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Am 31.10.2023 wurde die Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU ("Renewable Energy Directive III" bzw "RED III") im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Kundmachung und somit am 20.11.2023 in Kraft.
Mit der RED III wurde die RED II aus dem Jahr 2018 umfassend novelliert. Durch diese Novelle soll der Druck auf die Mitgliedstaaten verstärkt werden, den Ausbau und Einsatz erneuerbarer Energieressourcen deutlich zu erhöhen. Die Richtlinie ist daher nicht nur für den Energiesektor relevant, sondern enthält auch maßgebliche Neuerungen für weitere Sektoren wie insb Industrie, Verkehr, Gebäude und Wärme/Kälte bis hin zur Land- und Forstwirtschaft, die ua von neuen Regelungen über Biomasse betroffen ist.
Neben neuen Zielsetzungen über den Einsatz Erneuerbarer und dazugehörigen Verpflichtungen und Berechnungsmethoden enthält die RED III wesentliche Neuerungen zur Förderung von Energieerzeugungs-, Speicher- und Transportinfrastruktur. Auch der Handel von erneuerbarer Energie soll durch Vereinfachungen für entsprechende Vereinbarungen (sog "Power Purchase Agreements" bzw "PPAs", s Kap 4) gefördert werden.
Die Bestimmungen der RED III sind (zunächst) allerdings nicht unmittelbar anwendbar, sondern müssen von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Zahlreiche richtungsweisende Entscheidungen über die in der RED III enthaltenen und nachfolgend im Überblick dargestellten Regelungen zum Ausbau und Einsatz Erneuerbarer werden daher in den kommenden Monaten von den österreichischen Gesetzgebern zu treffen sein.
Mit der verbindlichen Zielvorgabe, den Anteil erneuerbarer Energien in der EU bis 2030 auf mindestens 42,5 % des (gesamten) Endenergieverbrauchs zu erhöhen, wird das alte Ziel von 32 % Erneuerbare bis 2030 maßgeblich erhöht.
Die Mitgliedstaaten sind zudem aufgefordert, sich um die Erreichung eines unverbindlichen Ziels von 45 % Erneuerbare am Endenergieverbrauch zu bemühen. Das im RePowerEU-Plan vorgesehene verpflichtende 45 %-Ziel wurde damit nur in unverbindlicher Form beschlossen.
Neben den übergeordneten Zielen für den Gesamtanteil Erneuerbarer am Endenergieverbrauch sieht die RED III auch sektorbezogene "Unterziele" vor:
Im Sektor Wärme und Kälte sind insgesamt drei Unterziele vorgesehen:
Zur Erhöhung der erneuerbaren Energie und Verringerung der Treibhausgasintensität im Verkehr hat jeder Mitgliedsstaat bis 2030 bei Kraftstoffen entweder einen Mindestanteil von 29 % Erneuerbarer am Endenergieverbrauch im Verkehr oder eine Senkung der Treibhausgasintensität im Verkehr um mindestens 14,5 % zu erreichen. Zusätzlich hat der Anteil von fortschrittlichen Biokraftstoffen und Biogas an der Energieversorgung des Verkehrs bis 2025 mindestens 1 % und bis 2030 mindestens 5,5 % (davon mindestens 1 % erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs) zu betragen. Diese Verpflichtungen sollen nach der RED III von den Mitgliedstaaten den Kraftstoffanbietern überbunden werden.
Im Industriesektor soll (als unverbindliches Ziel) eine jährliche Steigerung der Nutzung erneuerbarer Energien um 1,6 % erreicht werden. Als verbindliche Zielvorgabe ist vorgesehen, dass bis 2030 der Anteil des erneuerbaren Wasserstoffs und anderer erneuerbarer Brennstoffe nicht biologischen Ursprungs am Gesamteinsatz dieser Stoffe auf 42% steigen muss. Bis 2035 muss dieser Anteil auf 60% der im Industriesektor verwendeten Brennstoffe nicht biologischen Ursprungs steigen.
Für den Gebäudesektor sieht die RED III vor, dass der Anteil erneuerbarer Energien für Heizung und Kühlung von Gebäuden europaweit bis 2030 auf mindestens 49 % steigen soll.
