannten Unterlagen in den ersten fünf Monaten des Geschäftsjahrs aufzustellen und den Mitgliedern des Aufsichtsrats vorzulegen, so kann diese Frist um höchstens vier Monate überschritten werden. Dasselbe gilt für andere Unterlagen der Rechnungslegung, die innerhalb der für die Vorlage des Jahresabschlusses geltenden Fristen vorzulegen sind.
Der Jahresabschluss und die weiteren im § 277 Abs 1 UGB genannten offenzulegenden Unterlagen sind nun spätestens zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht einzureichen. Abweichend von § 277 Abs 2 UGB hat die Veröffentlichung spätestens zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag zu erfolgen.
1 Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften, Genossenschaften, Privatstiftungen Vereine, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und kleine Versicherungsvereine.
2 zB Skype/Skype for Business, Microsoft Teams, Google Hangouts, Zoom, GoToMeeting, BlueJeans.
3 zB über die Lautsprecherfunktion des Handys. Dabei wäre zu achten, dass der Teilnehmer der Versammlung nicht nur folgen kann, sondern auch selbst gehört wird.
4 Näher dazu siehe schon oben unter Punkt "Technische Voraussetzungen".
Thomas
Kulnigg
Partner
austria vienna