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Die Digitalziele der EU sehen vor, dass allen europäischen Haushalten bis zum Jahr 2030 eine Gigabit-Netzanbindung zur Verfügung stehen soll. Zu diesem Zweck hat die EU im Mai 2024 den Gigabit Infrastructure Act (kurz GIA)[1] erlassen, der die bisherige KostensenkungsRL[2] ersetzt.
Zur Beschleunigung des unionsweiten Aufbaus von schnellen Gigabit-Netzen (Very High Capacity Networks[3]; VHC-Netze) fördert der GIA nicht nur die gemeinsame Nutzung bestehender, sondern auch den Aufbau neuer physischer Infrastruktur für Kommunikationsnetze (Masten, Leitungsrohre, Antennenanlagen usw).
Der Großteil der Bestimmungen des GIA ist seit heute (12.11.2025) anzuwenden.
1.1 Gemeinsame Nutzung bestehender physischer Infrastruktur
· Öffentliche Stellen, in deren Eigentum physische Infrastrukturen stehen oder die sie kontrollieren, haben auf Antrag von Betreibern öffentlicher Kommunikationsnetze Zugang zu ihren physischen Infrastrukturen wie Gebäuden, Leitungsrohren und Masten zu gestatten.[4] Während bisher nur Netzbetreiber[5] unter die Zugangsverpflichtung fielen, sind nun insb auch Einrichtungen des öffentlichen Rechts außerhalb der Netzinfrastrukturbranche erfasst (dazu können auch öffentliche Unternehmen zählen). Damit zusammenhängend wurde der Begriff "physische Infrastruktur" auch auf Gebäude und Objekte ausgedehnt, die nicht Teil eines Netzes sind und im Eigentum öffentlicher Stellen stehen.
· Weiters können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass zur Beschleunigung des Netzausbaus in ländlichen oder abgelegenen Gebieten, in denen es noch kein VHC-Netz gibt, unter bestimmten Voraussetzungen private gewerbliche Gebäude (einschließlich ihrer Dächer) zur Installation von Komponenten von VHC-Netzen kostenpflichtig in Anspruch genommen werden können.
· Die Verweigerung des Zugangs zu physischen Infrastrukturen ist aus den im GIA taxativ festgelegten Gründen zulässig (ua mangelnder Platz, Verfügbarkeit tragfähiger und geeigneter Alternativen für den passiven Zugang, Sicherheit kritischer Infrastruktur). Die Mitgliedstaaten können auch den aktiven Zugang auf Vorleistungsebene (zB Bitstromzugang) als Zurückweisungsgrund vorsehen, sofern im jeweiligen Mitgliedstaat diese oder eine gleichwertige Verweigerungsmöglichkeit bereits am 11.05.2024 bestand.
· Die Pflicht zur Koordinierung von Bauarbeiten und Bereitstellung von Mindestinformationen über Infrastrukturen wird auf öffentliche Stellen ausgeweitet, die Eigentümer physischer Infrastrukturen sind oder diese kontrollieren. Zuvor galt dies nur für Netzbetreiber und Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze.
1.2 Genehmigungen für den Aufbau von Telekom-Infrastruktur
· Anträge auf Erteilung von Genehmigungen für den Aufbau von Komponenten von VHC-Netzen (zB allenfalls erforderliche Bau-, Naturschutz- oder Rodungsbewilligungen) können künftig bei einer zentralen Informationsstelle eingebracht werden. Diese hat dem Antragsteller Informationen über die Genehmigungsverfahren digital zur Verfügung zu stellen.
· Genehmigungsanträge sind binnen 20 Tagen auf Vollständigkeit zu prüfen und die Genehmigungen sind grundsätzlich innerhalb von 4 Monaten zu erteilen. Sofern die Behörde nicht innerhalb der Genehmigungsfrist entscheidet, gilt die Genehmigung als erteilt. Der nationale Gesetzgeber kann diese Genehmigungsfiktion unter bestimmten Voraussetzungen in den jeweiligen Materiengesetzen ausschließen.
· Der GIA legt fest, welche Bauarbeiten iZm VHC-Netzen keiner Genehmigungspflicht unterliegen (ua Reparaturen und kleinere Arbeiten mit begrenztem Umfang). Diese Tätigkeiten dürfen somit nach nationalem Recht grundsätzlich keiner Genehmigungspflicht unterliegen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Ausnahmen gesetzlich festzulegen.
Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den besonderen Regelungen des GIA zu Genehmigungsverfahren findet sich in unserem Beitrag (Schnelle Genehmigung für schnelle Netze nach dem Gigabit Infrastructure Act, ecolex 2025, 685).
Der GIA gilt unmittelbar; einer nationalen Umsetzung bedarf es daher grundsätzlich nicht. Als hinkende VO erfordert der GIA jedoch zT nationale Begleitregelungen. Aufgrund der österr Kompetenzverteilung sind iZm Genehmigungsverfahren die Bundes- und Landesgesetzgeber gefragt. ZB sind Ausnahmen von der Genehmigungsfiktion sowie die nicht genehmigungspflichtigen Bauarbeiten in den Materiengesetzen festzulegen. Allenfalls könnte ein Zugangsrecht zu privaten gewerblichen Gebäuden in ländlichen oder abgelegenen Gebieten implementiert werden.
Ob der GIA tatsächlich eine Beschleunigung des Telekom-Ausbaus bewirkt, wird sich zeigen. Fest steht, dass zB Genehmigungsfiktionen erhebliches Beschleunigungspotenzial haben. Genehmigungsanträge bei einer zentralen Informationsstelle einzubringen, die nicht die zuständige Genehmigungsbehörde ist, scheint hingegen Verfahren unnötig zu verkomplizieren. Noch unklar ist, wie die Erweiterung des Zugangs auf physische Infrastrukturen öffentlicher Stellen und die unmittelbare Anwendung der Zugangsverweigerungsgründe des GIA mit den Bestimmungen zu Netzausbau und Infrastrukturnutzung im 7. Abschnitt des TKG 2021 zusammenspielen werden.
[1] VO (EU) 2024/1309, ABl L 2024/1309, 1.
[2] RL 2014/61/EU, ABl L 2014/155, 1.
[3] VHC-Netze sind elektronische Kommunikationsnetze, die (i) komplett aus Glasfaserkomponenten bestehen (zumindest bis zum Verteilerpunkt am Ort der Nutzung) oder (ii) zu üblichen Spitzenlastzeiten eine ähnliche Netzleistung in Bezug auf die verfügbare Downlink- und Uplink-Bandbreite, Ausfallsicherheit, fehlerbezogene Parameter, Latenz und Latenzschwankung bieten können.
[4] In Ö versteht man darunter die Mitbenutzung iSd §§ 60ff TKG 2021.
[5] Das sind gem Art 2 Z 1 GIA neben Betreibern öffentlicher Kommunikationsnetze auch Unternehmen, welche bestimmte Versorgungs- und Verkehrsnetze zur Verfügung stellen. Erfasst sind ua Gas, Strom, Wärme, Wasser sowie Verkehr (Schiene, Straße, Flughäfen).
Autoren: Christian Holzer / Simon Ferk
Christian
Holzer
Counsel
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