Sämtliche dieser Ziele sind als (weitere) Beschleunigung des Pfads zur Erreichung der Klimaneutralität 2050 und damit als enorm ambitioniert einzustufen. Die derzeitigen Ausbaupfade und -maßnahmen der Mitgliedstaaten für den Zeitraum bis 2030 werden kaum ausreichen, um diese Ziele zu erreichen. Daher sind jedenfalls zusätzliche Anstrengungen, sei es in Form von zusätzlichen Maßnahmen oder in Form von zeitlichen Vorverlegungen erforderlich.
Bereits bis 21.05.2025 haben die Mitgliedstaaten eine koordinierte Erfassung durchzuführen, bei der sie "das inländische Potenzial und die verfügbaren Flächen und Binnengewässer" ermitteln, die "für die Errichtung von Anlagen zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen und die damit zusammenhängende Infrastruktur wie Netz- und Speicheranlagen einschließlich Wärmespeichern" benötigt werden, um mindestens ihren nationalen Beitrag zum Gesamtziel für erneuerbare Energie für 2030 zu erreichen. Die identifizierten Gebiete sollen auch bestehende Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie und "Kooperationsmechanismen" (mit anderen Mitgliedstaaten) umfassen und mit den erwarteten Zielpfaden und der geplanten Gesamtleistung der jeweiligen Technologie im Einklang stehen, die im nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) festgelegt wurden.
Durch diese "koordinierte Erfassung" soll somit der NEKP um eine entsprechend abgestimmte Energieraumplanung ergänzt werden. Wie diese Energieraumplanung konkret erfolgen wird und insb, wie die Koordinierung der erforderlichen Bundes- und Landesbehörden, Gemeinden und insb auch der Energiewirtschaft funktionieren wird, ist noch völlig offen. Angesichts der noch unklaren Rahmenbedingungen und Detailgenauigkeit der Planung, der geforderten und durchaus komplexen Koordinierung sowie der derzeit laufenden Aktualisierung des NEKP ist bereits absehbar, dass die vorgegebene Frist enorm knapp bemessen und ein zeitnaher Beginn der Planungen (parallel zur detaillierten gesetzlichen Festlegung des rechtlichen Rahmens) unumgänglich ist.
Die zeitnahe Erfassung der erforderlichen Flächen und Binnengewässer für die Energieinfrastruktur ist aus einem weiteren Grund unbedingt geboten: Bis 21.02.2026 haben die Mitgliedstaaten aus den erhobenen Flächen und Gewässern nämlich sog Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energie auszuweisen. Dabei handelt es sich um Flächen, die für die Nutzung zur Erzeugung erneuerbarer Energie "besonders geeignet" sind, weil diese Nutzung voraussichtlich keine "erheblichen Umweltauswirkungen" hat.
Als übergeordnete Planungsvorgaben gelten dabei, dass die Beschleunigungsgebiete eine "erhebliche Größe" aufweisen und "zur Verwirklichung der Ziele" beitragen, gleichzeitig aber
Sind entsprechende Flächen und Gewässer für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten gefunden, muss nicht nur eine Strategische Umweltprüfung (SUP) durchgeführt, sondern auch "geeignete Regeln für wirksame Minderungsmaßnahmen" für jedes Beschleunigungsgebiet entwickelt werden. Durch diese Minderungsmaßnahmen sollen mögliche negative Umweltauswirkungen verhindert oder – falls dies nicht möglich ist – "erheblich verringert" werden.
Bereits heute ist die Ausweisung von Eignungszonen für Windkraft und PV mit enormem Aufwand und oft langjährigen Diskussionen verbunden. Die nunmehr vorgesehenen Kriterien werden kaum dazu beitragen, den Aufwand und Diskussionen bei der Festlegung von Beschleunigungsgebieten zu verringern.
