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Die Rechtsvorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes über Großverfahren (§§ 44a ff AVG) haben in der Genehmigungspraxis von Großprojekten hohe Bedeutung. Sie werden ua regelmäßig in Verfahren nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVP-G) angewendet. Laut Wirkungsorientierter Folgenabschätzung werden im Durchschnitt 28 Großverfahren pro Jahr durchgeführt.
Die Bundesregierung hat am 15.10.2025 eine Regierungsvorlage für eine AVG-Novelle beschlossen, durch die eine Beschleunigung, Digitalisierung und bessere Strukturierung von Großverfahren erfolgen soll.[1] Der Gesetzesbeschluss im Parlament soll im November gefasst werden, die Bestimmungen sollen am 01.01.2026 in Kraft treten. Für bereits anhängige Verfahren sind Übergangsbestimmungen vorgesehen.
· Erweiterung des Anwendungsbereichs: Großverfahren können bereits ab voraussichtlich mehr als 50 (statt bisher 100) Beteiligten durchgeführt werden.
· Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) als einheitliche elektronische Kundmachungsplattform:
o Sämtliche Edikte werden im RIS verlautbart und ersetzen das seinerzeitige Amtsblatt zur Wiener Zeitung bzw die nunmehrige Elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes (EVI).
o Nur bei Einleitung des Großverfahrens ist neben der Verlautbarung des Edikts im RIS ein Hinweis darauf in zwei im Bundesland weitverbreiteten Tageszeitungen erforderlich. Im Unterschied zur bisherigen Ediktalkundmachung muss der Hinweis nicht mehr im redaktionellen Teil der Tageszeitungen erfolgen. Der Hinweis soll lediglich die Angabe der Fundstelle im RIS und eine Zusammenfassung des Antragsgegenstands und der Beschreibung des Vorhabens enthalten. Alle weiteren Kundmachungen und Zustellungen sind ausschließlich im RIS vorzunehmen.
o Die Ediktalsperre entfällt: Kundmachungen im Edikt können auch in der Sommer- (15.07.–25.08.) und Weihnachtszeit (24.12.–06.01.) erfolgen.
o Weiterhin gelten Schriftstücke erst zwei Wochen nach Verlautbarung im RIS als zugestellt. Potenzielle frühere Zustellungen desselben Schriftstücks (zB an einzelne Parteien) werden nun aber ausdrücklich als unwirksam erklärt, um einen einzigen, für alle Empfänger einheitlichen Zustellzeitpunkt zu normieren.
o Schluss des Ermittlungsverfahrens (EV): Die Behörde kann den Schluss des EV auch für einzelne Teilbereiche derselben Sache erklären. Nachträgliches Parteienvorbringen ist nicht mehr zu berücksichtigen. Anträge auf Fortsetzung des EV sind unzulässig. Das EV bleibt geschlossen, auch wenn der Bescheid nicht binnen acht Wochen ab erstmaligem Schluss des EV erlassen wird.
· Gliederung des Verfahrens: Gleichzeitig mit der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch Edikt kann die Behörde eine angemessene, spätestens eine Woche vor dem Tag der mündlichen Verhandlung endende Frist bestimmen, innerhalb der mitbeteiligte Parteien weiteres Vorbringen zu ihren bereits erhobenen Einwendungen schriftlich erstatten können. Späteres Vorbringen ist nicht zu berücksichtigen.
· Zahlung der Barauslagen durch Antragsteller: Die Behörde kann den Antragsteller auffordern, Barauslagen (zB Kosten für Gutachten der nichtamtlichen Sachverständigen) direkt zu zahlen.
Die AVG-Novelle zum Großverfahren enthält sinnvolle Beschleunigungsmaßnahmen.
Dennoch sind weitergehende Erleichterungen wünschenswert, zB:
· Dem einfachen Materiengesetzgeber sollte die Möglichkeit eingeräumt werden, das Großverfahren ungeachtet der Zahl der voraussichtlich Beteiligten für anwendbar zu erklären (ohne die verfassungsrechtliche Bedarfsschranke).
· Beim einmaligen, zu Beginn des Großverfahrens zu schaltenden Hinweis in zwei im Bundesland weitverbreiteten Tageszeitungen bleibt der Publizitätsmehrwert gering. Auf eine angesichts des Internetzeitalters nicht mehr zeitgemäße Veröffentlichung in Tageszeitungen sollte vollständig verzichtet werden.
· Ein durch Edikt kundgemachtes Schriftstück (zB der Genehmigungsbescheid) gilt weiterhin erst mit Ablauf von zwei Wochen nach Verlautbarung als zugestellt. Faktisch verlängert sich dadurch zB die Beschwerdefrist von vier auf sechs Wochen und wirkt verfahrensverzögernd. Zweckmäßiger wäre eine Zustellfiktion im Zeitpunkt der Verlautbarung.
· Bereits jetzt erlauben zahlreiche Materiengesetze (UVP-G, BStG, StarkstromwegeG) die erleichterte Beiziehung nichtamtlicher Sachverständiger ohne Vorliegen der engen Voraussetzungen des § 52 Abs 2 und 3 AVG. Eine unmittelbare Verankerung im AVG würde zur Flexibilisierung und Beschleunigung von Verfahren beitragen.
· Die vorgesehene Möglichkeit der Behörde, für weiteres Parteienvorbringen eine Frist zu setzen, hängt von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Eine behördliche Fristsetzung samt Präklusionswirkung sollte auch unabhängig von einer Verhandlung möglich sein.
Behörden und Verfahrensbeteiligte sind insb in Projektgenehmigungsverfahren mit einem "Wirrwarr" an Sonderverfahrensvorschriften der Bundes- und Landesgesetze konfrontiert. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot zur Einheitlichkeit des Verfahrensrechts sollten die Regelungen für ein effizientes Verwaltungsverfahren im AVG (und für Beschwerderechte im VwGVG) normiert sein. Die nunmehr geplante AVG-Novelle ist ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten.
Christian
Holzer
Counsel
austria vienna