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Seit 2024 gelten für verurteilte Mitglieder der Geschäftsführung strenge Regeln. Überraschenderweise sind Korruptionsdelikte nicht erfasst.
Seit Anfang 2024 gelten für Manager verschärfte Regeln im Strafrecht: Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sowie Vorstandsmitglieder von Kapitalgesellschaften (GmbH, AG und SE) sowie (Europäischen) Genossenschaften gelten automatisch als disqualifiziert, wenn sie wegen bestimmter Delikte zu einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt werden. Für die Dauer von drei Jahren ab rechtskräftiger Verurteilung dürfen sie nicht in einer solchen Funktion tätig sein.
Die Regelung beruht auf einer Richtlinie der Europäischen Union (EU-RL 2017/1132). Sie soll die Unternehmensintegrität und das öffentliche Vertrauen in das Interagieren mit den unter den Anwendungsbereich der neuen Regelungen fallenden Gesellschaften schützen.
Der österreichische Gesetzgeber entschied sich dafür, den Deliktskatalog auf "Klassiker" des Wirtschaftsstrafrechts wie Betrug oder Untreue einzuschränken. Dass dabei gerade das Korruptionsstrafrecht fehlt, ist im Lichte der letzten Jahre durchaus überraschend. Zugleich spielt es nach österreichischer Rechtslage keine Rolle, ob die Verurteilung unbedingt oder bedingt ausgesprochen wurde. Auch Verurteilungen für vergleichbare Straftaten durch ausländische Gerichte (nicht eingeschränkt auf EU-Gerichte) sind zu berücksichtigen.
Die Rechtslage ist anzuwenden auf Personen, die nach dem 1. Jänner 2024 rechtskräftig verurteilt wurden. Damit erfasst sie auch Straftaten, die zu einem Zeitpunkt begangen wurden, als die neue Rechtslage noch nicht in Kraft war, sodass trotz unter Umständen lange zurückliegenden Verhaltens (keine Seltenheit in Wirtschaftsstrafverfahren) ein signifikanter Einschnitt in das berufliche Leben erfolgen kann.
Zwar gilt im Strafrecht bekanntermaßen das Rückwirkungsverbot. Der Gesetzgeber hat die Disqualifikation jedoch als "Rechtsfolge" ausgestaltet. Dabei handelt es sich um Konsequenzen, die das Gesetz mit dem Strafurteil verknüpft und die automatisch eintreten sollen. Ob die Ausgestaltung der automatischen Disqualifikation als Rechtsfolge, und damit die Ausnahme vom Rückwirkungsverbot, verfassungskonform ist, wird die Zukunft zeigen. Bedenken wurden bereits laut.
Abseits solcher Überlegungen besteht die Möglichkeit, dass die Gerichte die automatische Disqualifikation bedingt nachsehen. Die ersten Erfahrungen legen nahe, dass (Rechtsmittel-)Gerichte Verurteilte nicht unbedingt mit voller Härte ein zweites Mal bestrafen wollen.
Die Bestellung disqualifizierter Personen ist nur "rückgängig" zu machen. Besser wäre es wohl gewesen, die Bestellung einer disqualifizierten Person als absolut nichtig zu qualifizieren, so wie dies in Deutschland der Fall ist.
Im Fall einer Neueintragung hat das Firmenbuchgericht zu prüfen, ob eine entsprechende Verurteilung vorliegt, die zur Disqualifikation führt. Das wird vom Firmenbuchgericht durch eine automationsunterstützte Abfrage aus dem Strafregister (Vorprüfung) und erforderlichenfalls durch die Einholung einer Strafregisterauskunft amtswegig ermittelt. Bei Verurteilungen in einem Mitgliedsstaat der EU oder des EWR kann das Firmenbuchgericht über das System der Registervernetzung (BRIS) Informationen über eine Disqualifikation anfragen. Die Praxis ist dazu übergegangen, Erklärungen der neuen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer einzuholen, in denen bestätigt wird, dass keine relevante Disqualifikation vorliegt.
Wird ein bereits bestellter Geschäftsführer disqualifiziert, so hat er unverzüglich den Rücktritt zu erklären; dieser wird nach Ablauf von 14 Tagen wirksam. Das Firmenbuchgericht hat die Gesellschaft aufzufordern, die disqualifizierte Person unverzüglich abzuberufen und für einen anderen gesetzlichen Vertreter zu sorgen. Kommt sie dieser Aufforderung nicht binnen einer Frist von zwei Monaten nach, so ist die disqualifizierte Person von Amts wegen zu löschen. Nach Rechtskraft des Löschungsbeschlusses und Ablauf einer Frist von 15 Tagen nach Eintragung der Löschung gilt die Person als abberufen.
Die Umsetzung der Richtlinie lässt in einigen Punkten Fragen offen. Wie die rechtsberatende und behördliche Praxis diese lösen wird, wird wohl erst die Zeit zeigen. Aufgrund der bestehenden Unsicherheiten sind Unternehmen jedenfalls gut beraten, sich eine möglichst realistische Einschätzung des Verfahrensausgangs einzuholen und rechtzeitig Vorkehrungen für eine mögliche Disqualifikation des Geschäftsführers zu treffen.
(Oliver M. Loksa, Gabriel Ebner, Der Standard, 19.1.2025)
Oliver Michael
Loksa
Counsel
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