Schließlich ist zu beachten, dass bis 21.05.2024 und unter bestimmten Voraussetzungen auch bestehende Gebiete für den beschleunigten Einsatz Erneuerbarer als Beschleunigungsgebiete ausgewiesen werden können. Die Voraussetzungen für diese (nachträgliche) Ausweisung von Beschleunigungsgebieten sind grds niedriger als für die Neuausweisung von Beschleunigungsgebieten unter dem RED III-Regime. In den Regionen, in denen solche Pläne bereits vorhanden sind, wäre die Ausweisung als Beschleunigungsgebiet somit eine "low-hanging fruit".
Als wesentlicher Vorteil von Beschleunigungsgebieten ist vorgesehen, dass EE-Projekte in diesen Gebieten grds weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach der UVP-RL noch eine Naturverträglichkeitsprüfung (NVP) nach der FFH-RL bedürfen, sofern sie den für die Beschleunigungsgebiete im Einzelnen festgelegten Vorschriften und Maßnahmen entsprechen.
Stattdessen ist ein bloßes "Screening" durch die Behörde vorgesehen. In diesem Screening ist zu prüfen, ob das jeweilige EE-Projekt "höchstwahrscheinlich erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen" haben wird, die bei Festlegung der Beschleunigungsgebiete nicht ermittelt wurden. Endet das Screening positiv (dh keine derartigen Auswirkungen), so ist das EE-Projekt "unter Umweltgesichtspunkten" genehmigt, ohne dass eine förmliche Entscheidung der Behörde erforderlich ist (Genehmigungsfiktion). Nach Ablauf der (grds einjährigen) Frist für die Durchführung des Genehmigungsverfahrens (s dazu noch Kap 3.4) soll das Ausbleiben einer Antwort der Behörde dazu führen, dass "die spezifischen zwischengeschalteten Verwaltungsschritte" als genehmigt gelten. Sind hingegen erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen zu erwarten, ist hingegen eine UVP und/oder NVP durchzuführen. Windkraft- und PV-Projekte können von dieser UVP-Pflicht allerdings ausgenommen werden, insb wenn dies zur Zielerreichung erforderlich ist. In diesem Fall wären anstatt von UVP und NVP lediglich geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen, subsidiär angemessene Ausgleichsmaßnahmen und – wiederum subsidiär – Ausgleichszahlungen vorzusehen.
Diese Bestimmung wirft zahlreiche Fragen auf, die im Rahmen der nationalen Umsetzung zu klären sind: Neben der Zuständigkeit und dem genauen Ablauf des Screenings ist insb zu regeln, welche nationalen Genehmigungen "unter Umweltgesichtspunkten" erteilt werden und somit durch den positiven Abschluss des Screenings ersetzt werden. Auch das Verhältnis zwischen der Genehmigungsfiktion "unter Umweltgesichtspunkten" und der grds vorgesehenen Verfahrens- und Entscheidungskonzentration, allfällige Mitspracherechte und Rechtsmittelbefugnisse usw werden auf nationaler Ebene festzulegen sein.
Neben dem vorgesehenen "Screening" und der damit zusammenhängenden Genehmigungsfiktion sind in der RED III weitere Beschleunigungsmaßnahmen für EE-Projekte in Beschleunigungsgebieten vorgesehen. Zur besseren Übersicht werden diese im untenstehenden Kap 3.4 mit den Regelungen für Projekte außerhalb von Beschleunigungsgebieten verglichen.
Neben den Beschleunigungsgebieten für erneuerbare Energie und zu deren Unterstützung und Ergänzung können die Mitgliedstaaten designierte Gebiete für Netz- und Speicherinfrastruktur ausweisen (fakultativ). Diese Gebiete sollen die Umsetzung solcher Netz- und Speicherprojekte fördern, die für die Integration Erneuerbarer in das Stromnetz erforderlich sind.
Die Voraussetzungen für die Ausweisung solcher Gebiete sind niedriger als für die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten, weil diese Gebiete zT auch in Schutzgebieten und anderen sensiblen Gebieten ausgewiesen werden dürfen. Wie in Beschleunigungsgebieten sind auch in solchen Gebieten die "verhältnismäßigen Minderungsmaßnahmen" bereits bei der Ausweisung festzulegen und eine SUP durchzuführen.
