Sie werden zur Website unserer Muttergesellschaft, Schönherr Rechtsanwälte GmbH, weitergeleitet: www.schoenherr.eu
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte sich in der Rechtssache C-365/23 - Arce[1] mit der Anwendbarkeit des EU-Verbraucherschutzrechts auf Verträge mit Minderjährigen im Sport zu beschäftigen.
Im Jahr 2009 schloss ein lettisches Unternehmen, das Dienstleistungen zur Förderung der sportlichen Entwicklung und der Karriere junger Sportler anbietet, einen Vertrag mit einem 17-jährigen (minderjährigen) Basketballspieler, der von seinen Eltern gesetzlich vertreten wurde. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 15 Jahren und sah vor, dass der Sportler zukünftig 10 % aller Nettoeinnahmen, die er während dieses Zeitraums erzielte, an die Agentur abführen würde, sofern diese mindestens EUR 1.500 pro Monat erreichten. Der Spieler wurde tatsächlich Profi und entwickelte sich zu einem sehr gut bezahlten Basketballspieler. Er erzielte während der Vertragslaufzeit ein Nettoeinkommen von insgesamt rund EUR 16 Millionen.
Elf Jahre später forderte die Agentur die Zahlung ihres Anteils von 10 %. Dabei entstand ein Streit über die Angemessenheit und Rechtmäßigkeit der Klausel über den vertraglich vereinbarten Anteil der Agentur, der schließlich in ein Gerichtsverfahren in Lettland mündete. Das lettische Gericht legte dem EuGH mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vor, um die Auslegung des EU-Verbraucherschutzrecht im vorliegenden Kontext zu klären.
Der EuGH prüfte zunächst die Anwendbarkeit der Richtlinie 93/13/EWG des Rates über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ("Klausel-RL") auf den Vertrag zwischen der Agentur und dem minderjährigen Sportler. Der Gerichtshof kam zum Schluss, dass die Klausel-RL anwendbar ist, zumal der Sportler die betreffende sportliche Tätigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht beruflich ausübte. Er gilt daher als Verbraucher, während die Agentur unter die Definition eines Gewerbetreibenden im Sinne der Klausel-RL fällt.
Der EuGH hielt in weiterer Folge fest, dass Vertragsklauseln gemäß Art 4 Abs 2 und Art 5 Klausel-RL in einer klaren und verständlichen Sprache abgefasst sein müssen. Diese muss es dem Verbraucher ermöglichen, die wirtschaftlichen Folgen der Klausel vorherzusehen. Im vorliegenden Fall wurde die Verpflichtung des Sportlers, 15 Jahre lang 10 % seiner künftigen Einnahmen zu zahlen, als potenziell geeignet angesehen, ein erhebliches Missverhältnis zwischen den Parteien zum Nachteil des Verbrauchers zu schaffen. Freilich war der Vertrag auch mit einem erheblichen Risikofaktor für die Agentur behaftet. Denn er sah unter anderem vor, dass
Darüber hinaus betonte der EuGH, wie wichtig es ist, die Rechte des Kindes zu berücksichtigen (Art 24 EU-Grundrechtecharta). Der Umstand, dass der Sportler zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses minderjährig war und dass der Vertrag von seinen Eltern in seinem Namen unterzeichnet wurde, ist für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln ebenso relevant.
Letztlich stellte der EuGH fest, dass die fragliche Klausel nicht allein deshalb ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zum Nachteil des Verbrauchers schafft, weil sie keinen Zusammenhang zwischen dem Wert der erbrachten Leistung und ihren Kosten für den Verbraucher herstellt. Ob ein solches Missverhältnis vorliegt, ist insbesondere anhand nachstehender Kriterien zu beurteilen:
Vor diesem Hintergrund ist es nun Sache des Obersten Gerichts Lettlands, zu entscheiden, ob die fragliche Klausel mit dem EU-Verbraucherschutzrecht vereinbar ist.
Das Urteil stärkt die Anwendbarkeit des EU-Verbraucherschutzrechts auf Verträge mit Minderjährigen, insbesondere im Sportbereich. Es erinnert Organisationen und Verbände daran, bei Verträgen mit jungen Sportlern sicherzustellen, dass die Vertragsbedingungen fair und transparent sind und die Schutzbedürftigkeit von Minderjährigen nicht ausgenutzt wird.
Juristen und Akteure in der Sportbranche sollten ihre Vertragspraktiken also sorgfältig dahingehend überprüfen, ob sie mit diesem Urteil in Einklang sind. Schließlich sollen sie die Einhaltung der EU-Verbraucherschutzstandards und die Wahrung der Rechte minderjähriger Sportler gewährleisten.
Der Autor des vorliegenden Beitrags ist Rechtsanwalt und lizenzierter FIFA-Fußballagent. Die Relevanz der Arbeit eines Sportagenten, der junge Sportler auf dem Weg zum Profi unterstützt, sollte auf der anderen Seite nicht unterbewertet werden. Im vorliegenden Fall scheinen sowohl die Klausel als auch die vereinbarte Vergütung von 10 % des Nettoeinkommens des Sportlers dem Branchenstandard zu entsprechen. Das ist bei Verträgen mit jungen Sportlern üblich, die häufig Beratungsverträge unterzeichnen, lange bevor sie den Status eines Profis erreichen. In diesem Stadium sind die meisten Jungsportler mehr als bereit, sich zu einem Anteil von 10 % ihres künftigen Einkommens zu verpflichten, wenn sie im Gegenzug die für eine Profikarriere erforderliche Beratung, Unterstützung und Kontakte erhalten. Allerdings gelingt es nur einem kleinen Prozentsatz dieser Sportler, tatsächlich auch Profi zu werden. Demgemäß erhalten Agenten in der Regel nur von den wenigen, die es in den Profisport schaffen, eine Vergütung für ihren Aufwand. Ironischerweise wird der vereinbarte Anteil von 10 % nach jahrelanger Unterstützung im konkreten Fall dann zum Streitpunkt, als beträchtliche Gehälter fließen. Berater müssen sich also mit den wenigen Sportlern um ihr Honorar streiten, denen sie erfolgreich zum Profidasein verholfen haben.
Key take-aways für den Abschluss von Sportberaterverträge mit Minderjährigen:
Die Erwägungen des EuGH geben schließlich auch einige Hinweise für das anhängige Vorabentscheidungsverfahren in der Rechtssache C-209/23, RRC Sports, in dem es um die Vereinbarkeit des FIFA Football Agent Reglement („FFAR“) mit dem EU-Wettbewerbsrecht und der Dienstleistungsfreiheit geht.[2] Die FIFA sieht in ihrem Reglement nämlich unter anderem eine Obergrenze für das Honorar von Fußallagenten vor, die zwischen 3 % und in bestimmten Fällen bei maximal 10 % liegen kann. Wenn der EuGH nun der Auffassung ist, dass eine Vergütung von 10 % aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht nicht per se missbräuchlich ist, verheißt das für die FIFA-Obergrenze aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nichts Gutes.
Autoren: Bernhard Schmidt, Patrick Petschinka
Bernhard
Schmidt
Attorney at Law
austria vienna