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This article was first published on DiePresse.com, 24.04.2024
Ein Zitierverbot aus Ermittlungsakten bleibt strittig. Kommen wird für alle Bürger ein datenschutzrechtliches Anfragerecht gegenüber Medien. Es soll neun Euro kosten. Bleibt Informantenschutz gewährleistet? Die Uhr tickt: Ende Juni tritt laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) von Ende 2022 das Medienprivileg im Datenschutzrecht außer Kraft. Bis dahin müsste ein neues Gesetz beschlossen werden, in dem geregelt ist, wann Bürger von Medien datenschutzrechtliche Auskünfte begehren dürfen. Die Sache ist heikel, da Medien ihre Informanten schützen müssen. Und Justizministerin Alma Zadić (Grüne) hat noch keinen offiziellen Entwurf vorgelegt. Zusätzliche Brisanz erhielt das Thema dadurch, dass die ÖVP am liebsten ein Zitierverbot für Medien aus Akten des Vorverfahrens und damit auch aus Chats mitbeschließen würde. Chats von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seinem VertrautenThomas Schmid abwärts hatten ɐür Aufsehen gesorgt.
Doch einige Punkte des vom Justizministerium geplanten Entwurfs stehen nach den der „Presse“ vorliegenden Infos schon fest. Und beim „Rechtspanorama am Juridicum“ betonten am Montagabend Fachleute verschiedenster Richtungen, worauf man bei der Neuregelung achten solle.
Dass Medien datenschutzrechtlich von allen Pflichten befreit sind, ist laut dem VfGH nicht möglich. Der Anlassfall drehte sich um einen Mann, dessen Visitenkarte ungeschwärzt in Bildaufnahmen über eine Hausdurchsuchung auf der Homepage eines Mediums zu sehen war. Der VfGH gab dem Gesetzgeber 18 Monate Zeit für eine Neuregelung, doch die Zeit ist bisher ohne offiziellen Entwurf verstrichen, wie Nikolaus Forgó, Vorstand des Instituts für Technologie- und Immaterialgüterrecht der Universität Wien, bedauerte. Es habe bisher wie so oft in Österreich nur „Vermauschelungen“ mit Betroffenen gegeben. Käme die Neuregelung nicht rechtzeitig, wäre dies laut Forgó „für Medien wie Öffentlichkeit eine katastrophale Nachricht“. Nachdem die alte Regel per Ende Juni außer Kraft tritt, müsste man dann im Einzelfall viel über die Rechtslage streiten.
Florian Klenk, Chefredakteur des "Falter", ortete keine Vermauschelungen. Die Medienhäuser hätten mit der Ministerin nur über mögliche Probleme gesprochen, aber das sei legitim. Medien seien „keine Versandhäuser“ und müssten anders behandelt werden. Es könne nicht sein, dass ein Redakteur offenlegen müsse, woher er geheime Informationen beziehe. Überdies wäre es schon Problem genug, wenn die FPÖ ihre Fans dazu aufrufen würde, die „Lügenpresse“ mit datenschutzrechtlichen Anfragen zu überhäufen. Dies würde die Medien mit ihren knappen Ressourcen lahmlegen, sagte Klenk.
Um derartige Fälle zu verhindern, sollen Medien laut den der "Presse" vorliegenden Informationen aber eine Gebühr von neun Euro je Auskunftsersuchen verrechnen dürfen. Das Auskunftsrecht soll sich zudem auf die in diesem Artikel verarbeiteten Daten beschränken und nur jenen offenstehen, die durch den Artikel auch individuell betroffen sind. Und könnte eine Auskunft die journalistische Quelle geɐährden, muss man nicht mit Ja oder Nein antworten. Ein Beispiel dafür ist die Frage, ob ein Medium über ein Testament verfügt, das nur dem Hausnotar bekannt sein darf. Eine Antwort darauf würde den Informanten offenlegen.
Der ÖVP-Wunsch nach einem Zitierverbot aus Akten dürfte sich so schnell nicht erfüllen, die Partei hat inzwischen auf eine Junktimierung der beiden Materien verzichtet. Das Zitierverbot habe mit dem bisherigen Medienprivileg im Datenschutz auch so viel zu tun wie die Wiener Bauordnung, nämlich nichts, meinte Forgó. Aber was spräche für ein Zitierverbot? „Wir müssen uns davon verabschieden, dass wir immer nur an Chats von Politikern denken. Bei Wirtschaftsstrafsachen kann es auch normale Menschen treffen“, warnte Oliver Michael Loksa, Rechtsanwalt bei Schönherr und Vorsitzender der Vereinigung für Wirtschaftsstrafrecht. Gerade in Zeiten von Klicks-Generierung durch Medien und Social Media würden einzelne Chat-Bestandteile aus Gründen der Aufmerksamkeit herausgerissen werden. Da wäre es besser, man dürfte als Journalist wie in Deutschland Akten nur mit eigenen Worten und indirekt wiedergeben. Die Sanktion beim Zuwiderhandeln solle aber nicht wie im Nachbarstaat im Strafrecht, sondern im Mediengesetz verankert werden.
„Wir bewegen uns in einer Schlacht um Aufmerksamkeit, aber was das am Ende mit den Menschen macht, hinterfragen die wenigsten“, rügte Silvia Grünberger von der Agentur Rosam Grünberger Jarosch & Partner. Die auch noch unter ihrem früheren Namen Silvia Fuhrmann bekannte Ex-ÖVP-Politikerin berät Personen, die Teil der Berichterstattung werden. Die Veröffentlichung von Chat-Zitaten hätten schon „zur moralischen Verurteilung geɐührt, bevor noch eine Anklage stattfindet“, meinte die PR-Expertin.
Die auf Medienrecht spezialisierte Rechtsanwältin Maria Windhager sähe "keinen Mehrwert", wenn man nur noch indirekt aus Akten zitieren könnte. Dieses Verbot dürfte selbst in Deutschland nicht vor dem Höchstgericht halten, meinte Windhager (eine Überprüfung steht noch aus). Eine Rechtsschutzlücke sieht Windhager aber, wenn die Ergebnisse einer Einvernahme bei Vergewaltigung oder Missbrauch an Medien gelangen und diese intimste Details über das Opfer berichten. "Hier bin ich bereit, über eine strafrechtliche Sanktion nachzudenken."
Bei politischen Chats oder Telefonprotokollen müsse man weiterhin wörtlich zitieren können, betonte Klenk. Denn Sätze wie „Wo woa mei Leistung?“ (Karl-Heinz Grassers Freund Walter Meischberger, der 700.000 Euro Provision bekam) oder "Du bist die Hure der Reichen" (Thomas Schmids Erinnerung an Mitarbeiter) würden nur im Original ihre Wirkung entfalten.
Oliver Michael
Loksa
Counsel
austria vienna