Weist ein Mitgliedstaat Gebiete für Netz- und Speicherinfrastruktur aus, können sie auch bestimmte Netz- und Speicherprojekte in einem designierten Netz- bzw Speichergebiet von der UVP- und NVP-Pflicht ausnehmen. Die Ausnahmemöglichkeit von der UVP besteht allerdings nur für bestimmte Strom-, Gas-, Dampf- und Wasserleitungen. Wird eine entsprechende Ausnahme gewährt, ist wiederum "nur" eine Screening-Prüfung des Projekts auf seine Übereinstimmung mit den Regelungen für das Netz- bzw Speichergebiet erforderlich. Dieses Screening führt allerdings – im Unterschied zu Beschleunigungsgebieten – selbst dann nicht zur UVP- bzw NVP-Pflicht, wenn das konkrete Projekt "mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen" hat: In diesem Fall wären lediglich geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen, subsidiär angemessene Ausgleichsmaßnahmen und – wiederum subsidiär – Ausgleichszahlungen vorzusehen.
Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit in Österreich von der Möglichkeit zur Ausweisung solcher Gebiete und der Ausnahme von UVP- und NVP-Pflicht Gebrauch gemacht wird. Schwierigkeiten können sich dabei insb durch die unterschiedlichen Gesetzgebungskompetenzen für UVP und NVP, hins der UVP überdies aufgrund der weiteren Tatbestände ergeben, die üblicherweise eine UVP-Pflicht von Netz- und Speicherinfrastruktur auslösen.
Wie bereits in den Kap 3.1 und 3.2 dargelegt, werden nicht alle zur Zielerreichung erforderlichen Energieinfrastruktureinrichtungen in Beschleunigungsgebieten (oder Gebieten für Netz- und Speicherinfrastruktur) liegen. In der RED III sind daher Beschleunigungsmaßnahmen für sämtliche und damit auch für solche Projekte vorgesehen, die nicht in Beschleunigungsgebieten liegen. Dazu zählen zB die folgenden Maßnahmen:
Bei einigen weiteren Beschleunigungsmaßnahmen richtet sich deren Intensität nach der Lage innerhalb bzw außerhalb von Beschleunigungsgebieten. Diese Maßnahmen sind in der nachfolgenden Tabelle dargestellt, wobei zu beachten ist, dass für gewisse Projekte (ua Repowerings, Offshore-Windkraft, Anlagen mit < 150 kW Engpassleistung, PV-Anlagen, Wärmepumpen) Sonderregelungen bestehen:
Maßnahme |
Lage in Beschleunigungsgebiet |
Lage in Gebiet für Netz- bzw Speicherinfrastruktur |
Lage außerhalb von Beschleunigungsgebieten |
Frist für Vollständigkeitsprüfung |
30 Tage nach Einlangen des Antrags |
vorauss wie außerhalb von Beschleunigungsgebieten |
45 Tage nach Einlangen des Antrags |
Dauer des Genehmigungsverfahrens ab Vollständigkeit |
Max 12 Monate, begründete Verlängerung um max 6 Monate |
vorauss wie außerhalb von Beschleunigungsgebieten |
Max 24 Monate, begründete Verlängerung um max 6 Monate |
Ablauf Genehmigungsverfahren |
Screening binnen 45 Tagen; allfällige UVP (s Kap 3.2) binnen 6 Monaten |
Screening binnen 30 Tagen; keine UVP (s Kap 3.3) |
Bei UVP-Pflicht eine einzige Stellungnahme zu Prüfumfang und Detailgrad |
Weitere Erleichterungen sind im Bereich des Arten- und Gewässerschutzes vorgesehen, die eines genaueren Vergleichs bedürfen:
In Beschleunigungsgebieten wird davon ausgegangen, dass Projekte nicht gegen die strengen artenschutzrechtlichen Verbote zum Schutz von Tieren und von Vögeln sowie das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot verstoßen, wenn die für das jeweilige Beschleunigungsgebiet vorgesehenen Regelungen und Minderungsmaßnahmen eingehalten werden. Bei entsprechendem Monitoring sind dabei selbst "neuartige" und nicht erprobte Minderungsmaßnahmen zur weitestgehenden Verhinderung von Tötungen und Störungen für einen begrenzten Zeitraum zulässig. Dabei ist zu beachten, dass die in Beschleunigungsgebieten vorzusehenden und von konkreten Projekten in diesen Gebieten einzuhaltenden Minderungsmaßnahmen keine vollständige Vermeidung von Eingriffen gewährleisten müssen, sondern "nur" eine erhebliche Verringerung der Auswirkungen.
In Gebieten für Netz- und Speicherinfrastruktur können die Mitgliedstaaten Netz- und Speicherprojekte von der Prüfung ihrer Auswirkungen auf den Artenschutz von Tieren und von Vögeln ausnehmen, wenn sie die für das jeweilige Gebiet festgelegten Regeln und Maßnahmen einhalten. Diese Ausnahmemöglichkeit besteht auch für "Infrastrukturgebiete", die vor 20.11.2023 ausgewiesen und einer SUP unterzogen wurden.
Außerhalb von Beschleunigungsgebieten gelten Tötungen und Störungen geschützter Tiere und Vögel bei der Umsetzung von EE-Projekten nicht als absichtlich, wenn "die erforderlichen Minderungsmaßnahmen" getroffen werden. Auch außerhalb von Beschleunigungsgebieten sind dabei sogar "neuartige" und nicht erprobte Minderungsmaßnahmen zur weitestgehenden Verhinderung von Tötungen und Störungen für einen begrenzten Zeitraum zulässig, wenn diese Maßnahmen entsprechend überwacht werden.
Hinsichtlich dieser unterschiedlichen Ausnahmen und Ausnahmemöglichkeiten stellt sich zunächst die Frage, welcher Gesetzgeber für die Umsetzung dieser Regelungen zuständig sein wird. Aufgrund der unklaren Begriffe (zB "die erforderlichen" oder "neuartige" Maßnahmen) und der erwarteten Diskussionen über den Beschleunigungseffekt und das erforderliche Schutzniveau ist jedoch bereits absehbar, dass der bzw die zuständige(n) Gesetzgeber bei der Umsetzung dieser Ausnahmen besonders gefordert sein wird.
Als weitere Maßnahme zur Beschleunigung der Energiewende ist in der RED III eine verbindliche Festlegung des überragenden öffentlichen Interesses an Erneuerbaren vorgesehen. Konkret haben die Mitgliedstaaten bis spätestens 21.02.2024 sicherzustellen, dass EE-Projekte – bis zum Erreichen der Klimaneutralität – in Genehmigungsverfahren, bei der Planung, im Bau und im Betrieb im überragenden öffentlichen Interesse (engl "overriding public interest") liegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen, wenn Interessen nach der FFH-RL, WRRL, und VS-RL abzuwägen sind.
Nur in begründeten Einzelfällen können die Mitgliedstaaten die Anwendung dieser Bestimmung auf bestimmte Teile ihres Hoheitsgebiets bzw bestimmte Arten von Technologien oder Projekten mit bestimmten technischen Eigenschaften beschränken. Solche Beschränkungen müssen nicht nur mit dem NEKP in Einklang stehen, sondern sind überdies der Europäischen Kommission zu melden, wobei die Gründe für die Beschränkung anzugeben sind.
Neben Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus Erneuerbarer sowie der dazu erforderlichen Infrastruktur sind in der RED III mehrere Maßnahmen vorgesehen, die den Einsatz Erneuerbarer fördern sollen. Dazu zählen neben den sektoralen Zielvorgaben samt den entsprechenden Verpflichtungen auch Regelungen über Informations-, Berichts- und Kennzeichnungspflichten. Einen besonderen Stellenwert sollen dabei sog "Green Corporate PPAs" haben:
Green Corporate PPAs gewinnen aufgrund der klimaschutzrechtlichen Vorgaben immer mehr an Bedeutung. Dabei handelt es sich um (idR langfristige) Verträge, mit dem ein Unternehmen (zB ein energieintensiver Industriebetrieb) berechtigt wird, erneuerbare Energie unmittelbar von einem Produzenten (und nicht von einem Stromlieferanten oder Versorger) zu beziehen. Green PPAs können dabei helfen, gesetzliche Energieverbrauchsvorgaben zu erfüllen (vgl Art 22a RED III: "Einbeziehung von Energie aus erneuerbaren Quellen in der Industrie") und unternehmerische Nachhaltigkeitsziele zu erreichen (Stichwort: ESG). Nach Art 15 RED III besteht nunmehr eine unions-rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die rechtlichen und administrativen Hindernisse für PPAs zu bewerten und unbegründete Hindernisse zu beseitigen. Ua ist dabei sicherzustellen, dass mit PPAs verbundene Herkunftsnachweise auf den Käufer ohne unverhältnismäßigen Aufwand übertragen werden können. Dies ist in Österreich derzeit nur bedingt der Fall, hier ist der Gesetzgeber gefordert. Überhaupt stellt sich die Frage, ob die bestehende Bilanzgruppen- und Zählpunktregulierung in dieser Form aufrechterhalten kann (Stichwort: Beschränkung auf wirtschaftlich unattraktive off-site "sleeved" PPAs). Auch sie könnte als unverhältnismäßige (Green) PPA-Hürde iSd RED III qualifiziert werden.
Ab Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten bis 21.05.2025 (18 Monate) Zeit, die gesamte Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Abweichend davon sind einzelne Regelungen aufgrund der Umsetzungsbestimmung bereits bis zum 01.07.2024 umzusetzen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass einzelne Maßnahmen sogar noch vor 01.07.2024 umzusetzen sind, wie insb die Ausweisung bestehender Gebiete als Beschleunigungsgebiet bzw als Gebiet für Netz- und Speicherinfrastruktur.
Erstes Fazit
Ein erster Überblick über die RED III zeigt, dass die Europäische Union unter den Eindrücken von Klimawandel und Ukraine-Krieg gewillt ist, die Umstellung des europäischen Energiesystems voranzutreiben. Im Detail zeigt sich jedoch, dass insb die als "Beschleunigungsmaßnahmen" bezeichneten Regelungen Hindernisse bei der Umsetzung von EE-Projekten nur verlagern könnten:
Die Ausweisung von Beschleunigungsgebieten und Gebieten für Netz- und Speicherinfrastruktur kann zwar zu einer Vereinfachung nachfolgender Genehmigungsverfahren führen. Dies ist allerdings nicht gesichert. In Zusammenschau mit dem Erfordernis Strategischer Umweltprüfungen steht zu befürchten, dass sich die derzeitigen, langen Verfahrensdauern in den Genehmigungsverfahren auf die Planungsebene verlagern. Um diese Verlagerung sowie Doppelprüfungen zu vermeiden, bedarf es klarer Vorgaben für die Struktur der Planungs-, aber auch der nachfolgenden "Screening"- und Genehmigungsverfahren.
Dasselbe gilt für die Beschleunigungsmaßnahmen, die für alle EE-Projekte gelten: Die ausgesprochen knapp bemessenen Verfahrensfristen bedürfen nicht nur einer klaren Strukturierung der Genehmigungsverfahren und einer hinreichenden Ausstattung der zuständigen Behörden, sondern insb einer klaren Abgrenzung des Prüfungsgegenstands.
Angesichts der gegenüber der EU nochmals ambitionierteren Ziele Österreichs (Klimaneutralität bereits 2040) wäre es schließlich unverständlich, wenn der bzw die Gesetzgeber die in der RED III vorgesehenen optionalen Beschleunigungsmöglichkeiten nicht vollständig ausschöpft. Dazu gehört insb die Ausweisung von Gebieten für Netz- und Speicherinfrastruktur oder die Ausweisung bestehender Gebiete als Beschleunigungsgebiete und Gebiete für Netz- und Speicherinfrastruktur.
authors: Christoph Cudlik, Bernd Rajal, Christian Holzer, Julia Kandler, Simon Krishna Mayrdorfer
Christoph
Cudlik
Partner
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